Zeichen 4, Schulbuch
84 Europa und das Geld Die zwei Gestalten (Abb. 21) unterscheiden sich deutlich von den Figuren, die uns auf den Bildern der vorherigen Doppel- seite begegnet sind. Kleidung, Haartracht, Bart und Bewaffnung vermit- teln einen völlig anderen Eindruck. Vielleicht hast du in Büchern oder in Filmen schon einmal gesehen, wie die Menschen in Europa zur Zeit der Renaissance gekleidet waren. Es ist genau die Mode jener Epoche, die der afrikanische Bildhauer hier dargestellt hat. Es sind Europäer, vermutlich Portugiesen, in der Tracht des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Auffällig sind die hufeisenförmigen Gebilde, die in beiden Reliefs auftau- chen. Der Mann links trägt sie in seinen Händen, auf dem rechten Relief bilden sie eine Art Muster im Hintergrund. Es sind so genannte Manillas, eine Art Geld, das von portugiesischen Kaufleuten inWestafrika zur Erleich- terung des Handels eingeführt wurde. Die Manillas waren aus Kupfer oder Messing gegossen, repräsentierten einen bestimmten Wert und konnten leichter transportiert werden als die Handelswaren selbst. Ein Kennzeichen der Menschen aus Europa war also in den Augen der Afrikanerinnen und Afrikaner das Geld. Das rechte Relief zeigt aber auch, dass schon die frühen Händler nicht ohne Waffen oder bewaffnete Begleitung kamen. Europa und die Vorurteile Das Material, aus dem die meisten der Kunst- werke Benins gegossen wurden, ist eine Legierung aus Kupfer und ande- ren Metallen: Zink, Zinn oder Blei. Je nachdem, welcher Zuschlag den Hauptanteil ausmacht, spricht man von Messing (Kupfer und Zink) oder Bronze (Kupfer und Zinn). Meist wurde Messing verwendet. Der Ausdruck „Benin-Bronzen“, der für die Metallplastiken aus Benin gebräuchlich ist, trifft also nicht immer zu. Die hoch entwickelte Technik des Metallgusses, in der die aus Afrika geraubten Plastiken hergestellt waren, erregte in Europa ebenso Aufse- hen wie ihre künstlerische Ausdruckskraft. Es gab „Fachleute“, die einem afrikanischen Volk solche Leistungen einfach nicht zutrauten. Abenteuer- liche Theorien wurden entwickelt. Sie gingen davon aus, dass vergessene Beziehungen nach Europa, Ägypten oder sogar nach Indien die ursprüng- lichen Auslöser der Kunst von Benin gewesen seien. In solchen Theorien Figuren aus Bronze und Messing An anderer Stelle seiner Beschreibung Benins berichtet der Reisende D.O., dass die Gebäude der königlichen Residenz von kleinen Türmen bekrönt wurden, auf deren Spitze naturgetreu gebildete Vögel aus Kupfer aufgestellt waren. Andere Kunstwerke dürfte der Berichterstatter nicht zu Gesicht bekommen haben. Vermutlich hatte er keine Erlaubnis, auch das Innere des Königspalastes oder die Wohnungen hochgestellter Persönlichkeiten zu betreten. Wir wissen heute, dass die Vorfahren der mächtigen Familien in eigenen Hauskapellen verehrt wurden. Dort standen Metallplastiken, stell- vertretend für die verstorbenen Ahnen. Benin und die Kunst der Moderne in Europa 21 Reliefs aus Benin, 16. Jahrhundert 19 Hahn, Metallplastik aus Benin, 17. Jh. 20 Kopf eines Oba, Metallplastik aus Benin, 17. Jahrhundert Zerstörte Städte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=