Erziehung und Unterricht 2018/3+4
Zeglovits, Wählen mit 16 – ein österreichisches Erfolgsmodell? 257 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Eva Zeglovits Wählen mit 16 – ein österreichisches Erfolgsmodell? Summary: Das Gedenkjahr 2018 ist ein guter Anlass, um über die Entwicklung des Wahlrechts zu reflektieren. Vor 100 Jahren bekamen auch Frauen das Wahlrecht; aber erst vor 11 Jahre wurde das allgemeine Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt. Das Für und Wider wurde politisch und wissenschaftlich heftig debattiert. Rückblickend sind die meis- ten Ergebnisse aus Österreich – zum Teil im Gegensatz zu anderen Ländern – positiv, und unterstützen eher die Argumente der BefürworterInnen der Wahlaltersenkung. Gleichzeitig betonen sie die Relevanz der politischen Bildung, der Begleitmaßnahmen im schulischen und außerschulischen Bereich, und zeigen, dass jene Jugendlichen, die von solchen Maßnahmen erreicht werden, besser vorbereitet in ihre erste Wahl gehen können. Der empirische Befund, dass politisches Interesse und politisches Wissen seit der Wahlaltersenkung nicht mehr vorrangig im Elternhaus, sondern auch in der Schule ausgebildet werden, unterstreicht, welche verantwortungsvolle Aufgabe politische Bildung in der Schule hat und weiterhin haben wird. Einleitung Mit der Wahlrechtsreform im Jahr 2007 wurde in Österreich das Wahlalter generell auf 16 Jahre gesenkt. Damit nahm Österreich in der Europäischen Union eine Vorreiterrolle ein. Erfahrungen aus Österreich können beispielgebend sein für andere Länder, in denen eben- falls über eine Wahlaltersenkung debattiert wurde oder wird, allen voran Schottland, Dä- nemark, Norwegen, Estland und Luxemburg. Die zentrale Frage ist: Sind junge Menschen politisch reif genug, um verantwortungsvoll mit dem Wahlrecht umgehen zu können? Da- ran anschließend stellen sich Fragen nach dem politischen Interesse, der Wahlbeteiligung und der „Qualität“ der Wahlentscheidung. Vor der Wahlaltersenkung wurden in der wissenschaftlichen und politischen Debatte viele mögliche positive oder negative Konsequenzen diskutiert. Aber vieles davon musste zu dem Zeitpunkt hypothetisch bleiben. Erst die Wahlaltersenkung in Österreich ermög- lichte, Konsequenzen empirisch zu untersuchen und damit Argumente zu unterstützen oder zu entkräften. Wählen mit 16 – eine hitzige Debatte in Politik und Wissenschaft Wahlen sind ein Kernstück der Demokratie. Wem das Wahlrecht erteilt wird, und wem es verwehrt bleibt, stellt also eine ganz zentrale Frage für die Demokratie dar. Das Mindest- alter für das aktive Wahlrecht wurde in Österreich seit Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts – wie in den meisten westlichen Demokratien – schrittweise gesenkt, im Jahr 1968 auf 19 Jahre und im Jahr 1992 auf 18 Jahre. Im Jahr 2000 begannen einige Bun-
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