Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Zeglovits, Wählen mit 16 – ein österreichisches Erfolgsmodell? 261 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Bei der mindestens ebenso relevanten Frage nach der Selbsteinschätzung des politischen Wissens, sind die Muster nach Alter sehr ähnlich wie beim faktischen Wissen, allerdings zeigte sich ein deutlicher Gender Gap: junge Frauen stuften ihr Wissen deutlich niedriger ein als junge Männer, ob es tatsächlich keinen Unterschied gab ( Kritzinger et al. 2013). Diese ist geradezu alarmierend, weil es den Schluss zulässt, dass junge Frauen sich (in wel- cher Form auch immer) politisch weniger beteiligen werden als junge Männer, weil sie ihr Wissen schlechter einstufen, obwohl es nicht schlechter ist. Wie hoch ist die Wahlteilnahme von ErstwählerInnen in Österreich? Wahlbeteiligung aus Umfragen auszuwerten führt immer das Problem mit sich, dass die Frage nach der Wahlteilnahme nicht exakt misst, weil es Menschen gibt, die nicht zugeben wollen, dass sie nicht an der Wahl teilgenommen haben. Die beste Datenquelle sind daher die Wählerlisten. Vor Einführung des Zentralen Wählerregisters war es in Österreich rein technisch nicht möglich, Wahlbeteiligung auf Ba- sis echter Daten auf individueller Ebene auszuwerten. Die empirisch belastbarsten Studien, die es zur Wahlbeteiligung von 16- und 17-Jährigen in Österreich gibt, basieren daher auf einer manuellen Auszählung von stichprobenartig gezogenen Wählerlisten. Die Ergebnisse sind zwar regional eingeschränkt, sprechen aber eine deutliche Sprache: Bei der Gemeinderatswahl 2010 in Wien lag die Wahlteilnahme der 16- und 17-Jährigen etwa gleich hoch wie der Durchschnitt, bei 18- bis 25-Jährigen lag die Wahlbeteiligung schon erheblich und statistisch signifikant unter dem Durchschnitt ( Zeglovits & Aichholzer 2014) Bei der Gemeinderatswahl 2012 in Krems lag die Wahlbeteiligung der 16-, 17- und 18-Jäh- rigen rund zwischen 5 und 10 Prozentpunkten unter der durchschnittlichen Wahlbeteili- gung. Die Wahlbeteiligung der 19-Jährigen allerdings lag bei fast 20 Prozentpunkten, jene der 20- bis 25-Jährigen sogar zwischen 20 und 30 Prozentpunkten unter der durchschnittli- chen Wahlbeteiligung ( Zeglovits & Aichholzer 2014). Die Ergebnisse aus Krems, einer Stadt mit vielen Schulen und Hochschulen, wohin junge Menschen ziehen, wenn sie erstmals den elterlichen Haushalt verlassen, unterstützen sehr deutlich das in der Theorie gezeich- nete Bild der schwachen Wahlbeteiligung von Menschen Anfang bis Mitte 20. Für der Nationalratswahl 2013 und die Wiener Gemeinderatswahlen 2015 konnten diese Muster bestätigt werden ( Aichholzer et al. 2017): Innerhalb der ErstwählerInnen fällt die Wahlteilnahme mit zunehmendem Alter ab, das heißt, 16- und 17-Jährige haben eine höhere Beteiligung als ältere ErstwählerInnen. Die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen unterscheidet sich nicht (signifikant) von der all- gemeinen Wahlbeteiligung. Darüberhinaus kann diese Studie auch zeigen, dass das ausschlaggebene Kriterium die soziale Situation, nicht das Alter an sich ist. Junge Menschen gehen dann eher zur Wahl, wenn jemand anderer in ihrem Haushalt auch zur Wahl geht. Wenn man diesen Faktor mitberücksichtig, verschwindet der Unterschied in der Wahlbeteiligung zwischen jüngeren und älteren ErstwählerInnen. Auch das Vorhandensein eines höheren Bildungsabschlusses im Haushalt begünstigt die Wahlteilnahme der jungen Wahlberechtigten. Die Zahlen aus Österreich unterstützen also in Summe eher die Argumente der Befür- worterInnen der Wahlaltersenkung.

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