Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

267 Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Wiener Moderne (1890–1920) diese These zur Theorie von der dreischichtigen menschlichen Persönlichkeit aus. Die Auseinanderset­ zungen zwischen Es , Ich und Über-Ich bestimmen die Persönlichkeit. Das triebhafte, stark von Sexualität und Aggression bestimmte Es kennt nur den Wunsch nach seiner Verwirklichung. Das Über-Ich , das „Gewissen“, ist die moralische Instanz, welche die Wertvorstellun­ gen einer Gesellschaft spiegelt, Gut und Böse und die moralischen Grenzen definiert. Es ist der Gegenspieler des Es . Zwischen beiden steht das Ich . Das Ich muss zwischen den triebhaften Wünschen des Es und den hohen Anforderungen des Über-Ich Lösungen finden. Einen Versuch dieses Ausgleichs stellt für Freud die menschliche Kultur dar. Sie dämmt die Triebe ein. – Besonders enge Gedankenverbindungen gibt es zwi­ schen Freud und Arthur Schnitzler, wie zum Beispiel der berühmte „Doppelgängerbrief“ Freuds an Schnitz­ ler zeigt. Freud erläutert darin, weshalb er den Dichter nie besucht habe: Ich meine, ich habe Sie gemieden aus einer Art von Doppelgängerscheu. […] Ich habe immer wieder, wenn ich mich in Ihre schönen Schöpfungen vertiefe, hinter deren poetischem Schein die nämlichen Vo- raussetzungen, Interessen und Ergebnisse zu finden geglaubt, die mir als die eigenen bekannt waren. […] Ihr Ergriffensein von den Wahrheiten des Unbe­ wussten, von der Triebnatur des Menschen […], das alles berührte mich mit einer unheimlichen Vertraut- heit. […] So habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie durch Intuition […] alles das wissen, was ich in mühseliger Arbeit an anderen Menschen aufgedeckt habe. Ja ich glaube, im Grunde Ihres Wesens sind Sie ein psychologischer Tiefenforscher […]. Das gesellschaftliche Umfeld Wien, Paris und Berlin heißen die Zentren Europas zur Jahrhundertwende. Innerhalb von 50 Jahren war die Einwohnerzahl Wiens von knapp über 400.000 auf zwei Millionen gestiegen. Arbeitssuchende aus der ge­ samten Monarchie strömten in die Stadt. Besonders viele jüdische Bürger prägten das wirtschaftliche und kulturelle Leben. Arthur Schnitzler, Karl Kraus, Stefan Zweig, Peter Altenberg, Egon Friedell sind dazu nur ei­ nige bedeutende Namen aus der Literatur. Demago­ gen diente der Antisemitismus als Mittel, nationale und soziale Spannungen auf jüdische Menschen als Sündenböcke zu kanalisieren. Der Autor Hermann Bahr, ein Wegbereiter der Wiener Moderne, bezeichne­ te deshalb den Antisemitismus als „Morphium der klei- nen Leute“ . Die prägenden Künste Die künstlerischen Leistungen der Metropole Wien waren herausragend. Arnold Schönberg und dessen Schüler Anton Webern und Alban Berg sprengten in der Musik der „Wiener Schule“ die Grenzen der Harmo­ nie. Die „Secession“ sucht das Gesamtkunstwerk von Malerei, Architektur und Kunsthandwerk zu verwirkli­ chen und der Kunst ihren freien Platz in der Gesell­ schaft zu sichern: „Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit“ lautete die Devise Gustav Klimts, Egon Schie­ les, Kolo Mosers, Josef Hoffmanns und Otto Wagners. Der Architekt Adolf Loos wandte sich gegen die Lüge der „Zinskasernen“, die nach außen mit Ornamenten behübscht waren und im Inneren meist nur elende Wohnungen boten. Probierräume des Modesalons Schwestern Flöge, Einrichtung Wiener Werkstätte (Josef Hoffmann und Kolo Moser), Foto, 1904 2 4 6 8 10 12 14 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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