Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
82 Gehalt einer Sache oder Aussage. Doch worin mag der bestehen und wie ist er feststellbar? Bei Lichte besehen, ergeben sich Sinn oder Bedeutung aus der Interpre- tation von Zeichen (visueller, akustischer, sprachlicher usw.). Diese Interpretation ist aber nicht eindeutig und für alle Zeichen oder Kulturen gleich. Wir können daher immer nur sagen, dass etwas für uns etwas Bestimmtes bedeutet – und dies hoffent- lich auch begründen. In jedem Fall vollzieht sich diese Bedeutung sprachlich. Da auch Denkakte ständig und ganz grundlegend mit Bedeutungen zu tun haben, ist unser Denken sehr stark an sprachliche Hervorbringungen und die Möglichkeiten dazu geknüpft. Unsere Sprachkompetenzen verändern sich im Lauf des Lebens ständig; schon der Spracherwerb beginnt nicht mit der Geburt, sondern entwickelt sich während der ersten beiden Lebensjahre. Dabei können die einfachen Formen einer oder zweier Sprachen erworben werden. Im Lauf der Zeit verfeinern sich die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, das Vokabular wird größer, der Sinn für die Möglichkeiten grammatikalischer Formen schärfer. Wir können später auch weitere Sprachen erlernen, sogenannte Fremdsprachen, wenngleich auf andere Art als die Erst- oder Zweitsprache. Gesteigerte sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten wirken sich entsprechend auf die Vielschichtigkeit unseres Denkens aus. Je mehr Bedeutungen wir den Dingen geben und je nuancenreicher wir darüber sprechen können, desto differenzierter fallen auch die Gedanken aus, die wir hervorbringen. Dies schon allein deshalb, weil bewusstes Denken und Argumentieren starke Ähnlichkeit mit einem stillen Selbstgespräch hat. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Versuchen Sie für eine bestimmte Zeit, in einer Fremdsprache zu denken! Protokollie ren Sie Ihre Erfahrungen und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse! Was wir sehen, hören oder anderweitig erfahren, ist zum größten Teil so beschaf- fen, wie es ist, weil die sprachlichen Gewohnheiten unserer Gemeinschaft bestimmte Interpretationswahlen prädisponieren. Edward Sapir: Culture, Language and Personality (1964), S. 69. Der Linguist und Ethnologe Edward Sapir bringt hier ein Phänomen auf den Punkt, das in der Philosophie als Sprachspiel bezeichnet wird. Damit sind Sprachverwendun- gen und Deutungsweisen gemeint, die innerhalb bestimmter Gruppen eingeübt werden und dann als selbstverständlich gelten. Ein wichtiger Gedanke, der in Sapirs pointierter Formulierung mitschwingt, ist, dass sich uns Wirklichkeit immer – auch oder sogar maßgeblich – über sprachliche Zuschreibungen erschließt. Die kulturellen Einfärbungen von Sprache und Denken reichen sehr weit. Es geht dabei nicht so sehr darum, dass Dinge in verschiedenen Sprachen und Kulturen unterschiedlich bezeichnet werden, dafür lassen sich in sehr vielen Fällen Synonyme finden, die zwar nicht immer stimmen, aber doch halbwegs passen. Wichtiger ist, dass jeder kulturelle Rahmen ein ganzes System von Weltdeutungen darstellt, in denen Gesten, Kleidung und insbesondere Sprechweisen unterschiedliche Bedeutung haben úú Kapitel 7.2.5 úú Kapitel 4 úú Kapitel 6.2.7 1 AuSFüHrunG úú Kapitel 7.2.5 VErTiEFunG Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv
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