Zeichen 3, Schulbuch
55 Der Holzstich Um 1770 war dem englischen Grafiker Thomas Bewick (1753–1828) eine wesentliche Verbesserung der traditionellen Holz- schnitt- Technik gelungen. Er verwendete Platten aus härtestem Holz. Buchsbaumholz, das quer zur Maserung geschnitten war ( Hirnholz ), ent- sprach seinen Anforderungen besonders gut. Zur Bearbeitung setzte er den Grabstichel ein, ein Werkzeug, das in der Tiefdruck technik zum Gra- vieren von Metallplatten genutzt wurde. Mit diesem Instrument konnten auch härteste Hölzer bearbeitet und feinste Vertiefungen in die Platte geschnitten werden. Diese erschienen dann im fertigen Druck als weiße Linien. Durch unterschiedlich dichte Strichlagen wurde der Eindruck hel- lerer oder dunklerer Grauwerte erzeugt. 3 Gustave Doré: Samsons Tod, Holzstich, 1866 Bildeffekte Abbildung 3 zeigt eine andere Szene aus der Bibel: Die Geschichte von Samson, der mit bloßen Händen einen Palast zum Ein- sturz bringt und selbst von den Trümmern erschlagen wird. Doré liebte es, Katastrophenszenen mit fliehenden Menschenmassen und gewaltigen Räumen darzustellen. Die Holzstich- Technik mit ihren feinen Grauabstu- fungen bot dafür beste Voraussetzungen. Kennst du Bücher, Comic-Hefte oder Computerspiele, die an Dorés dramatische Rauminszenierungen erinnern? Suche ein attraktives Beispiel aus und untersuche, mit welchen Mitteln eine eindrucksvolle und fesselnde Bildwirkung erreicht wurde. Bild und Text Zu Beginn des 16. Jahr hunderts hatte der Holzschnitt durch den wachsenden Bedarf an illustrierten Büchern einen schnellen Aufstieg erlebt (vgl. Zeichen 1: „… des Helffandt todt feyndt“). In dieser Technik war es aller dings schwierig, körperhafte Hell-Dunkel- Modellierungen durch feine Schraffuren wiederzugeben. Die Fasern der verwen deten Holzplatten waren relativ brüchig. Aber nicht nur die Möglichkeiten, feine Details in die Holzplatten zu schneiden, waren begrenzt. Die Platten wurden auch durch den Druckvorgang rasch abge nutzt, kleine Teile konnten herausbrechen und die Höhe der erreichbaren Auflagen zahlen wurde dadurch begrenzt. Tief druck techniken wie Kupferstich und Radierung waren dafür viel besser geeignet und setzten sich deshalb im 17. und 18. Jahrhundert stärker durch. Im 18. Jahrhundert kam auch noch die Flachdrucktechnik der Lithografie hinzu. Für die Buchherstellung bestand aller dings der Nachteil, dass die Illustra tionen in Tiefdruck und Flachdruck nicht gemeinsam mit der Hochdruck- Schrift gedruckt werden konnten, sondern extra eingefügt werden mussten. Der Holzstich, die Weiterentwicklung der Holzschnitt- Technik, löste zwei Probleme gleichzeitig: Er bot die Möglichkeit feinster Tonabstimmung bei der Bildgestaltung und die praktischen Vorzüge des Hochdrucks bei der Herstellung illustrierter Bücher. 4 Gustave Doré: Der alte Seefahrer, 1875 Perspektive Eine besondere Vorliebe hatte Doré auch für schwindelerregende Perspektiven, die das Publikum in das Geschehen hineinzogen. Sein Bild zur unheimlichen Ballade vom „Alten Seefahrer“ (S. T. Coleridge) vermittelt Betrachterinnen und Betrachtern das Gefühl, selbst hoch oben am schwanken den Mast zu stehen und in die Tiefe zu blicken. Effekte dieser Art sind uns heute aus Film und Fernsehen, aber auch aus Comics bekannt. Der „Kamerastand punkt“ ist ein wichtiges Kriterium der Bildgestaltung und der Bildwirkung. v.Chr. 0 500 1000 1500 heute Gustave Doré (1832–1883) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=