Zeichen 4, Schulbuch
85 zeigen sich die Vorurteile und die Überheblichkeit, mit denen Europa in seiner Geschichte häufig den Kulturen anderer Erdteile begegnet ist. Sammlungen, Forschung und Kunst Natürlich gab es auch in Europa Menschen, die den künstlerischen Zeugnissen fremder Kulturen nicht nur mit Staunen oder Skepsis, sondern mit Respekt und Wertschätzung begegneten. Die Plastiken aus Benin und andere Kunstwerke aus Über- see erzielten auf Auktionen hohe Preise. Neben privaten Sammlungen entstanden auch staatliche Museen und Forschungseinrichtungen. Im Wiener Museum für Völkerkunde, dem heutigen „Weltmuseum“, wurden 1928 mehrere ältere ethnografische Sammlungen zusammengeführt. Besonders starken Eindruck hinterließen Kunstwerke aus Afrika bei jun- gen Künstlerinnen und Künstlern, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahr- hundert nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchten. Nicht nur Afrika, auch Ozeanien, Asien und Altamerika haben mit ihren Kunstschätzen ent- scheidende Anregungen geliefert und die Kunst der europäischen Moder- ne bereichert und mitgestaltet. Die Kunst der Moderne Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Pablo Picasso, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel oder Karl Schmidt-Rottluff gehören zu den Malern und Bildhauern, die den außereuropäischen Kulturen wesentliche Anregungen verdanken. Sie waren von der Ausdruckskraft und der starken, mitunter fast magischen Wirkung dieser fremdartigen Kunstwerke fasziniert. Sie schätzten sie höher als die Werke vieler akademisch gebildeter Malerinnen und Maler Europas, die ihrer Meinung nach durch Traditionsbewusst- sein und falsche Ausbildung ihre Ursprünglichkeit, Kreativität und künstlerische Intensität weitgehend verloren hatten. Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), einer der Mitbegründer der Gruppe „ Die Brücke “ und ein bedeutender Maler des Expressionismus , zeichnete im Völkerkundemuseum Dresden nach Bronze reliefs aus Benin. Die Abbildungen 23 und 24 zeigen eine seiner Studien und dessen Vorbild aus Afrika. Wenn sich Menschen als Angehörige einer fremden Kultur verkleiden, etwa zu einem Faschingsfest als Indianerinnen oder Indianer, dann versuchen sie, durch bestimmte visuelle Merkmale diese Kultur- zugehörigkeit sichtbar zu machen: durch eine besondere Kleidung, Kopfbedeckung oder durch gewisse Gegenstände. Meist handelt es sich dabei um Klischees , die von der Wirklichkeit oft ziemlich weit entfernt sind. Aber wir haben gelernt, solche Zeichen zu lesen, und wir verstehen, was gemeint ist. Auch die Werbung bedient sich ähnlicher Symbole. Du kennst Tourismusplakate, die für ein bestimmtes Land werben, oder Aktionen in Kaufhäusern und Restaurantketten, die sich auf ein bestimmtes Land beziehen. Überlege, wie du selbst eine fremde Kultur visuell darstellen könntest. In einer Präsentation zu einem Projekt zum Beispiel. Wenn du mehr ausdrücken möchtest, als durch einfache Klischees möglich ist, dann musst du allerdings relativ viel über dein Thema wissen. Ein Museums- besuch, Bücher oder eine Recherche im Internet können dir dabei helfen. 22 Leopard, Metall relief aus Benin, 17. Jahrhundert 23 Ernst Ludwig Kirchner: Skizze nach einer Bronzeplatte aus Benin, um 1904 24 Kirchners Studienobjekt: Bronze- platte aus Benin, Völkerkundemuseum Dresden v.Chr. 0 500 1000 1500 heute 1905 Ausstellung der Gruppe „Die Brücke“in Dresden, Expressionismus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=