Zeichen 4, Schulbuch

33 Sehen und begreifen  Im Vatikan wird bis heute ein großes hölzernes Modell aufbewahrt. Es entstand in den Jahren von 1540 bis 1546 und zeigt uns, wie Michelangelos Vorgänger, Antonio da Sangallo d. J., sich den Neubau des Petersdoms vorgestellt hatte. Auch Zeichnungen undModelle anderer Baumeister, die während der langen Bauzeit (1506–1669) abwech- selnd mit der Leitung des Dombaus beauftragt waren, sind erhalten geblieben. Diese visuellen Dokumente führen uns die wechselvolle Bau- geschichte des Petersdomes sehr anschaulich vor Augen. Modelle kön- nen also manchmal auch mithelfen, rückblickend die Entstehungsge- schichte eines Bauwerks zu rekonstruieren. Und es gibt Bauten, die erdacht, aber nie gebaut wurden. Einige dieser Ideen blieben nur in Modellen oder gezeichneten Entwürfen erhalten. Ein noch größeres Modell stand ein halbes Jahrhundert lang im südlichen Seitenschiff des damals noch nicht fertig gestellten Doms von Florenz. Ein Team von acht Architekten hatte 1367 die Baupläne überarbeitet und das neue Modell anfertigen lassen. Es ersetzte ein älteres, das bereits baufällig geworden war. Immerhin hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits 71 Jahre lang am Dom gebaut (ab 1296). Alle für den Dombau verantwort- lichen Baumeister wurden von nun an durch einen Eid verpflichtet, sich genau an dieses neue Modell zu halten. Mit einer Länge von knapp zehn und einer Höhe von bis zu sieben Metern hatte das Modell die Ausmaße eines kleinen Einfamilienhauses. Es war aus Stein und Ziegeln gebaut. Es zeigte genau, wie der fertige Bau einmal aussehen sollte. Der Innenraum war begehbar und ermöglichte einen Blick von unten in das Innere der Kuppelwölbung. Um diese Kuppel drehte sich alles. Sie sollte eine Spannweite von 44 Metern überbrücken und mit der abschließenden Laterne fast 100 Meter Höhe erreichen. In ganz Europa gab es kein vergleichbares Bauwerk. 2  Antonio Labacco: Holzmodell des Petersdomes in Rom, Länge: 7,36 Meter, Höhe: 4,68 Meter, nach dem Entwurf Antonio da Sangallos d. J., 1440–1446 Jahrhundertprojekt  Erst 1421 gelang es Filippo Brunelleschi (1377–1446) die Wölbung der Domkuppel von Florenz zu schließen. Es dauerte noch einmal fünf Jahrzehnte, bis das Werk, nach Aufbau der Laterne und dem Aufsetzen des Kreuzes, wirklich vollendet war. Seit Baubeginn des Domes waren 176 Jahre vergangen. 3  Florenz, Domkuppel, Modelle aus Holz, um 1420 Die Abbildungen unten zeigen Modelle, die im frühen 15. Jahrhundert gebaut wurden, kurz vor der Fertigstellung der Kuppel. Möglicherweise gehen sie auf Filippo Brunelleschi selbst zurück. Sie sind aus Holz gefertigt und wesentlich kleiner als ihre Vorgänger. Sie werden bis heute aufbewahrt und sind im Dommuseum von Florenz ausgestellt. Wären auch die älteren Modelle erhalten geblieben, könnte uns ein Vergleich zeigen, ob Brunelleschi sich tatsächlich an die Vorgaben hielt oder diese doch noch einmal abänderte und den Bau nach eigenen Vorstellungen zu Ende führte. Das in der Hauptspalte beschriebene Modell ist, so wie zuvor schon das ältere, verloren gegangen. Wahrscheinlich hat man es abgebrochen, als der Platz, den es einnahm, für andere Zwecke gebraucht wurde. v.Chr. 0 500 1000 1500 heute 1367, Modell für den Dombau in Florenz Nu zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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