Erziehung und Unterricht 2018/3+4
262 Zeglovits, Wählen mit 16 – ein österreichisches Erfolgsmodell? Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Wahlaltersenkung – Vorbild für andere Länder in der EU? Österreich nimmt, wie erwähnt, bei der Wahlaltersenkung eine Vorreiterrolle ein. Empiri- sches Datenmaterial, was tatsächlich passiert, kann theoretische Überlegungen, was pas- sieren könnte, stützen oder widerlegen. Tatsächlich hat die Forschung zur Wahlbeteiligung und zum politischen Interesse auf Basis österreichischer Daten viel Echo in anderen Län- dern gefunden. Auch wenn die Debatten zur Wahlaltersenkung oft anekdotisch und normativ statt fak- tenbasiert ablaufen, wie Jan Eichhorn in einem Blogeintrag im European Politics and Policy Blog der London School of Economics beklagt ( Eichhorn 2018), so haben die österreichi- schen Erfahrungen doch die wissenschaftlichen Debatten mitgestaltet, und immer wieder auch damit die öffentlichen, politischen Debatten beeinflusst. In Schottland wurde das Wahlalter für das Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014 auf 16 Jahre gesenkt. Analysen aus Schottland bestätigen die Ergebnisse aus Österreich: Die Wahlteilnahme lag bei 16- und 17-Jährigen höher als bei älteren ErstwählerInnen (vgl. etwa Curtice 2014). Im Juni 2015 wurde in Luxemburg in einem Referendum u. a. über die Senkung des Wahlalters abgestimmt. Eine sehr deutliche Mehrheit der wahlberechtigten Luxemburger stimmte gegen die Wahlaltersekung. Auch in Dänemark wird von Seiten der Jugendvertretungen seit Jahren immer wieder die Senkung des Wahlalters diskutiert. Eine große Enquete im Jahr 2011 diskutierte auch die österreichischen Erfahrungen. Allerdings wäre eine Wahlrechtsänderung in Dänemark ebenfalls nur über ein Referendum herbeizuführen. Estland hat mittlerweile eine Wahlalter von 16 Jahren für Regionalwahlen eingeführt (vgl. etwa European Youth Forum 2018b). Zusammenfassung und Diskussion Als in Österreich das Wahlalter gesenkt wurde, wurde lautstart diskutiert, ob junge Men- schen ausreichend informiert und interessiert an Politik wären, um dieses Recht zu verdie- nen. Es ist zwar Spekulation, aber vermutlich kann man davon ausgehen, dass in Öster- reich ein Referendum wie in Luxemburg eine Wahlaltersenkung verhindert hätte. Man könnte sich auch die Frage stellen, ob Frauen jemals das Wahlrecht erhalten hätten, wenn dies von den wahlberechtigten Männern in einer Abstimmung beschlossen hätte werden müssen. Erfreulicherweise ist es 11 Jahre später zur Selbstverständlichkeit geworden, dass 16- und 17-Jährige in Österreich zur Wahl gehen dürfen. Was leiser geworden ist, ist die Auf- merksamkeit. In Anbetracht der empirischen Ergebnisse zur Relevanz der vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen im schulischen und außerschulischen Bereich, müssen wir uns der Verantwortung bewusst sein, die die Gesellschaft hat, um diese begleitenden Maßnahmen zu unterstützen. Die Wahlaltersenkung ist kein Selbstläufer. Jede Generation von Erstwählerinnen und Erstwählern braucht die gleiche Aufmerksamkeit wie die davor. Schule und außerschuli- sche Jugendarbeit können aber nur so viel leisten, wie sie Ressourcen zur Verfügung ha- ben. Wenn Maßnahmen nur manche erreichen, trägt die Gesellschaft dazu bei, dass schon im jungen Alter soziale Unterschiede in der Wahlteilnahme und damit schlussendliche in der politischen Repräsentation einzementiert werden.
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