Zeichen 3, Schulbuch
77 Terrassen und Bogenfenster Auch im dritten Gasometer (C), geplant von Manfred Wehdorn (geb. 1942), rückt die neue Bebauung an die Innenseite der alten Hülle. Büros und Wohnungen auf neun Stockwerken treten mit zunehmender Höhe weiter zurück und schaffen einen von Terrassen gesäumten trichterförmigen Innenhof, der von Bäumen und Kletterpflan- zen begr nt wird. Im östlichsten Gasometer (D) stellte Wilhelm Holzbauer (geb. 1930) die neuen Wohnbauten in das Zentrum des alten Mauerzylinders. Drei Flügel führen nach außen und schaffen drei Höfe, ohne aber die alte Gasometer- hülle ganz zu berühren. Die Innenfläche der alten Fassade mit ihren gro- ßen Fensteröffnungen ist von den Wohnungen aus zu sehen und erinnert an alte römische Bogenkonstruktionen. 10 Gasometer A–D, Computerbearbeitung eines Modellfotos Kritik und Widerspruch Obwohl der Umbau überraschende und ein- drucksvolle Ergebnisse gebracht hat, wurde das Gasometerprojekt auch heftig kritisiert. Manchen ging der Denkmalschutz nicht weit genug. Sie beklagten die Zerstörung der Substanz eines historischen Bauwerks und lehnten bloße Fassaden erhaltung ab. Andere meinten, die Kreativität der planenden Architekten hätte sich ohne Belastung durch die alten Fassa- den viel freier und zukunftsweisender entfalten können. Entscheidungen über neues Bauen in alter Umgebung werden wahr- scheinlich immer auf unterschiedliche Erwartungen treffen und neben Zustimmung auch Widerspruch auslösen. Modernes Leben verlangt neue architektonische Lösungen. Gleichzeitig schätzen wir die über Jahrhun- derte gewachsene und allmählich geformte Architektur unserer alten Städte. Jedes Stadtbild – mit all seiner Unverwechselbarkeit, Faszination, Hässlichkeit oder Schönheit – ist letztlich nur eine Momentaufnahme in einem langen Entwicklungsprozess. Suche alte Fotografien deines Heimatortes. Frage Eltern, Großeltern, andere Verwandte, Bekannte oder Nachbarn, ob sie noch solche Aufnahmen besitzen. Gibt es auf den Fotos Gebäude, die heute nicht mehr existieren? Was wurde an ihrer Stelle gebaut? Fotografiere den heutigen Zustand und vergleiche ihn mit dem früheren Aussehen desselben Bauplatzes. Mache gemeinsam mit deinen Mitschülerinnen und Mitschülern eine kleine Ausstellung zum Thema „Veränderungen des Ortsbildes “. Stelle eine kleine Sammlung von Fotos oder Ansichtskarten zusammen, die bekannte Gebäude deines Heimatortes und ihre Umgebung zeigen. Scanne das Material. Verändere die Bilder auf dem Computer, indem du Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen entfernst und durch „Neubauten“ ersetzt. Auf diese Weise kannst du auch Zukunftsbilder deiner Stadt entwerfen. Du wirst sehen, dass uns schon das Fehlen oder die Veränderung einiger weniger Gebäude ein Stadtbild völlig fremd erscheinen lassen. Diese Übung kannst du auch durch Überkleben oder Übermalen von Ausdrucken ausf hren. 11 Gasometer D, Computer-Rendering nach Entwurf von Wilhelm Holzbauer 12 Coop Himmelb(l)au, Dachausbau Falkestraße, Wien, 1983–1988 Aufgebaut Das Architekturbüro Coop Himmelb(l)au hatte sich schon vor seinem Beitrag zur „Gasometer City“ mit der Erweiterung alten Baubestandes durch neue Architektur auseinander gesetzt. Ein Dachaufbau in der Falke straße (Abb. 12) in der Wiener Innenstadt wurde zu einem vieldiskutierten Vorzeigeprojekt. Auch Jean Nouvel, der den Umbau des Gasometers A plante, hatte schon zuvor ein spektakuläres Projekt realisiert, bei dem ein völlig neues Bauwerk mit Elementen eines historischen Vorgänger baus verbunden wurde: das neue Opern haus von Lyon. Dort war ihm eine beträchtliche Ausweitung der Nutzfläche bei gleichzeitiger Erhaltung eines Wahr zeichens der Stadt gelungen. 13 Opernhaus in Lyon, erbaut 1831, umgebaut und erweitert 1989–1993 nach Plänen von Jean Nouvel v.Chr. 0 500 1000 1500 heute 1999–2001, Bau der Gasometer City Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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