sprachreif 2, Schulbuch
56 äußerung, an die ein modifi- zierter Beurteilungsmaßstab anzulegen ist, auch wenn man nicht der Meinung von Kurt Tucholsky ist: „Satire darf alles“. Das Wesen dieser Kunstformen besteht in der bildlichen bzw. wörtlichen Verzerrung und Übertreibung der Wirklichkeit zum Zweck der Geißelung oder Rüge von Missständen. Es be- darf daher einer „Entzerrung“, um den „Aussagekern“ zu ge- winnen, der dann auf seine Ver- letzungseignung zu untersu- chen ist. Solche Kunstformen gehö- ren zur europäischen kulturel- len Tradition, was insbesondere für Muslime eine Herausforde- rung und die Notwendigkeit von Einübung darstellen mag. Dies muss mit einem Integrati- onsprozess und der Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Hand in Hand gehen. Auch der Islam, ebenso wie andere Religionsgemein- schaften, muss sich Kritik an Lehre, Religionsstifter, Institu- tionen und Repräsentanten ge- fallen lassen, auch wenn diese in schockierender und bis zu einem gewissen Grad verletzen- der Weise erfolgt. In diesem Sinn auch die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach sich die Gewährleistung von Mei- nungsfreiheit nicht nur auf In- formationen und Ideen bezieht, die günstig aufgenommen wer- den oder sich als indifferent er- weisen, sondern auch auf „Mei- nungen“ und „Ideen“, die verletzen, schockieren oder be- unruhigen. Dabei stellt der Ge- richtshof als ein wichtiges Kri- terium auch darauf ab, ob ein sinnvoller Beitrag zu einer öf- fentlichen Diskussion geleistet wird. Eines sollte bei all dem klar sein, der Diskurs in der pluralis- tischen Zivilgesellschaft ist durch nichts zu ersetzen und die Anwendung des § 188 kann nur eine ultima ratio 3 darstel- len. Häufig wird dafür plädiert, dass innerhalb einer säkularen Rechtsordnung mit dem Tatbe- stand der Verhetzung das Aus- langen zu finden wäre. Darin ist die Schwelle zur strafrechtli- chen Relevanz im Vergleich zur Herabwürdigung religiöser Lehren allerdings deutlich hö- her gelegt, denn § 283 des Straf- gesetzbuches setzt die Aufforde- rung oder Aufreizung zur Gewalt oder eine Beschimpfung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise voraus. Nicht aus dem Auge verlie- ren sollte man bei all diesen Überlegungen die bewusst- seinsbildende Kraft des (Straf-) Rechts, die keinesfalls über- schätzt werden, aber auch nicht gänzlich außer Betracht bleiben soll. QUELLE: http://www.furche.at/system/showthread.php?t=61522 ; (abgerufen am 12.07.2015) 1 Dogma, das: verbindliche, normative Glaubensaussage 2 prima vista lat. : bei Sicht, auf den ersten Blick 3 ultima ratio lat. : letztes geeignetes Mittel 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 246 Anmerkung: Zum besseren Verständnis bzw. zur einfacheren Erschließung dieses Textes finden Sie online Hilfestellungen . Analysieren Sie jene Stellen im Text von Richard Potz, die Sie gelb markiert haben. Führen Sie zu einer fundierten Stellungnahme? Wenn ja, wodurch? Wenn nein, was würden Sie ergänzen? Schritt 3: Eine Erörterung überarbeiten Textsalat Bilden Sie Dreiergruppen. Sammeln Sie alle Texte auf einem Haufen und mischen Sie sie kräftig. Wählen Sie nun blind pro Gruppe drei Texte und untersuchen Sie die Texte nach folgenden drei Kriterien, wobei ein Gruppenmitglied immer für ein einziges Kriterium zuständig ist: Inhalt: Bezug zum Ausgangstext, Berücksichtigung der Arbeitsaufträge, Nachvollziehbarkeit der Argumentation Aufbau: klar erkennbare Teile Einleitung-Hauptteil-Schluss, Verwendung von Konnektoren, Überleitun- gen, logische Abfolge der Argumente Ó si8h3q A21 Tipp Eine Erörterung schreiben Schritt 2: Verfassen Schriftliche Kompetenz 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verla s öbv
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