Erziehung und Unterricht 2018/3+4
276 Schachinger/Freynschlag/Pöllmann, Transition Kindergarten und Schule Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 In den didaktischen Grundsätzen wird u.a. die Bildung des ganzen Menschen gefordert. Kein Seinsbereich, vom Körperlichen bis zum Seelisch-Geistigen darf vernachlässigt wer- den. Wo immer möglich, sollen spontanes Interesse, Neugierverhalten, Wissensbedürfnis und Leistungsbereitschaft geweckt und gepflegt werden. Lernen und schulische Leistun- gen beschränken sich nicht allein auf Fachwissen (vgl. Lehrplan für Volksschulen , Allgemei- ne didaktische Grundsätze, S.164 ff). Ganzheitliches Lernen mit Musik „Musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animi“. Diesen Satz schrieb Gottfried Wilhelm Leibnitz 1712. „Musik ist eine unbewusste Übung in der Arithme- tik, bei der der Geist nicht weiß, dass er zählt“ (vgl. http://www.abcphil.de) . Die Bedeutung der Musik für die Entwicklung und Erziehung des Kindes ist immens, be- sonders in Hinblick auf deren Wert zur Entfaltung der Sinne, der eigenen Stimme und ihr wichtiger Bezug auf die Koordination von Bewegungen. Einer der Ersten, die das ent- deckende Lernen, die Sinnesschulung und die Wichtigkeit des aktiven Umgangs mit Mate- rialien erkannten, war Comenius . Er verfasste bereits im 17. Jahrhundert kleine Verse und Liedtexte für Eltern und Lehrkäfte, die sie mit ihren Kindern zu verschiedenen Anlässen sprechen und singen sollten, um sie dadurch altersspezifische Erkenntnisse erlangen zu lassen (vgl. Ribke 2010, S. 16). Bewusstes Hören, Bewegungskoordination, Sprachgestaltung, Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit, Rhythmus, Takt, Metrum, Umsetzen von Gehörtem in grafische Zeichen, Körperbewusstsein, Raum- und Zeiterfahrung sowie Formempfinden – alles Berei- che aus der Musik – sind für mathematisches Verständnis unabdingbar. Laut Lehrplan för- dert Musikerziehung die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit. Sie entfaltet die kogni- tiven, emotionalen, psychomotorischen, kreativen und sozialen Fähigkeiten (vgl . Lehrplan für Volksschulen , Musikerziehung, S. 164 ff). Erst in ihrer Vernetzung führen Sinneswahrnehmungen zum Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Als Institution stellt die Schule eine erweiterte Spielplattform dar, auf der die Kinder mit Risikofreude weiterspielen wollen. Ein „Wagnis“, das von positiven Impulsen begleitet wird und dem sie in einer motivierenden Form fast „süchtig“ folgen. Es scheint von Beginn an ihr Bestreben zu sein, neue Gemeinschaften zu entdecken, spannende „Abenteuer“ zu bestehen, sich als Gewinnerinnen und Gewinner wahrzunehmen und damit verbundene emotionale Zufriedenheit zu erlangen (vgl. Warwitz 2001, S. 206-215). Hier kommt der Musik besondere Bedeutung zu. Beim Musizieren werden Gehörsinn, Motorik, Körperwahrnehmung und Hirnzentren, die Emotionen verarbeiten, gleichzeitig beansprucht. Laut Sokrates (469–399 v. Chr.) ist „die Erziehung durch Musik darum die vor- züglichste, weil Rhythmus und Harmonie am tiefsten in das Innere der Seele dringen“. Eine besondere Form spezifischen Erlebens bezeichnet der Psychologe M. Csikszent- mihalyi als „Flow“. Er hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Spielerischen her- vor und bezieht sich auf ein Kind, welches völlig in seiner Tätigkeit aufgeht. Dabei scheint die eigene Existenz aufgehoben zu sein und die Identität des Kindes verschwindet aus sei- nem Bewusstsein. Nach den Ausführungen des Autors taucht es erst dann in ein Flow-Erle- ben ein, wenn bereits eine klare Zielsetzung vorliegt, es in völliger Konzentration auf das eigene Tun ist, es von dem Gefühl begleitet ist, den Anforderungen gewachsen zu sein und Kontrolle über seine Tätigkeit hat. Dazu braucht es klare Rückmeldung und die Erkenntnis, dass sich die Aktivität am Ende selbst belohnt (vgl. https://www.ted.com/talks/mihaly_csikszentmihalyi_on_flow? ).
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