Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
339 Literatur zwischen 1925 und 1945 Mascha Kaléko Inventar 1 Haus ohne Dach Kind ohne Bett Tisch ohne Brot Stern ohne Licht. 2 Fluss ohne Steg Berg ohne Seil Fuß ohne Schuh Flucht ohne Ziel. 3 Dach ohne Haus Stadt ohne Freund Mund ohne Wort Wald ohne Duft. 4 Brot ohne Tisch Bett ohne Kind Wort ohne Mund Ziel ohne Flucht. Hans Schmeier Heimweh Manchmal, wenn ich durch London geh, irgendwo im Nebel steh, ist mir zum Weinen. Manchmal tut das Fremdsein weh, wenn ich mein Wien vor den Augen seh mit den buckligen Pflastersteinen. ■■ Vergleichen Sie die Sprache und Form der drei Gedichte, benennen Sie die dominierenden Stilmittel von „Inventar“. ■■ Erläutern Sie, welcher Text am abstraktesten bleibt, welcher Text konkrete Probleme des Exils anspricht. ■■ Untersuchen Sie, in welchem Gedicht sich eine besonders resignativ-traurige Stimmung zeigt, in welchem die Hoffnung auf ein Ende der NS-Diktatur. ■■ Erläutern Sie in Kramers Gedicht den historischen Hintergrund von Vers 2 f. , interpretieren Sie Vers 16 f. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 2 4 6 Aufgabe Die innere Emigration Anders als die ins Exil geflohenen Autoren und Auto rinnen versuchten manche durch eine „Emigration nach innen“ als „geistige Opposition“ Widerstand zu leisten. Sie wollten mit ihrer Literatur die Menschen in Deutschland ermutigen, indem sie in der Natur, der christlichen Religion und im klassisch-humanistischen Erbe eine Alternative zur NS-Ideologie sahen und be schrieben. Jede offene Kritik am Regime aber verbot die Zensur. Deshalb praktizierten die kritischen Auto ren/Autorinnen, die im Land bleiben wollten, die Kunst des „Zwischen-den-Zeilen-Schreibens“ und der Anspie lungen. So wurden zum Beispiel historische Romane verfasst, deren negative Figuren als Hitler interpre tiert werden konnten. Diese Tarnung der Kritik barg jedoch das Risiko, dass die Aussagen nicht als aktu ell-politische verstanden wurden. Nach dem Ende des Krieges kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen „inneren Emigranten“ und Exilautoren. Der in Deutschland gebliebene Autor Frank Thieß, von dem der Begriff „innere Emigration“ stammt, attackierte nach dem Ende des Krieges die Exilautoren/-autorin nen heftig und pauschal, ohne die schwierige Situa tion der Emigranten zu berücksichtigen: Auch ich bin oft gefragt worden, warum ich nicht emigriert sei, und konnte immer nur dasselbe antworten: falls es mir gelänge, diese schauerliche Epoche (über deren Dauer wir uns freilich alle getäuscht hatten) lebendig zu überstehen, würde ich dadurch derart viel für meine geistige und mensch liche Entwicklung gewonnen haben, dass ich reicher an Wissen und Erleben daraus hervorginge, als wenn ich aus den Logen und Parterreplätzen des Auslands der deutschen Tragödie zuschaute. […] Auch möchte ich nebenher erwähnen, dass viele von uns schon deshalb nicht emigrieren konnten, weil sie wirt- schaftlich außerstande waren. 2 4 6 8 10 12 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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