Erziehung und Unterricht 2018/3+4
290 Benischek/Waltenberger, Pädagogische Diagnostik im Mathematikunterricht Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 angeleiteten Selbststudium kommt es zum Praxistransfer (vgl. Schubiger 2016, S. 13f.). Den Schülerinnen und Schülern muss stets klar sein, warum sie welche Ziele anstreben (sollen) und dass der Erwerb von Kompetenzen nur durch persönliches Lernen und aktiven Einsatz möglich ist (vgl. Thaller 2012, S. 176). Das Lernen ist dann erfolgreich, wenn die ausgewählten Lernanreize/Lerninhalte mög- lichst nahe an der Schnittstelle zwischen Wissen/Können und Nicht-Wissen/Nicht-Können angeboten werden. Wenn Lehrerinnen und Lehrer das Angebot nicht passend setzen, so kann es zu Über- oder Unterforderung kommen (vgl. Becker 2004, S. 20). Wenn die Lern- angebote jedoch genau an der zuvor genannten Schnittstelle ansetzen und das erfolgrei- che Lernen auch noch mit kontinuierlichen Rückmeldungen gekoppelt ist, wenn also bei jeder gewünschten Reaktion der Lernerin/des Lerners „eine positive Rückmeldung erfolgt, schreitet der Lernprozess mit maximaler Schnelligkeit voran“ ( Olechowski 2003, S. 2015). Der Evaluation kommt somit in einem kompetenzorientierten Unterricht große Bedeu- tung zu, denn für die Planung muss die Lehrerin/der Lehrer bereits im Vorfeld wissen, wel- che der im Lehrplan bzw. in der Bildungsstandardsverordnung geforderten Kompetenzen sie/er in welcher Weise fördern und fordern möchte (vgl. Gonschorek & Schneider 2010, S. 313). Ein Gütekriterium für jeglichen Unterricht ist es daher, „dass bei der Planung und Durchführung die Lernvoraussetzungen der Schüler berücksichtigt werden“ ( Becker 2004, S. 20), es braucht dazu Pädagogische Diagnostik. Somit kann die Pädagogische Diagnostik folgendermaßen definiert werden: „Pädagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Vo- raussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lern- prozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren. Zur Pädagogischen Diagnostik gehören ferner die diagnostischen Tätigkeiten, die die Zuweisung zu Lerngruppen oder zu individuellen Förderprogrammen ermöglichen sowie die mehr gesellschaftlich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnach- wuchses oder die Erteilung von Qualifikationen zum Ziel haben.“ ( Ingenkamp & Lissmann 2008, S. 13) „Diagnosekompetenz basiert auf pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten und Fertig- keiten sowie einer motivationalen und sozialen Haltung der Lehrkraft.“ ( Jürgens & Liss- mann 2015, S. 22) Diagnosekompetenz braucht „eine umfassende Zielsetzung und ein do- mänenabhängiges Fähigkeitskonzept zur Bewältigung der schulischen Beurteilungsauf- gabe […], die sich sowohl aus methodischem, prozeduralem und konzeptionellem Wissen zusammensetzt als auch vor allem beeinflusst sein sollte vom pädagogischen Ethos […]“ ( Jürgens & Lissmann 2015, S. 24). Die Aufgaben von Pädagogischer Diagnostik im Unterricht können folgendermaßen be- schrieben werden: – „Sie unterstützt im regulären Unterricht die optimale Passung der pädagogischen Ange- bote an die Lernausgangslage von Lernenden – wobei eine Passung durch innere oder durch äußere Differenzierung erfolgen kann. – Sie dient der Leistungsbewertung, sei es nun in Form von Ziffernbenotungen oder Lern- entwicklungsberichten. – Sie […] kann als ein ‚Frühwarnsystem‘ fungieren, um rechtzeitig Vorbeugemaßnahmen für lern- und entwicklungsgefährdete Kinder und Jugendliche bereitzustellen. – Sie ist schließlich unerlässlich als Krisenintervention, wenn bereits manifeste Probleme eingetreten sind.“ ( Rittmeyer & Schäfer 2013, S. 14)
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