sprachreif 1, Schulbuch

125 Überlegen Sie gemeinsam mithilfe eines Brainstormings, welche politischen oder gesellschaftlichen Veränderungen zu dieser Entwicklung beitragen. Vergleichen Sie im Anschluss Ihre Ergebnisse mit der Klasse in Form eines „Stummen Dialogs“ (s. S. 33), im Zuge dessen verschiedene Veränderungen stichwortartig an die Tafel geschrieben werden. Lesen Sie den folgenden Zeitungsartikel, der sich mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie beschäftigt. Notieren Sie im Text Schlüsselwörter und fassen Sie die einzelnen Absätze stichwortartig am Rand zusammen. A9  B A10  Von wegen Vereinbarkeit Von Norbert Blüm | 20.10.2012 Ehe und Familie werden dem Arbeitsleben untergeordnet, und alle finden es modern – warum nur? Familie und Beruf sollen also vereinbar sein, und die Politik soll es richten. Niemand in Deutschland würde dem widersprechen. Dass es diese Vereinbarkeit dennoch nicht gibt, dafür sind schnell Schul- dige gefunden: Väter, die keine Familienarbeit leisten. Betriebe, die keine familienfreundlichen Arbeitsverhältnisse wie Teilzeitjobs an- bieten. Der Staat, der Betreuungsangebote nicht flächendeckend be- reitstellt. Aber wollen wir überhaupt die perfekte Vereinbarkeit? Und um wel- chen Preis? Die moderne Familie konnte entstehen, weil die private und die ökonomische Sphäre getrennt waren. Die moderne Familie ist nicht wie in Agrarzeiten Wohn- und Arbeitsstätte zugleich. Be- trieb und Familie sind getrennt; und die Familienpolitik zielte darauf ab, die Intimität von Eltern und Kindern zu schützen. Darum ging es, als sich die Familie endlich von der Arbeitswelt emanzipierte. Vereinbarkeit mit dem Beruf stand nicht auf dem Zettel. Im Gegen- teil: Durch Kindergeld und Freibeträge sollte die Unabhängigkeit der Familie gegenüber der Wirtschaft gestärkt werden. Kinder kosten viel Geld, und deshalb sollten die Belastungen der Familie gegenüber Kinderlosen ausgeglichen werden. Familienarbeit und Erwerbsarbeit folgen unterschiedlichen Lebens- maximen. Wer nicht versteht, dass Arbeit nie Selbstzweck, sondern dass Arbeiten mit und für andere die ursprüngliche Konstante unse- rer Menschwerdung ist, wird Familienarbeit nicht zu würdigen wis- sen. Die Familie folgt ihrem eigenen Sinn des Füreinander, der nicht vereinbar ist mit dem Konkurrenzprinzip. Diese Eigenständigkeit der Familie muss verteidigt werden, wenn wir der totalen Verwirt- schaftung des Lebens entgehen wollen. Doch die Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf dro- hen die Familie sanft, aber bestimmt unter die Knute der Erwerbsge- sellschaft zu stellen. Beide Ehepartner sollen in Lohnarbeit stehen. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Text- kompetenz Mündliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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