Erziehung und Unterricht 2018/3+4
280 Gaidoschik, Schwächen im Rechnen vorbeugen – durch Mathematikunterricht! Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Michael Gaidoschik Schwächen im Rechnen vorbeugen – durch Mathematikunterricht! Summary: Mathematik wird in der aktuellen Fachdidaktik als „Wissenschaft von den Mustern und Strukturen“ definiert (Wittmann & Müller 2017) . Gerade Kinder, die sich beim Erlernen des Rechnens schwertun, sind darauf angewiesen, dass in der Grundschule sehr gezielt auf das Erkennen, Verstehen und Nutzen mathematischer Muster und Struk- turen hingearbeitet wird. Der Beitrag stellt im Überblick dar, welche Strukturen dabei von besonderer Bedeutung sind, und wie Unterricht dazu beitragen kann, dass sie auch Kin- dern mit ungünstigen Lernvoraussetzungen zugänglich werden. Einleitung Umfassende, über die Grundschulzeit hinausreichende Schwierigkeiten im exakten und überschlagenden Rechnen, im Verstehen von Zahlen, im Lösen elementarer mathemati- scher Aufgaben sind kein Randphänomen. Für die Betroffenen hat dies massive negative Folgen für ihre schulische und dann berufliche Laufbahn, für das Zurechtkommen im All- tag, nicht zuletzt für die psychische Gesundheit, die oft schon früh durch die beständig er- lebten Misserfolge in einem zentralen Schulfach in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. Gai- doschik 2015a). Bezüglich der Bereiche , die für solche Schwierigkeiten zentral sind, besteht in der aktuellen Fachdidaktik weitgehend Einigkeit (vgl. u.a. Moser Opitz 2013; Schipper 2009): Die Ebene der beobachtbaren Phänomene… • Verfestigtes zählendes Rechnen . Für erfolgreiches Mathematik-Treiben auf höherer Stufe ist wichtig, dass gewisse „Basisfakten“ relativ früh automatisiert werden, möglichst schon im Laufe des ersten Schuljahres. Das betrifft jedenfalls die Zahlzerlegungen, Addi- tionen und Subtraktionen im Zahlenraum bis 10 (vgl. Schipper 2009). Nur auf Basis auto- matisierter Grundaufgaben können auch Rechnungen im zwei- und mehrstelligen Be- reich zügig und sicher gelöst werden (vgl. Gaidoschik 2010). Viele Kinder, Jugendliche und wohl auch Erwachsene rechnen aber zählend, das heißt: Sie müssen für die Lösungs- findung die Zahlwortreihe in Einzelschritten gedanklich vor- oder zurückschreiten. Das ist mühsam und fehleranfällig, umso mehr, wenn versucht wird, dabei auf Zählhilfen zu verzichten (etwa, weil Kindern vermittelt wurde, dass sie „ohne Finger!“ rechnen sollten). Zählendes Rechnen macht Kopfrechnen mit mehrstelligen Zahlen und daher auch über- schlagendes Rechnen fast unmöglich, vor allem: Es behindert die Einsicht in Zusam- menhänge zwischen Zahlen, das Erkennen von Beziehungen zwischen Rechnungen und so die Ausbildung dessen, was unscharf als „Zahlensinn“ bezeichnet und als wesent- liches Ziel elementarer mathematischer Bildung betrachtet wird (vgl. Gaidoschik 2010). • Grundlegende Defizite im Verständnis des dezimalen Stellenwertsystems. Zahlen werden in unserer Kultur im dezimalen Stellenwertsystem notiert. Ohne zumindest implizites
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=