Erziehung und Unterricht 2018/3+4
Landsgesell, Entwicklung der mathematischen Fachsprache 303 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Sprachentwicklung allgemein Bereits ab der 27. Schwangerschaftswoche sind jene anatomischen Voraussetzungen beim Embryo angelegt, die für die Sprachschallwahrnehmung notwendig sind. Dadurch ist ein Neugeborenes, mit einem intakten Hörvermögen, unmittelbar nach der Geburt in der Lage, akustische Eindrücke aufzunehmen. Über das Schreien entwickeln sich dann erste Pho- neme, denen Babbel- und Gurrlaute vorausgehen (vgl. Dittmann 2010, S. 15-19). Vorausset- zung dafür ist, dass sich das Kind in einer sprechenden Umgebung befindet, die in eine In- teraktion mit dem Kind tritt (vgl. von Aster 2013, S. 27). Damit sich Kinder ihre Mutterspra- che aneignen, sind ständige Kommunikationssituationen mit Bezugspersonen notwendig. Dabei werden sowohl Wörter als auch Sätze immer wieder richtig wiederholt, damit das Kind, ohne dies bewusst zu erleben, grundlegende Sprachstrukturen aufbauen und sich die Muttersprache aneignen kann. Das Lernen einer Zweitsprache verläuft ähnlich, wobei meist auf das bewusste Wiederholen verzichtet wird, sondern das Erlernen passiert ohne bewusste Korrekturen unter Submersionsbedingungen beispielsweise beim Spielen mit anderen Kindern. Anders verläuft dies beim Erlernen einer Fremdsprache, wo der Sprach- erwerb meist von der Lehrperson gesteuert wird. Die sprachlichen Anforderungen, die die Schule stellt, gehen über das normale Niveau der Muttersprache hinaus. Im Unterricht werden bildungssprachliche Kompetenzen gefordert, die in einem weiteren Schritt, näm- lich der Vermittlung einer Fachsprache, innerhalb eines Spiralcurriculums, aufgebaut wer- den. Hier herrscht besonders im Mathematikunterricht Nachholbedarf, da bisher dem Be- rücksichtigen der Fachsprache in Mathematik wenig Augenmerk geschenkt wurde (vgl. Weis 2013, S. 9). Entwicklung der mathematischen Fachsprache Sprache ist ein kommunikatives Werkzeug, um andere, aber auch uns selber, zu verstehen und um Dinge und Sachverhalte zu benennen und zu begründen (vgl. Jampert et al . 2005, S. 17). So ist auch in der Schule Sprache nicht nur ein Lerngegenstand, sondern dient dem Verstehen, dem Kommunizieren und dem Instruieren. Mit der Einführung der Bildungs- standards erlangt das Kommunizieren einen hohen Stellenwert innerhalb des Mathema- tikunterrichts. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die dafür notwen- dige mathematische Fachsprache von den Schülerinnen und Schülern automatisch be- herrscht wird. Diese muss im Zusammenhang mit den mathematischen Fachinhalten im Unterricht erlernt werden (vgl. Weis 2013, S. 8). Um jedoch diese Sprache verstehen zu können, ist es Voraussetzung, dass jene Sprache, welche im Unterricht gesprochen wird, auch beherrscht wird. Da es sonst für die Schülerinnen und Schüler sehr schwierig ist, sich Inhalte und Kompetenzen auf einer fachlichen Ebene anzueignen (vgl. Wildemann & Fornol 2016, S. 57). Sprachliche Auseinandersetzungen im Mathematikunterricht verlaufen auf verschiede- nen Ebenen, wobei Schülerinnen und Schüler eine sprachliche Förderung nicht nur auf der Ebene der Fachsprache erhalten sollen, sondern auf allen Ebenen, denn bereits das rich- tige Verwenden der Alltagssprache setzt sowohl grammatikalische, morphologische, syn- taktische als auch lexikalische Kenntnisse voraus (vgl. Weis 2013, S. 10-11). Die Ebene der Alltagssprache Die Alltagssprache eignen sich Kinder durch das Kommunizieren mit ihrer unmittelbaren Umgebung an. Eine Verbindung mit der Mathematik wird dann hergestellt, wenn Kinder z.B. erzählen, dass sie ein Auto gesehen haben oder erklären, dass sie noch eine Kugel Eis
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