sprachreif 1, Schulbuch

161 Kreatives Schreiben Schritt 2: Verfassen aus ihrem ganzen Leben – ge- macht hat, ist eine beein- druckende Erfolgsstory. Eine Story, in der es nicht um das große Geld geht, sondern um Werte wie Haltung, Stolz und Eigeninitiative. Und diese Ge- schichte erzählt mehr über das Leben in Zeiten von Wirt- schaftskrise und konservativer Sparpolitik als alle Armutssta- tistiken. Alltagsgeschichte Heute verfasst die Schulabbre- cherin einen der populärsten Internet-Blogs Großbritan- niens, ist Kolumnistin für die renommierte Tageszeitung The Guardian und Beraterin für Hilfsorganisationen wie Oxfam . Ihr erstes Buch erscheint in we- nigen Wochen. Darin und in all den Blogs findet sich keine ver- kitschte Story über denWeg aus der Armut, sondern eine All- tagsgeschichte: Von der Kunst, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen, wenn man ganz un- ten angelangt ist – und das fing für Melissa bei ihrem Namen an, und beim Essen. Sie wollte nicht mehr Melis- sa heißen, nicht mehr Nudeln aus der Dose essen, die sie sich nicht einmal leisten konnte und sie wollte endlich ihren ganzen Frust über das Leben, das man als alleinerziehende Sozial­ hilfeempfängerin in England zu leben hatte, loswerden. „Hunger tut weh“ „Hunger tut weh“ war der erste Eintrag in ihrem Blog A Girl called Jack . Was dann folgte, wa- ren erste Einkaufslisten und Kochrezepte. Melissa, die sich ohne lange Formalitäten in Jack umbenannt hatte, trug ihre zwölf Euro in den Supermarkt. Sie kaufte billige Grundnah- rungsmittel, vor allem viel Ge- müse und fing an zu kochen: Pasta, Eintöpfe, Suppen und Chili. Sie bekam sich und ihren Sohn satt und begann all diese Rezepte ins Internet zu stellen, samt Fotos, genauer Anleitung und den Kosten: Zwischen 25 und 50 Cent pro Person. All das braucht weder außergewöhn- liche Zutaten noch allzu viel Kunstfertigkeit oder Zeit in der Küche. Der Blog weckte sofort riesi- ges Interesse. Nicht nur die Re- zepte, auch Jacks Kommentare über Alltag in Großbritannien, Armut und Rassismus werden heute gelesen und kommen- tiert. Leser schreiben über Jacks Ehrlichkeit, Jacks Mut und den Mut, den sie selbst wieder ge- fasst hätten. Bald wurde die Presse auf sie aufmerksam. Der Guardian nennt sie „das mo- derne Gesicht der Armut“. Mittlerweile hat sie dort eine eigene wöchentliche Kolumne. Sie stellt Rezepte für maximal einen Euro pro Person vor. Fernseh-Talkshows, Super- marktketten, politische Partei- en; auf einmal wollen sich alle mit Jack Monroe schmücken. Die Labour-Partei machte mit ihr eine Kampagne gegen zu hohe Energiepreise, die Super- marktkette Sainsbury’s drehte mit ihr einen TV-Spot für bio- logische Nahrungsmittel. Spenden statt sparen Doch die 25-Jährige wehrt sich gegen den eigenen Ausverkauf. Sie spendet die Gage für den TV-Spot an eine Obdachlosen- hilfe, lehnt andere noch viel lukrativere Werbeangebote ab und sie macht Labour für die Armut im heutigen Großbri- tannien mitverantwortlich. Sie beginnt sich selbst politisch zu engagieren, für den Kampf, den sie selbst gekämpft hat – gegen Armut. Mit 130.000 Unter- schriften trat sie vor ein paar Wochen vor das Parlament in London. Sie klagt ein System an, das in einem der wohlha- bendsten Länder der Welt, eine halbe Million Menschen von abgelaufenem Essen aus dem Sozialmarkt abhängig machen würde. Doch sie habe nicht vor, je- manden zu verurteilen, erklärt Jack über die Aktion in ihrem Blog, sie wolle eine Diskussion anregen, eine Diskussion, die die Regierung viel zu lange ignoriert habe. „Die Armut hat mir eine Stimme gegeben“, schreibt sie, „Ich will einfach, dass meine Erfahrung den Poli- tikern und anderen Verant- wortlichen dabei hilft, etwas zu verstehen: Es gibt eine Gefahr, die heute größer ist als je zuvor in unseren Wohlfahrtsstaaten: Armut kann heute jeden von uns treffen.“ QUELLE: www.kurier.at 26.01.2014; (abgerufen am 07.02.2014) 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 Text- kompetenz Schriftliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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