Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

108 Aufklärung (1720–1770) zu achten. Doch das Gebot der Toleranz gegenüber den Ausdrucksformen anderer Kulturen sieht Finkiel­ kraut manchmal in einem Spannungsfeld zum Begriff der Menschenrechte: Gibt es eine Kultur da, wo man über Delinquenten körperliche Züchtigungen verhängt, wo die unfrucht- bare Frau verstoßen und die Ehebrecherin mit dem Tode bestraft wird, wo die Aussage eines Mannes so viel wert ist wie die von zwei Frauen, […] wo die Frauen beschnitten werden, wo die Mischehe verbo- ten und die Polygamie erlaubt ist? […] Den Fremden als Individuum zu behandeln, bedeutet nicht ihn zu verpflichten, alle seine Verhaltensweisen auf die bei den Einheimischen geltenden Lebensformen auszu- richten. […] Der Geist der europäischen Neuzeit fin- det sich sehr gut mit der Existenz von nationalen oder religiösen Minderheiten ab, unter der Bedin- gung, dass diese sich […] aus gleichen und freien Einzelpersonen zusammensetzen. Eine solche Forde- rung hat zur Folge, dass alle Bräuche, die die Grund- rechte der Person verhöhnen – auch die, deren Wur- zeln weit in die Geschichte zurückreichen – als un­ gesetzlich erachtet werden. ■■ Fassen Sie in einem Stichwortzettel die Thesen des Autors zusammen und beschreiben Sie, was laut Finkielkraut Kulturen gewährleisten müssen. ■■ Oft wird verlangt, der „Fremde“ habe die Lebensformen der „Einheimischen“ zu übernehmen. Erläutern Sie, welche Position Finkielkraut dazu einnimmt. ■■ Diskutieren Sie Finkielkrauts Aussagen. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Aufgabe Auf den Punkt gebracht: Die Literatur der Aufklärung ■■ Die Themen der Aufklärung: – Betonung des vernünftigen Denkens, das allen Menschen durch Erziehung und Bildung zugänglich ist (Kant: „Was ist Aufklärung?“) – Der Staat ist nicht Eigentum eines Herrschers, sondern beruht auf einem Vertrag, der vom Volk aufgelöst werden kann, wenn der Herrscher Missbrauch treibt (Rousseau: „Der Gesellschaftsvertrag“, Montesquieu: „Der Geist der Gesetze“) – die Überwindung des Aberglaubens und der Dominanz einer Religion über die anderen (Lessing: Ringparabel aus „Nathan der Weise“, 1779). ■■ Die Grundlagen der Aufklärung sind Rationalis­ mus, Empirismus und Francis Bacons Kampf gegen die „Trugbilder“. ■■ Die Literatur sieht sich im Dienst der Aufklärung; Gottsched verbannt den Hanswurst von der Bühne, will vernunftgemäßes Theater und folgt französischen Vorbildern (Corneille, Racine); Lessing, sein Gegner, nimmt Shakespeare zum Vorbild und formuliert im „bürgerlichen Trauer­ spiel“ die Kritik am verkommenen Adel („Emilia Galotti“, 1772). ■■ Wieland kämpft in seinem Roman „Agathon“ gegen Ignoranz und Vorurteile. ■■ Das Erdbeben von Lissabon (1755) erschüttert den Glauben an die Berechenbarkeit der Natur und die optimistische These von der „besten aller möglichen Welten“ (Leibniz). Voltaire wird zum schärfsten Kritiker dieses Optimismus. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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