Erziehung und Unterricht 2018/3+4
252 Kristan, Stimmungsbilder zu den EU-Integrationsschritten Österreichs in den 1990er-Jahren Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 genden O-Töne veranschaulichen die unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Parteien und ihrer Abgeordneten: „Ich meine, dass Österreich, und das ist eine klare Sache, als Mitglied der Europäischen Union nicht der Gefahr ausgesetzt ist, dass unsere demokratischen Prinzipien, unsere parlamentarische, politische Willensbildung, der Föderalismus verloren geht. Und ich halt‘s eigentlich auch als eine schräge Argumentation, dass wir die Gefahr sehen müss- ten, dass von dort her Gefahr für die Demokratie droht.“ (LiF-Klubobmann Friedhelm Frischenschlager) „Nun kann man über die Entwicklung in Europa durchaus geteilter Auffassung sein, man kann kritisch zur EG und zur EU stehen. Aber eines glaube ich, ist ja nicht wegzu- diskutieren meine Damen und Herren, wer hätte vor 50 Jahren, also 1944/45 am Ende des Zweiten Weltkrieges gedacht, dass es in Europa möglich sein wird, diese jahrhun- dertlangen Gegensätze zwischen Deutschland und Frankreich zu überwinden, dass es möglich sein wird, eine friedliche, halbes Jahrhundert dauernde Entwicklung in die Wege zu leiten.“ (SPÖ-Abgeordneter Kurt Heindl) „Im Laufe der letzten drei Jahre ist meine Haltung eine feste und eine klare bei meinem Entschluss Nein bei dieser Volksabstimmung zu sagen. Und ich sag‘s ihnen ganz ehr- lich, Mitglieder des Hohen Hauses in den Ausschüssen und vor allem auch die Mitglie- der der Bundesregierung, die haben vor allem dieses Nein bei dieser Volksabstimmung verfestigt.“ (Grüne Terezija Stoisits) „Meine Bedenken, dass da irgendwelche Gefährdungen auftreten gegenüber Staaten wie Belgien, Holland, Luxemburg, Dänemark, die hält sich in sehr engen Grenzen. Aber wo unsere sicherheitspolitischen Anforderungen wären gegenüber den Staaten in Sü- den und Südosten Österreichs, da kann die Europäische Union überhaupt keine Ant- wort geben. Da gibt es keine Möglichkeit die Sicherheit Österreichs zu garantieren.“ (FPÖ-Generalsekretär Herbert Scheibner) „Ich glaube, dass mit dem Beitritt Österreichs und mit der Politik, die die Europäische Union inzwischen macht, eines klar signalisiert wird. Dass es nicht ein abgestuftes Eu- ropa geben kann, sondern dass es Bemühungen geben muss, hier ein gleiches Niveau und eine Chancengleichheit herzustellen. Es gab ja die Tendenz zu der Zeit, es quasi mit dem europäischen Wirtschaftsraum für die EFTA-Staaten bewenden zu lassen. Die Entscheidung von gestern im Europäischen Parlament von Straßburg ist eine klare Ab- sage an diese Richtung. (…)“ (ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek) ORF-Mittagsjournal, 5.5.1994, Österreichische Mediathek, jm-940505 (Ausschnitte) Nachdem auch National- und Bundesrat für den EU-Beitritt stimmten, wurde eine Volksab- stimmung für den 12. Juni 1994 angeordnet, da der Beitritt eine Gesamtänderung der Ver- fassung bedeutete. Die Ö1-JournalistInnen Ingrid Thurnher und Robert Stoppacher fassten in einem Beitrag die Pro- und Contra-EU-Aktionen der Regierung, der Parteien und der Bürgerinitiativen vor der Volksabstimmung zusammen: „Die verbleibenden fünf Wochen bis zur Volksabstimmung werden zur totalen Materi- alschlacht um die Herzen und Hirne der Österreicher. Seit Jahren läuft hier schon die aufwendigste aller EU-Kampagnen, nämlich jene der Regierung. Plakate, Inserate, Ra- dio- und Fernsehspots werben für ein Ja bei der Abstimmung. Dazu kommt noch das Europatelefon des Bundeskanzleramtes, schon 180.000 Interessierte haben die Num- mer 0660 63 63 gewählt. (…)
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