Erziehung und Unterricht 2018/3+4

260 Zeglovits, Wählen mit 16 – ein österreichisches Erfolgsmodell? Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Der wichtige Einfluss der Schule und anderer Aktivitäten „von außen“ sind deshalb so rele- vant, weil sie dazu beitragen könnten, Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen zu schließen oder aber zu verstärken. Große Unterschiede im politischen Interesse konnten Kritzinger et al. im Umfeld der Na- tionalratswahl 2013 zwischen jungen Männern und jungen Frauen beobachten: Männer bezeichneten sich in der Altersgruppe der ErstwählerInnen als interessierter als Frauen, hier spiegelten die jungen Menschen in Österreich das wider, was auch in anderen Län- dern zu finden ist. Erste Vorergebnisse zur Nationalratswahl 2017 geben aber Hinweise, dass der Gender Gap im politischen Interesse von ErstwählerInnen, wie er 2013 noch be- obachtet wurde, 2017 kleiner geworden, wenn nicht ganz verschwunden ist (vgl. Kritzinger et al. 2017). Wenn Schule Interesse triggert, wirft das allerdings auch die Frage auf, wie die jungen Menschen erreicht werden können, die nicht mehr zur Schule gehen, oder in deren schuli- schen Kontext eine Beschäftigung mit Politik oder konkreten Wahlen nicht vorkommen (kann), man denke an Berufsschulen, die saisonal oder lehrgangsmäßig organisiert sind, und wo etwa im Umfeld einer Wahl kein Unterricht stattfindet, im Rahmen dessen vorbe- reitende Maßnahmen getroffen werden können. Politisches Wissen und subjektives politisches Wissen Wissen um das politische System und die AkteurInnen kann als Voraussetzung für Wahl- teilnahme, als notwendige Ressource für politische Teilhabe gesehen werden. Dabei ist nicht gemeint, dass jede/r junge Wähler/in die Parteiprogramme studiert haben muss, sondern vielmehr, dass man in etwa weiß, was da gewählt wird, welche Parteien oder Lis- ten antreten, und wie diese sich grob unterscheiden. Wer nicht weiß, wer antritt, und wo- für diese Person oder Partei steht, wird sich schwer tun, eine Entscheidung zu treffen. Spannend ist, dass es gerade bei jungen Menschen nicht so sehr darauf ankommt, wieviel sie tatsächlich wissen, sondern wie sie ihr eigenes Wissen selbst einschätzen ( Kaid et al. 2007), ob sie also ihr eigenes Wissen als ausreichend empfinden, um sich politische zu be- teiligen. Wer sich mit Partizipation im Allgemeinen und Wahlteilnahme von jungen Men- schen im Speziellen auseinander setzt, muss sich also nicht nur vor Augen halten, wie gut diese Bescheid wissen, sondern auch wie gut sie ihr Wissen selbst einschätzen. In einer vom BMFJ und der Parlamentsdirektion beauftragten ErstwählerInnenanalyse im Rahmen des Projektes AUTNES der Universität Wien analysierten Kritzinger und ihre Ko- Autorinnen ausführlich das politische Wissen der ErstwählerInnen der Nationalratswahl 2013: Obwohl das Faktenwissen über das politische System und seine AkteurInnen mit dem Alter stieg, konnte rund um die Nationalratswahl 2013 kein Unterschied zwischen 16- und 17-Jährigen und älteren ErstwählerInnen nachgewiesen werden. Innerhalb der Erstwähle- rInnen gab es auch keine Unterschiede nach Geschlecht, wohl aber zwischen SchülerInnen und Lehrlingen. Wie beim politischen Interesse gilt hier: Wenn Schule Beiträge leisten kann, um das Wissen von jungen Menschen zum Thema „Wahlen und Politik” zu erhöhen, bleibt die Frage offen, wie jungen Menschen erreicht werden, die nicht mehr oder gerade nicht zur Schule gehen. Dass politische Bildung – im weiteren Sinn der civic education, egal ob in der Schule oder im außerschulischen Bereich – einen Einfluss auf das Wissen hat, ist für Österreich nachgewiesen. Aber nicht jede Maßnahme wirkt auf die gleiche Art und Weise: „Aktives Erleben von Demokratie spielt dabei aber eine wichtigere Rolle als reines Informieren.“, formulieren Schwarzer & Zeglovits (2009)

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