Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
103 Aufklärung (1720–1770) schweigt? […] – O, so seid ihr alle drei Betrogene Betrüger! Eure Ringe Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring Vermutlich ging verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die drei für einen machen. Saladin: Herrlich! herrlich! Nathan: Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! – Mein Rat ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. – Möglich, dass der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiss, Dass er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. – Wohlan! […] Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag Zu legen! […] ■■ Fassen Sie den Ausgangspunkt der Parabel und die Handlung des Vaters bis zu dessen Tod zusammen. ■■ Erläutern Sie die so entstehende Problematik und den „Lösungsversuch“ der Söhne. ■■ Geben Sie den Rat des Richters an die Söhne wieder. ■■ Bestimmen Sie die Textstelle, an welcher der Richter darauf hinweist, dass einzig prakti sches Handeln den Wert der Ringe ausmacht und die Religionen auf diesem Gebiet zueinander in eine Art von tolerantem Wettstreit stehen sollten. ■■ Benennen Sie die Textstelle, die betont, dass Religionen geschichtlich begründet und überliefert sind und auf Traditionen beruhen, die nicht leichtfertig abgelegt werden können. ■■ Der Toleranzgedanke taucht im „Nathan“ an vielen Stellen auf, nicht nur in der „Ringpara bel“. Schreiben Sie in freier Form Ihre Gedanken zu den beiden folgenden Zitaten nieder: Ich weiß, […] dass alle Länder gute Menschen tragen (Nathan); Ich habe nie verlangt, dass allen Bäumen eine Rinde wachse (Saladin). Ein Vorbild für die Figur des Nathan Schon in seinem frühen Stück „Die Juden“ hatte sich Lessing mit antisemitischen Tendenzen der Epoche befasst. In seiner Vorrede zu diesem Drama betonte er, das Stück sei das „Resultat einer sehr ernsthaften Be- trachtung über die schimpfliche Unterdrückung, in wel- cher ein Volk seufzen muss, das ein Christ, sollte ich meinen, nicht ohne eine Art von Ehrerbietung betrach- ten kann.“ Lessings lebenslange Freundschaft mit dem jüdischen Gelehrten und Aufklärer Moses Mendelssohn (1729– 86) verstärkte Lessings Argumentationen gegen den Antisemitismus. Mendelssohn hielt es für wichtig, die Juden in die westliche Kultur zu integrieren, doch durf te dies nach seiner Auffassung nicht um den Preis der Aufgabe des Judentums geschehen. Damit wurde er zum direkten Vorbild für die Figur des Nathan. 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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