Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

272 Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Wiener Moderne (1890–1920) Um Himmelswillen, ich darf mich nicht verraten … ich möcht’ ja schreien … ich möcht’ ja lachen … ich möcht’ ja dem Rudolf ein Bussel geben … Aber ich muss ihn noch was fragen! … Vom Schlag getroffen werden, heißt noch nicht: tot sein … ich muss fragen, ob er tot ist … aber ganz ruhig, denn was geht mich der Bäckermeister an – ich muss in die Zeitung schau’n, während ich den Kellner frag’ … „Ist er tot?“ „Na, freilich, Herr Leutnant; auf ’m Fleck ist er tot geblieben.“ O, herrlich, herrlich! – Am End’ ist das alles, weil ich in der Kirchen g’wesen bin … „Er ist am Abend imTheater g’wesen; auf der Stiegen ist er umg’fallen – der Hausmeister hat den Krach gehört … na, und dann haben s’ ihn in die Wohnung getragen, und wie der Doktor gekommen ist, war’s schon lang’ aus.“ „Ist aber traurig. Er war doch noch in den besten Jahren.“ – Das hab’ ich jetzt famos gesagt – kein Mensch könnt’ mir was anmerken … und ich muss mich wirklich zurückhalten, dass ich nicht schrei’ oder aufs Billard spring’ … […] Ich glaub’, so froh bin ich in meinem ganzen Leben nicht gewesen … Tot ist er – tot ist er! Keiner weiß was, und nichts ist g’scheh’n! – Und das Mordsglück, dass ich in das Kaffeehaus gegangen bin … sonst hätt’ ich mich ja ganz umsonst erschossen – es ist doch wie eine Fügung des Schicksals … […] – Also, tot ist er – tot ist er – ich kann’s noch gar nicht glauben! Am liebsten möcht’ ich hingeh’n, um’s zu seh’n. – – Am End’ hat ihn der Schlag getroffen aus Wut, aus verhaltenem Zorn … Ah, warum, ist mir ganz egal! Die Hauptsach’ ist: er ist tot, und ich darf leben, und alles g’hört wieder mein! … Komisch, wie ich mir da immerfort die Semmel einbrock’, die mir der Herr Habetswallner gebacken hat! Schmeckt mir ganz gut, Herr von Habetswallner! Famos! – So, jetzt möcht’ ich noch ein Zigarrl rauchen … Erstellen Sie eine Charakteristik Gustls, zum Beispiel in Form des inneren Monologs: „Der Leutnant Gustl, also … ich weiß nicht, also besonders sympathisch ist der Kerl nicht; na ja sicher, ausgeliefert diesen Begriffen der Zeit; lächerlich, das mit dem Säbel, überhaupt der Säbel, diese Prestigesymbole …“! 2 „Ohne Hilfsmittel nicht zu erraten, was der Dichter sagen wollte“ Hugo von Hofmannsthal: „Terzinen über Vergänglichkeit“ (1894) und „Ein Brief“ (1902) Hofmannsthals schwierige Lyrik Die Gedichte Hugo von Hofmannsthals zählen zu den berühmtesten der Wiener Moderne, aber auch zu den oft am schwierigsten deutbaren. Der Autor Robert Mu­ sil äußerte in seinem Essay „Literat und Literatur“ (1931) zu Hofmannsthals Lyrik, es sei nicht immer „ohne Hilfsmittel zu erraten, was der Dichter eigentlich sagen wollte. […] Die Verse sind […] nicht schön, weil sich Hofmannsthal sicher etwas dabei gedacht hat, sondern sie sind es, obwohl man sich nichts denken kann.“ Der Vorrang der Sprache, ihres Klangs, ihrer Bil­ der bestimmen diese Gedichte. „Die Worte sind alles […]. Es führt von der Poesie kein direkter Weg ins Le- ben“ , so schrieb Hofmannsthal selbst. Das folgende Gedicht zählt nicht zu den „schwierigsten“, ein nicht 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 Aufgabe Karl Bauer, Porträt von Hugo von Hofmanns­ thal, Lithografie Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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