Zeichen 4, Schulbuch
80 8 Diego Rivera: Szenen aus dem Leben im alten Mexiko (Händler, Handwerker, Baumeister). Fresko im Palacio Nacional, Mexiko-Stadt, 1945 (Ausschnitte) Alltag in Mexiko Diego Riveras Bild schildert uns die großen Stadt Tenoch- titlán in allen Details und zeigt uns den Alltag auf ihren Straßen und Plät- zen (Abb. 8). Das Fresko wurde 1945 gemalt, zu einer Zeit, als das alteMexiko längst nicht mehr existierte. Es ist eines von mehreren großenWandgemäl- den, mit denen der Künstler den Nationalpalast in Mexico-City ausstattete. Rivera hat die Bilder, in denen er uns eine Vorstellung vom Leben in den längst zerstörten Kulturen des alten Mexiko gibt, durch historische Studien und Reisen zu den archäologischen Ausgrabungsstätten seines Landes vorbereitet. Er wusste Bescheid über die Lebensumstände der Menschen oder über das Aussehen von Bauten, Kleidern und Geräten der Zeit, die er darstellte. Trotzdem sind seine Gemälde keine wissenschaftlichen Rekon- struktionen. Die Szenen, die er malte, sind erfunden. Er schilderte, wie es gewesen sein könnte. Seine Absicht war es, möglichst lebendige Einblicke in den Alltag einer versunkenen Kultur zu gestalten. Zeit der Unterdrückung Diego Rivera entwirft auch ein kritisches Bild der Epoche, die auf die Eroberung Mexikos durch spanische Soldaten folgte (Abb. 9). Kunst und Revolution Als Diego Rivera 1929 den Fresken zyklus zur Geschichte Mexikos begann, war er bereits ein be- rühmter Maler. Nach einer ersten künstlerischen Ausbildung in seiner Heimat hatte Rivera seine Studien in Europa fortgesetzt. Auf Stationen in Spanien, Frankreich, Belgien und Italien lernte er die wichtigsten Kunst- strömungen und viele bekannte Malerinnen und Maler kennen. 1921 ging er nach Mexiko zurück. Das Land stand damals am Ende eines Bürgerkriegs, der eine zehn Jahre andauernde Revolution begleitet hatte. Mexiko hatte sich zwar schon hundert Jahre zuvor von seiner ehemaligen Kolonialmacht Spanien getrennt, für viele Menschen brachten aber erst die in der Revolution erkämpften sozialen und politischen Reformen die Aussicht auf wirkliche Unabhängigkeit. Kunst, Politik, Geschichte In der Aufbruchsstimmung, die Mexiko in den ersten Jahren nach der Revolution erfasste, wuchs in der Bevölkerung auch der Stolz auf das eigenen Land und das Interesse an seiner Geschichte. Staatliche Stellen förderten diese Entwicklung und finanzierten Projekte zur Erforschung der alten mexikanischen Kultur. Wahrschein- lich erhoffte sich die Regierung davon eine stärkere Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Staat und eine Festigung des Gemeinschaftsgefühls. Die Kunst war Teil dieses politischen Programms. Künstlerinnen und Künstler erhielten die Möglichkeit, auf großen Wandbildern in öffentlichen Gebäuden zur Geschichte und Kultur Mexikos Stellung zu nehmen. Rivera, der für eine gerechte und soziale Gesellschaft eintrat, leistete zu diesem Programm seinen künstlerischen Beitrag. Vergangenes sichtbar machen 7 Diego Rivera: Zahnarzt. Ausschnitt, Zyklus zur Geschichte der Medizin, Hospital de la Raza, Mexiko-City, Fresko , 1955 9 Diego Rivera: Szenen aus dem Leben im alten Mexiko (Zwangs- arbeit der indiani- schen Bevölkerung unter der spanischen Herrschaft). Fresko im Palacio Nacional, Mexiko-Stadt, 1945 Zerstörte Städte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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