Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
269 Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Wiener Moderne (1890–1920) „Traumnovelle“ und Dramen wie „Anatol“, „Liebelei“ und „Reigen“. Lyrik als Höhepunkt der Sprachkunst Zum Festhalten von Stimmungen und Andeutungen eignete sich besonders die Lyrik. In Gedichten konnte man auch am leichtesten die Idee der „reinen“ Dich tung, der „poésie pure“, realisieren. Unkonventioneller Satzbau, ungewohntes, ausgesuchtes Vokabular kenn zeichnen viele Gedichte. Die angestrebte Exklusivität der Sprache nimmt nicht immer Rücksicht auf Ver ständlichkeit. Der „Sinn“ der Gedichte bleibt oft dun kel. Nach Auffassung der symbolistischen Autoren hat jedes Gedicht die Bedeutung, die ihm der jeweilige Leser gibt. Hervorragende Beispiele für die Lyrik sind die Gedichte von Hugo von Hofmannsthal , wie etwa die „Terzinen über Vergänglichkeit“ (2) , und die Texte Rainer Maria Rilkes . Rilkes „Neue Gedichte“ , so der Titel einer seiner Gedichtsammlungen, zeichnen sich eben so durch scharfe Beobachtungen aus, die das Wesent liche wiedergeben wollen, wie sein Prosatext „Die Auf- zeichnungen des Malte Laurids Brigge“ (3) . Das Kaffeehaus als Künstlertreffpunkt In Wien gab es weder große Literaturverlage, wo sich die Literaten treffen konnten, noch, im Gegensatz zu Berlin oder Paris, die Tradition der privaten literarischen Salons. So wurde das Kaffeehaus zum Treffpunkt. Vor allem zwei Cafés waren Zentren der neuen künstleri schen Ideen, das Café Griensteidl und das Café Central. Als der typische Kaffeehauspoet gilt Peter Altenberg (1859–1919), etwa mit seinen kleinen Skizzen „Die Ab- rechnung“ und „Das Hotel-Stubenmädchen“ (1912) (4) . Er sitzt heute als Pappmascheefigur im Café Central, wo er auch zu Lebzeiten seine Postadresse hatte: Kaffeehaus Du hast Sorgen, sei es diese, sei es jene – ins Kaffeehaus! Sie kann, aus irgendeinem, wenn auch noch so plausiblen Grunde, nicht zu dir kommen – ins Kaffeehaus! Du hast zerrissene Stiefel – Kaffeehaus! Du hast 400 Kronen Gehalt und gibst 500 aus – Kaffeehaus! Du bist korrekt sparsam und gönnst Dir nichts – Kaffeehaus! Du bist Beamter und wärest gern Arzt geworden – Kaffeehaus! Du findest keine, die dir passt – Kaffeehaus! […] Du hasst und verachtest die Menschen und kannst sie dennoch nicht missen – Kaffeehaus! Man kreditiert dir nirgends mehr – Kaffeehaus! 2 4 6 8 Der Leseraum 1 „Seines Offizierscharakters für verlustig erklärt“ Arthur Schnitzler: „Leutnant Gustl“ (1900) „Die Ehre und das Ansehen der österr.-ung. Armee geschädigt“ Ende 1900 erscheint in der Wiener „Neuen Freien Pres se“ die Novelle „Leutnant Gustl“. Schnitzler hatte sie in nur fünf Tagen geschrieben. Bald darauf wird gegen den Autor, der Reserveoffizier ist, ein Ehrengerichts verfahren eingeleitet. Das Ergebnis: Schnitzler wird „seines Offizierscharakters für verlustig erklärt“, da die Novelle dem Ansehen der Armee geschadet habe. Überdies habe Schnitzler die Duellforderung gegen über dem Verfasser eines ihn beleidigenden Artikels in der Tageszeitung „Reichswehr“ unterlassen. Das pro vokant Neue der Novelle war aber nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form. Ein ganzer Text wurde als in nerer Monolog gestaltet. Provokation und Schande Der Wiener Leutnant Gustl sitzt in einem Konzert und langweilt sich. Die Karte hat er geschenkt bekommen. Seine Gedanken laufen hin und her zwischen dem Ge Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigen um des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=