Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
337 Literatur zwischen 1925 und 1945 Der Fokus Exil und innere Emigration „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Mit diesem Satz aus seiner Tragödie „Almansor“ (1821) ahnte Heinrich Heine schon früh die enge Verbindung von kultureller Zerstörung und Menschenvernichtung. Kurz nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozia listen in Deutschland brannten im April und Mai 1933 die Bücher. Am Abend des 10. Mai 1933 versammelten sich 40.000 Menschen auf dem Berliner Opernplatz, um dort die von NS-Propagandaminister Goebbels und NS-Studenten organisierte Bücherverbrennung zu feiern. Ihr fielen Werke der größten Denker und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts zum Opfer. Im Zuge dieser Bücherverbrennungen, die nicht nur in Berlin, sondern in jeder größeren deutschen Stadt auf ähnli che Weise stattfanden, setzte eine Welle der Zerstö rung des kulturellen Lebens ein. Bis 1938 wurden 12.400 Titel verboten, darunter das Gesamtwerk von 131 Autorinnen und Autoren unterschiedlichster Art, von Thomas und Heinrich Mann über Erich Maria Re marque, Alfred Döblin bis zu Bertolt Brecht, Sigmund Freud, Stefan Zweig, Anna Seghers und Waldemar Bonsels, Erfinder der „Biene Maja“. Ein Protest gegen die Nicht-Verbrennung! Der NS-kritische Dichter Oskar Maria Graf protestierte 1933 in einem offenen Brief dagegen, dass seine Bü cher nicht verbrannt wurden: Ich habe […] mein Heim, meine Arbeit und – was am schlimmsten ist – die heimatliche Erde verlassen müssen, um dem Konzentrationslager zu entgehen. Die schönste Überraschung aber ist mir erst jetzt zuteil geworden: Laut „Berliner Börsencourier“ stehe ich auf der „weißen Autorenliste“ des neuen Deutschlands, und alle meine Bücher, mit Ausnahme meines Hauptwerkes „Wir sind Gefangene“, werden empfohlen. […] Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach verdient? Das „Dritte Reich“ hat fast das ganze deutsche Schrifttum von Bedeu- tung ausgestoßen, hat sich losgesagt von der wirkli- chen deutschen Dichtung, hat die größte Zahl seiner wesentlichsten Schriftsteller ins Exil gejagt und das Erscheinen ihrer Werke in Deutschland unmöglich gemacht. […] Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus […] unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen“ zu beanspruchen, mich auf ihre so genannte „weiße Liste“ zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann! Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwor- tet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. „Fort, nur fort aus diesem zusammengebrochenen Land!“ Die Bücherverbrennung war jedoch nur die spektaku lärste Aktion eines allgemeinen Kampfes gegen die Literatur. Verlage und Buchhandlungen erhielten Druck- und Verkaufsverbote. Die Zensurbehörde der „Reichsschrifttumskammer“ kontrollierte im Jahr 1940 2.500 Verleger, 23.000 Buchhandlungen, 20.000 Neu erscheinungen und über eine Million im Handel be findlicher Titel. „Schwarze Listen“ vermerkten die missliebigen Autoren und Autorinnen. Zur geistigen Bedrohung kam bald die existenzielle. In den Jahren nach der NS-Machtübernahme flohen mehr als 2.000 Autorinnen und Autoren ins Exil, 1.000 von ihnen be reits 1933. Österreichische Dichterinnen und Dichter emigrierten ab 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs. Hitlerjugend bei der Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz am 30. April 1938 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv
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