Zeichen 2, Schulbuch
14 Blow up Wie in einem Märchen liegt ein gigantischer Federball auf dem Rasen. Kein Riese hat ihn vergessen, es ist ein Werk von Claes Oldenburg (geb. 1929). Lange Zeit existierten seine Objekte nur als Ideen in Form von Entwürfen auf Zeichenblättern. Mit zunehmendem Erfolg konnte er, gemeinsam mit seiner Frau Coosje van Bruggen (1942–2009), seine „Large Scale Projects“ auch realisieren: Eine riesige Wäscheklammer in Philadel- phia, eine Säge in Tokio, Pfeil und Bogen in San Francisco, Streichhölzer in Barcelona, eine Tüte Eis in Köln … die ganze Welt wird zum Ausstellungs- ort. Psst! Wie Duchamp hat auch Oldenburg eine Toilette zum Kunstwerk gemacht. Er baut sie nach und verändert sie. Aus einem Industriepro- dukt wird etwas Organisches. Seine „Soft toilet“ wirkt wie ein schlafen- des Wesen, in sich zusammengesackt. Diesen Zustand kennen wir: Auch wir ergeben uns der Schwerkraft, wenn wir, müde geworden, schließlich einschlafen. Zusätzlich lädt das weiche glänzende Material ein, es zu berühren. Alles ist möglich! Ein Scherz? 1917 kaufte Marcel Duchamp (1887–1968) bei einem Händler für Sanitärbedarf in New York ein Urinal. Er signierte es und reichte es für eine Ausstellung ein. Das vom Künstler „Fountain“ („Brunnen“) getaufte Werk rief einen Skandal hervor, obwohl es nie in der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Dennoch wurde es für folgende kunst- schaffende Generationen zum einfluss- reichsten Kunstwerk der Moderne. Was war passiert? Die Idee Ein Foto des Urinals belegte dessen Existenz und die Idee dahinter. Seit damals ist Kunst das, was eine Künstlerin bzw. ein Künstler zur Kunst erklärt. Duchamp erkor dazu einen Alltagsgegenstand: Das Readymade , („gebrauchsfertig“) war geboren. Ohne wesentliche Eingriffe oder Ver- änderungen wird ein Objekt als Kunst präsentiert. Befreit von seinem Zweck wird es funktionslos und aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Eine andere Fertigware, ein Gefäß für Apotheker, nannte Duchamp „50 cc air de Paris“ (1919/1964): Luft wurde also schon vor den Inflatables zum Kunstwerk erklärt. 15 Das Original ging verloren. Diese Replik wurde 1964 unter Anleitung von Marcel Duchamp hergestellt. 16 Auch hier ging das Original (von 1919) verloren: „50 cc air de Paris“ (50 cm 3 Pariser Luft), Marcel Duchamp, 1964 17 Einer von vier Federbällen: „Shuttlecocks“, Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Kansas City, 1994 18 „Soft toilet“, 1966, wurde aus dem Kunststoff Vinyl gefertigt (links). Die Eistüte, „Dropped Cone“, 2013, kann man in Köln bestaunen (rechts). Bitte lächeln! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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