Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

89 sen anderer Menschen aufstellen. Theorien, die beschreiben, wie Individuen dabei genau vorgehen, werden Attributionstheorien genannt. Dabei wird immer gefragt, ob ein bestimmtes Verhalten durch die Person des sich Verhaltenden oder durch die Situation bedingt ist, in der das Verhalten gesetzt wird. Aber wie solide ist die Basis für die Antworten auf diese Frage? In aller Regel ist sie sehr schwach. Was wissen wir schon, welche Motive einen Menschen zu einer Handlung veranlassen, den wir womöglich kaum kennen? Genau an diesem Punkt hakte der Sozialpsychologe Harold Kelley ein, um Heiders Attributionstheorie zu verändern. Am meisten, so meinte Kelley, wären Menschen doch geneigt, einem Verhalten kausale Erklärungen zuzuschreiben, wenn die Rahmenbedingungen unsicher sind. Sie suchten diese Erklärungen, gerade weil sie mit der Unsicherheit nicht zurande kommen. Für den Psychologen Lee Ross schließlich liegt der fundamentale Attributionsfehler darin, Ursachen überzubewerten, die in der Person des Handelnden liegen, und solche unterzubewerten, die in der Situation gelegen sein könnten. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beschreiben Sie in eigenen Worten Bedeutung und Folgen kausaler Erklärungsmodelle für menschliches Verhalten im Alltag! Du weißt noch nicht einmal genau, wie sie heißen Während sie sich über dich schon ihre Mäuler zerreißen. Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu Die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun Lass die Leute reden, bei Tag und auch bei Nacht Lass die Leute reden – das haben die immer schon gemacht. Die Ärzte: Lasse redn (2008) In dem Song Lasse redn der Berliner Punkrock-Band Die Ärzte werden völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen aufgelistet, die Menschen schon einmal über eine neue Nachbarin aufstellen können. Die Darstellung mag überzogen sein, gänzlich abwegig ist sie freilich nicht. Vor allem nehmen die meisten Menschen kaum die Mühe genauerer Beobachtungen auf sich, ehe sie angebliche Erklärungen dafür herbeizau- bern, weshalb sich andere so oder so verhalten. Konsequenzen hat derlei nicht nur im Lied: Die Nachbarn haben da so was angedeutet Also wunder dich nicht, wenn bald die Kripo bei dir läutet. Harold Kelley ging davon aus, dass Informationen aus verschiedenen Situationen gesammelt werden sollten, ehe eine Zuschreibung erfolgen könne. Er sprach von Kovariationsprinzip : Ein Kausalfaktor sollte angenommen werden, wenn er immer nur dann gegeben ist, wenn das beobachtete Verhalten aufgetreten ist. Zur Klärung schlug er drei Fragen vor: Attribution, Attribuierung von lat. attribuere , „zuordnen, zuschreiben“; Zuschreibung von Ursachen und Wirkungen an Handlungen und Verhaltensweisen 1 AusFüHrunG VerTieFunG Soziale Phänomene Soziale Phänomene 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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