Zeichen 1, Schulbuch
46 14 Leonardo: Anbetung der Könige, Detail, 1481/82 15 Leonardo, Entwurfs skizze zur „Anbetung der Könige“, Silberstift auf grundiertem Papier, 1478/1481 16 Leonardo: Anbetung der Könige, Ocker und Bister auf Holz, 243 × 246 cm, 1481/82 Bildtradition In der Zeit vor der Renaissance , im sogenannten Mittelalter, hatten Bilder fast ausschließlich religiösen Zwecken gedient. Sie sollten Glaubensinhalte verkünden und auf das Jenseits vorbereiten. Eine natur- getreue Malweise war dazu nicht nötig. Sie wurde sogar abgelehnt. Man glaubte, ein solcher Blick auf die Wirklichkeit und das Diesseits würde von der eigentlichen Botschaft der Bilder ablenken. Auch Leonardo hat religiöse Bilder gemalt. Er fand jedoch eine neue Ausdrucksweise, in der biblische Themen und die Darstellung der wirklichen Welt keine Gegen- sätze mehr sind. Die „Anbetung der Könige“ ist dafür ein Beispiel. Neue Lösungen Wenn du Leonardos „Anbetung der Könige“ betrachtest, wirst du auf den ersten Blick vielleicht gar nicht erkennen können, dass eine biblische Szene dargestellt ist. In der Mitte des Bildes sitzt eine Frau, die ein Kind im Arm hält. Eine große Gruppe von Männern drängt sich um sie, überschreitet aber einen bestimmten Abstand nicht. Haltung und Gesten der Männer wirken ehrfürchtig, fast bittend. ImHintergrund siehst du weitere Menschengruppen, darunter Reiter. Zwei von ihnen kämpfen gegeneinander. Sie scheinen vom Geschehen im Vordergrund keine Notiz zu nehmen. Eine Ruine und Ausblicke in eine weite Landschaft führen in die Tiefe des Bildes. Das biblische Thema ist eingebunden in Szenen aus dem menschlichen Leben. Betrachterinnen und Betrachter des Bildes spüren aber die besondere Stellung der Frau mit dem Kind. Es gibt keine Hinweise auf den Rang der dargestellten Personen: keine Heiligenscheine und keine Königskronen. Nur durch die Aussagekraft der Gesichter und Figuren und durch deren überlegte Anordnung lenkt Leonardo unsere Gefühle und Gedanken in eine bestimmte Richtung. Maler und Architekt Erfindung und Ausführung Leonardo hat auch die „Anbetung der Könige“ nicht fertiggestellt. Die große Holztafel (246 × 243 cm) trägt nur eine Vor- zeichnung. Der gelbbraune Farbton stammt von einer Grundierung in Ocker . Darüber wurde mit Bister , einer aus Ruß und Leimwasser gemischten Zeichentinte, gearbeitet. Leonardo hat diesen Entwurf durch zahlreiche Skizzen und Studien vorbereitet und lange nach einem überzeugenden Ausdruck für seine Ideen und Vorstellungen gesucht. Sobald aber die Lösung gefunden und in der Zeichnung festgehalten war, hatte er kein großes Interesse mehr, sich weiter mit dem Bild zu befassen. Er verzichtete auf einen Teil seines Honorars und wandte sich neuen Aufgaben zu. Ideen sichtbar machen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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