Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
388 Wir sahen Tränen seine Wangen hinunterrinnen und auf die Tasten fallen, die er, naß wie sie waren, in stark dissonantem Akkorde anschlug. Dabei öffnete er den Mund, wie um zu singen, aber nur ein Klagelaut, der mir für immer im Ohre hängengeblieben ist, brach zwischen seinen Lippen hervor; er breitete, über das Instrument gebeugt, die Arme aus, als wollte er es da- mit umfangen, und fiel plötzlich, wie gestoßen, seit- lich vom Sessel hinab zu Boden. (In Originalschreibung) ■■ Fassen Sie den Ausschnitt zusammen, beschreiben Sie, welche Gründe für den Pakt mit dem Teufel Leverkühn anführt, wann der Pakt erfüllt ist und woran man den Bund mit dem Teufel erkennt. ■■ Beschreiben Sie die Sprache Leverkühns und interpretieren Sie die Äußerung des Dr. Kranich. Der Weg zur Selbstzerstörung 1905 war Leverkühn nach Leipzig gezogen, um dort Musik zu studieren. Bald nach seiner Ankunft hatte er sich von einem Fremdenführer die Sehenswürdigkei ten der Stadt zeigen lassen und dann, weil er hungrig war, nach einem Gasthaus gefragt. Doch der Fremden führer setzte ihn vor einem Bordell ab. Der sexuell völ lig unerfahrene Student geriet in Verlegenheit, steuer te auf das im Raum befindliche Klavier zu und schlug ein paar Akkorde an. Eine Prostituierte berührt ihn leicht am Arm. Ein Jahr später sucht er sie auf und gibt ihr den Namen Esmeralda – „Smaragd“. Adrian lässt sich von Esmeralda bewusst und trotz deren Warnung mit Syphilis infizieren. Er verspricht sich durch diese „schöpferische, Genie spendende Krankheit, die hoch zu Roß die Hindernisse nimmt, in kühnem Rausch von Fel- sen zu Felsen sprengt, tausendmal dem Leben lieber ist als die zu Fuß latschende Gesundheit“ , alle „Lahmheit vergessen und hoch illuminiert über sich selbst hinaus- steigen“ zu können. So möchte er unendliche musikali sche Schöpferkraft erlangen und neue, die alte klassi sche Harmonie sprengende Musikwerke schreiben. Der Pakt mit dem Teufel und dessen Bedingungen Nach Adrian Leverkühns Tod fallen seinem Biografen Serenus Zeitblom dessen Aufzeichnungen über eine Teufelserscheinung in die Hände. Der Satan habe sich als Zuhälter von Esmeralda ausgegeben und Leverkühn erklärt, dieser habe durch die Verbindung mit Esmeral da einen Vertrag mit ihm geschlossen; der Koitus mit Esmeralda sei die Taufe gewesen. Der Inhalt des Ver trags: Der Teufel gibt Leverkühn 24 Jahre „große Zeit, tolle Zeit, ganz verteufelte Zeit, in der es hoch und über- hoch hergeht, – und auch wieder ein bißchen miserabel natürlich, sogar tief miserabel. Aufschwünge liefern wir […], Erfahrungen von Enthobenheit und Entfesselung, von […] Leichtigkeit, Macht- und Triumphgefühl.“ Lever kühn muss dem Teufel seine Seele vermachen und: „Lie- be ist dir verboten, insofern sie wärmt. Dein Leben soll kalt sein – darum darfst du keinen Menschen lieben.“ Auch wie die Hölle ist, erfährt Leverkühn. Sie ist ein schalldichter Keller, in dem alles aufhört, „jedes Erbar- men, jede Gnade, jede Schonung, jede letzte Spur von Rücksicht“ . In seinen Tagebüchern vermerkt Mann den Namen dieser Hölle: „Gestapokeller“ . ■■ Vergleichen Sie Paktschließung, Paktbedin gung und Paktinhalt mit den entsprechenden Fakten in Goethes „Faust I“. ■■ Erläutern Sie die Absicht, die Mann mit der Bezeichnung der Hölle hegt. Schon zu Lebzeiten ist der Preis hoch Der Teufel hält Wort. Vierundzwanzig Jahre werden Le verkühn gegeben, um einzigartige Werke zu komponie ren. Der Teufelspakt verhilft ihm zum Durchbruch, die großen genialen Werke entstehen. Der teuflische Preis dafür ist ein Leben in völliger Einsamkeit, die Unfähig keit zu Gemeinschaft, Freundschaft und eben jeder Art von Liebe. Das Teuflische triumphiert überall. Die Schwester Leverkühns, der inzwischen in Bayern lebt, erkrankt. Leverkühn holt deren jüngsten, fünfjährigen Sohn zu sich, damit er sich in der gesunden bayerischen Landluft von den eben überstandenen Masern erholen könne. Leverkühn, aber auch das ganze Dorf empfinden sofort eine tiefe Zuneigung zu dem Kind. Obwohl Lever kühn sich immer wieder zwingt, seinen anhänglichen Neffen nicht zu oft und zu nahe an sich herankommen 55 60 Aufgabe Aufgabe 5. Faust-Fenster Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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