Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Benischek/Waltenberger, Pädagogische Diagnostik im Mathematikunterricht 291 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Für eine professionelle Diagnosehandlung müssen Lehrpersonen über Modelle und Sach- verhalte Bescheid wissen; es braucht entwicklungspsychologisches Grundwissen, Wissen über Modelle zur Wissensaneignung und zur Lernentwicklung, Wissen bezüglich Wechsel- wirkungen zwischen Kognition und Emotion sowie generell wissenschaftlich abgesicherte Vorstellungen unter anderem über Schutzfaktoren und Entwicklungsrisiken in und außer- halb des Lebensraums Schule. Weiters ist das Wissen um Bandbreiten, innerhalb derer sich eine „normale“ Entwicklung vollziehen kann, notwendig (vgl. Rittmeyer & Schäfer 2013, S. 16f.). Zu den diagnostischen Zugängen zählen: psychometrisch-sozialnormierte („normative“) Diagnostik, entwicklungsbezogene Diagnostik, curriculumsbezogene Diagnostik oder pro- zessorientierte Diagnostik. Um beispielsweise ein Förderkonzept erstellen zu können, braucht es besonders curriculumsvalide Verfahren. Dies sind Instrumente, die den Lern- fortschritt (in einem Unterrichtsfach) nicht nur stichprobenartig und punktuell abbilden, sondern kontinuierlich. Weiters sind prozessorientierte Verfahren notwendig, um heraus- finden zu können, ob die/der Lernende beispielsweise erfolgszuversichtlich oder versa- gensängstlich ist, ob Fehler aufgrund eines falsch eingelernten Algorithmus entstehen o- der ob es überhaupt noch keine Lösungsvorstellungen gibt. Zusätzlich könnten auch Diag- noseverfahren beispielsweise zur Erhebung von lernbereichsspezifischer Motivation sinn- voll sein (vgl. Rittmeyer & Schäfer 2013, S. 19ff.). Erfahrene Lehrpersonen mit theoretischen Kenntnissen (beispielsweise über die häu- figsten Ursachen von Dyskalkulie, über Motivationstheorien, usw.) bedienen sich – neben (standardisierten) Tests – den genuinen diagnostischen Zugängen: Beobachtung der Ler- nenden im pädagogischen Feld, Durchsicht von Schülerarbeiten, direkte Befragung der Lernenden über ihre Lernprozesse („Erkläre mir, wie du beim Lösen der Aufgabe vorgegan- gen bist.“), Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern über ihre Gefühle, Sammlung von Arbeitsergebnissen in einem Portfolio und dergleichen (vgl. Rittmeyer & Schäfer 2013, S. 24). Zusammenfassend kann sich diagnostisches Handeln auf folgende Bereiche beziehen: Vergleich, Analyse, Prognose, Interpretation, Mitteilung, Wirkungskontrolle (vgl. Ingenkamp & Lissmann 2008, S. 40). „Der Vergleich dient der Beschreibung des Verhaltens. Durch die Analyse sollen Gründe für ein Verhalten gefunden werden, während die Prognose der Vor- hersage künftigen Verhaltens dient. Die Interpretation ist nicht weniger wichtig, weil ihre Aufgabe im Ordnen, Bewerten und Gewichten der diagnostischen Informationen besteht. Die Mitteilung der Diagnose und die Wirkungskontrolle, also auch die Kontrolle der Ne- benwirkungen, stellen wünschenswerte Ergänzungen dar.“ ( Ingenkamp & Lissmann 2008, S. 40) Beispiele für Diagnoseinstrumente Bei diagnostischen Instrumenten ist immer zu berücksichtigen, welche Bereiche sie ab- decken bzw. welche Zielsetzungen. So können beispielsweise Messverfahren für die Bil- dungsstandards und diagnostische Tests nicht gegeneinander ausgetauscht werden, es handelt sich jeweils um unterschiedliche Komponenten (vgl. Köller & Reiss 2013, S. 25). Testverfahren im Bereich der Bildungsstandards sind geeignet, die Schwierigkeit einer Aufgabe und das Kompetenzniveau einer Schülerin/eines Schülers auf einer gemeinsamen Skala (mit gewissen Unschärfen) zu fassen, wobei allgemeine und systembezogene As- pekte im Vordergrund stehen (vgl. Köller & Reiss 2013, S. 26). Bei diagnostischen Verfahren zur Mathematikleistung (im deutschsprachigen Raum; z.B. DEMAT 3+, DEMAT 4+; Eggenberger Rechentest, BSIS-MATH 4-8, …) geht es zumeist

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