Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
331 Literatur zwischen 1925 und 1945 ■■ Bestimmen Sie die (zeitliche) Nähe oder Distanz zwischen Ketten und der Portugiesin. ■■ Beschreiben Sie Ursache, Symptome und Entwicklung der Erkrankung Kettens und das Geschehen dieser Textstelle. Man kann ja vieles nicht erklären, aber man trägt es nicht auf den Schultern und fühlt es nicht jedesmal, wenn man den Hals nach zwei Menschen wendet, die sprechen, während man zu schlafen scheint. Er hatte die fremde Sprache schon lange bis auf wenige Worte vergessen; aber einmal verstand er den Satz: „Du tust das nicht, was du willst, und tust das, was du nicht willst.“ Der Ton schien eher zu drängen als zu scherzen; was mochte er meinen? Ein andermal beugte er sich weit aus dem Fenster hinaus, ins Rauschen des Flusses; er tat das jetzt oft wie ein Spiel: der Lärm, so wirr wie durcheinandergefegtes Heu, schloss das Ohr und wenn man aus der Taubheit zurückkehrte, tauchte klein darin und fern das Gespräch der Frau mit dem Andern auf; und es war ein lebhaftes Gespräch, ihre Seelen schienen sich wohl miteinander zu fühlen. Das drittemal lief er überhaupt nur den beiden nach, die abends in den Hof gingen; wenn sie an der Fackel oben auf der Freitreppe vorbeikamen, musste ihr Schatten auf die Baumkronen fallen; er beugte sich rasch vor, als dies geschah, aber in den Blättern verschwammen die Schatten von selbst in einen. […] Eines Tags als sie in Gesellschaft den Berg heraufka- men, war oben vor dem Tor die kleine Katze. […] Sie wurde eingelassen, aber es war gleich, als ob man einen Gast empfinge, und schon am nächsten Tage zeigte sich, dass man vielleicht ein kleines Kind aufgenommen hatte, aber nicht bloß eine Katze: solche Ansprüche stellte das zierliche Tier, das […] keinen Augenblick aus der Gesellschaft der Men- schen wich. Die Portugiesin beugte sich zärtlich über das Geschöpfchen, das in ihrem Schoß am Rücken lag und mit den winzigen Krallen nach ihren tändelnden Fingern schlug wie ein Kind, der junge Freund beugte sich lachend und tief über Katze und Schoß, und Herrn von Ketten erinnerte das zerstreu- te Spiel an seine halb überwundene Krankheit, als wäre die, samt ihrer Todessanftheit in das Tierkör- perchen verwandelt […]. Ein Knecht sagte: Die bekommt die Räude. Herr von Ketten wunderte sich, weil er das nicht selbst erkannt hatte; der Knecht wiederholte: Die muss man beizeiten erschlagen. Erläutern Sie, ob die Textstelle Ihrer Ansicht nach auf ein intimes Verhältnis zwischen Portugiesin und Portugiesen schließen lässt oder ob die Intensität der Beziehung für die Leser/Leserinnen – und den Herrn von Ketten – ungewiss bleibt. Das Urteil Ein Knecht tötet die Katze, deren ansteckende Räude sie zur Gefahr für die Burg macht. Die Portugiesin, der Portu giese und Ketten, alle drei sehen sie das Ende der Katze als Symbol für sich selbst. Hier das Ende der Erzählung: In einem solchen Augenblick begegneten sich Herr von Ketten und die Portugiesin. Sie blieben beieinan- der stehn, sahn nach den Hunden hinüber und fanden kein Wort. Das Zeichen war dagewesen, aber wie war es zu deuten, und was sollte geschehn? Eine Kuppel von Stille war um die beiden. Wenn sie ihn bis zum Abend nicht fortgeschickt hat, muss ich ihn töten – dachte Herr von Ketten. Aber der Abend kam, und es hatte sich nichts ereignet. Das Vesperbrot war vorbei. Ketten saß ernst, von leichtem Fieber gewärmt. Er ging in den Hof, sich zu kühlen, er blieb lange aus. Er vermochte den letzten Entschluss nicht zu finden, der ihm sein ganzes Dasein lang spielend leicht gewesen war. […] Und [da] gewann allmählich etwas anderes Raum: als Knabe hatte er immer die unersteigliche Felswand unter dem Schloss hinaufklettern wollen; es war ein unsinniger und selbstmörderischer Gedanke, aber er gewann dunkles Gefühl für sich wie ein Gottesurteil oder ein nahendes Wunder. […] Er schüttelte leise lachend den Kopf, um ihn auf den Schultern zu fühlen, aber dabei erkannte er sich weit unten auf dem steinigen Weg, der den Berg hinabführte. Tief beim Fluss bog er ab; über Blöcke zwischen denen das Wasser trieb, dann an Büschen hinauf an die Wand. Der Mond zeichnete mit Schattenpunkten die kleinen Vertiefungen, in welche Finger und Zehen Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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