global 5. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch
132 Fallbeispiel Wasser – eine kostbare Ressource Kompetenzorientierte Lernziele Regionale Konflikte über die Verfügbarkeit von knappen Ressourcen und dahinter stehende politische Interessen erklären Die wirtschaftliche Bedeutung der Ressource Wasser bewerten Wasser und Energie Wasser und Energie sind eng miteinander verknüpft und wechselseitig abhängig. 90% der weltweiten Stromerzeu- gung ist wasserintensiv! Die zur Energiegewinnung ver- wendeten Wassermengen reduzieren umgekehrt das verfügbare Trinkwasser. Süßwasser und Energie sind ent- scheidend für eine nachhaltige sozioökonomische Entwick- lung und den Wohlstand der Menschheit. Die meisten Kri- sen in Hinblick auf Klima, Armut, Hunger, Gesundheit und Finanzen sind ebenfalls mit Wasser und Energie verbunden. Das Leben jener 3 Mrd. Menschen, die sich Wasser und Energie nicht leisten können, ist von diesen Krisen massiv bedroht. Die UNESCO schätzt, dass 1,1 Mrd. Menschen keinen Zu- gang zu sauberem Wasser haben. Täglich sterben als direk- te Folge daraus 6 000 Kinder an Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser übertragen werden. Dazu trägt auch die oft katastrophale Abwasserentsorgung bei, da die Ab- wässer ungefiltert im Boden versickern oder in Flüssen entsorgt werden und dadurch das Trinkwasser verschmut- zen. 80% aller Krankheiten in den Entwicklungsländern sind durch verschmutztes Wasser und mangelhafte Abwas- serentsorgung verursacht. Und während so viele Menschen unter Wassermangel leiden, verbrauchen die Bewohnerin- nen und Bewohner des globalen Nordens die Tagesration einer Trink-, Koch- und Waschwasserration des globalen Südens mit einer Toilettenspülung. Wasserbedarf Bis 2050 wird der Wasserbedarf um ca. 55% steigen. Vor allem die industrielle Fertigung (+400%), die thermische Stromerzeugung (= Kohle und Erdöl) (+140%) und die Haus- halte (+130%) werden mehr Wasser benötigen. Mehr als 40% der Weltbevölkerung werden 2050 in Regionen mit starkem Wasserstress leben. Da bis zu 50% der Wasserent- nahmen zur Kraftwerkskühlung verwendet werden, wird die Entwicklung der Energieproduktion indirekt die Verfüg- barkeit von Trinkwasser steuern. Grundlagen der Wasserversorgung Im 19. Jahrhundert wurde die flächendeckende Trinkwasser- versorgung und Abwasserbeseitigung in den Großstädten zur Seuchenhygiene begonnen. In den meisten Fällen wur- den diese Netze von der öffentlichen Hand errichtet und gewartet. In Österreich werden dazu zur Hälfte Quell- und Grundwässer verwendet. Leitungsverluste (als Qualitätsin- dikator der Netze) liegen bei 7%. Frankreich und Großbri- tannien (deren Wasserversorgung privat organisiert ist) haben ähnliche Werte, wobei die Qualität des Wassers nicht annähernd an österreichische Verhältnisse reicht. Auch die Wasserentsorgung ist in Österreich fast zur Gänze kommu- nal organisiert und auf äußerst hohem Niveau. Mehr privat – weniger Staat Auch viele andere zentrale zivilisatorische Errungenschaf- ten werden in vielen Ländern staatlich organisiert: Gesund- heit, Bildung, öffentlicher Verkehr u. v.m. Seit einigen Jahr- zehnten existiert aber eine tendenzielle Bestrebung zur Abkehr dieser staatlichen Organisation. „Mehr privat – we- niger Staat“ wurde zur Devise der Politik, die der Selbstre- gulierung des Marktes mehr vertraut als verbeamteten und trägen staatlichen Organisationen. Telekommunikation, Post, Strom und Gas, der Schienenverkehr und in einigen Bereichen auch der öffentliche Nahverkehr wurden in vie- len Staaten bereits privatisiert. Daraus resultierende Preis- senkungen sind am Beispiel der Telekommunikation er- sichtlich. Trotzdem darf man aber nicht vergessen, dass Unternehmen gewinnorientiert wirtschaften müssen und nicht-rentable Projekte ungern betrieben werden. Auch für Wasser bestehen derartige Privatisierungsbestrebungen in unterschiedlichen Ländern. Dadurch sollen effizientere Systeme, weniger Leitungsverluste und höhere Qualität erreicht werden. Ob dies aber gelingt, ist fraglich. Selbst im hochentwickelten London leidet das private Wassernetz beispielsweise an zahlreichen Leckagen (undichten Stel- len), weil die Sanierung entgegen der Vereinbarung vom Wasserversorger verschleppt wurde. Bolivianischer Wasserkrieg Bolivien ist ein grundsätzlich armes Land. Das Bruttonatio- naleinkommen (Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Ver- mögensbesitz) pro Kopf Boliviens lag 2014 bei $ 5750 (Öster- reich: $ 45 020) (M2). Erschwerend wirken hierbei noch starke Einkommensunterschiede (Stadt-Land-Gefälle) so- wie ethnische Unterschiede. Die Hochregionen sind (semi) arid (M1) und müssen bewässert werden. Zusätzlich leiden die Städte unter einer stark wachsenden Bevölkerung und die ländlichen Regionen unter einer starken Landflucht . Die hohe Staatsverschuldung führte zur Privatisierung nahezu aller öffentlichen Betriebe und zu damit verbundenen Mas- senentlassungen. Besonders in der drittgrößten boliviani- schen Stadt Cochabamba war aufgrund des urbanen Wachstums und durch den hohen Wasserverbrauch von Landwirtschaft und Industrie auch die Wasserversorgung immer wieder überfordert, was zu Ausfällen und ungerech- ter Verteilung führte. Im Jahr 1999 forderte daher die Welt- bank, im Gegenzug für weitere Staatskredite, die Privatisie- rung der Wasserversorgung von Cochabamba. Die neue Betreibergesellschaft verdreifachte die Wasserpreise inner- halb einer Woche. Private Quellen wurden enteignet und sogar das Sammeln von Regenwasser sollte untersagt wer- den. Die heftigen Proteste der Bevölkerung wurden mit Polizei- und Militäreinsatz zurückgedrängt, woraufhin die Gewalt eskalierte und sogar das Kriegsrecht verhängt wur- de. In der mehrmonatigen Auseinandersetzung mit Stra- Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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