Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
88 1 die Entstehung von Einstellungen und Meinungen Jegliche Wahrnehmung ist durch vielfältige Formen der Interpretation gekennzeichnet. Welche Interpretationen wir bevorzugen und welche Deutungen große, welche kleinere Wirkungen haben, hängt sehr stark davon ab, wie wir sozialisiert wurden und mit welchen sozialen Kontexten wir es zu tun haben. 1.1 Soziale Wirklichkeiten Wir versuchen uns das Verhalten anderer Menschen irgendwie zu erklären, auch wenn es uns gar nicht unmittelbar betrifft. Dabei sind wir bestrebt, Ursachen von deren Verhalten zu ergründen, Motive und Absichten. Wir tun das ständig, in öffentlichen Verkehrsmitteln genauso wie in einer Prüfungssituation. Wenn sich jemand fragt, warum der Mann auf dem U-Bahn-Sitz vor ihm ständig alberne Grimassen schneidet, und zu dem Schluss kommt, er sei wohl verrückt, dann hat das für den Mann zunächst einmal andere Konsequenzen (nämlich gar keine), als wenn ein/e Prüfer/in an der Universität sich dieselbe Frage über eine/n Prüfungskandidatin/-kandidaten stellt und zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Aber vielleicht haben die Grimassenschneider ja nur einen nervösen Tick oder Magenschmerzen. Über das Verhalten von Menschen und dessen Deutung durch andere, entstehen jedoch soziale Wirklichkeiten, die das weitere Verhalten aller Beteiligten zumindest beeinflussen. Der Gestaltpsychologe Fritz Heider entwickelte in den 1950er-Jahren die These, dass Menschen immerfort versuchen würden, die soziale Welt zu verstehen. Zu diesem Zwecke würden sie unentwegt kausale Theorien über die Ursachen der Verhaltenswei- GrundlaGen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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