Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

402 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt schriften zu befreien. Lösungen bietet das Schock­ theater keine, es wirft Fragen auf. Wer ist die Sau? Die Sau in „Sauschlachten“ ist der Bauernsohn Valen­ tin, genannt Volte. Sein größtes Manko in der Dorfge­ sellschaft: Er ist nicht der leibliche Sohn des Bauern, sein Vater ist ein Russe. Valentins Protest: Er schließt sich aus der Sprache des Dorfes aus, seine Sprechakte beschränken sich aufs Grunzen. Die Familie ist froh, wenn er wegkommt, das Dorf auch. Die Lösung Der Pfarrer, der Notar, der Lehrer, der Arzt werden zu Hilfe gerufen. Sie finden den Ausweg. Bauer: Herr Notar, Herr Lehrer, was is denn in so ein Fall zu machen? Lehrer: Fragens mich net. Ich bin kein Tierarzt, sondern Lehrer. Ich weiß zwar, wie man jungen Menschen Zucht und Ordnung beibringt, aber auf Schweinezucht versteh ich mich absolut net. Rechtsanwalt: Vor dreißig Jahren, mein Lieber, hätt ich Ihnen noch mit Taten zur Seite stehen können, heut ist mir ja nur mehr ein Rat erlaubt. Bauer: Und was tat uns der Herr Notar raten, wenn i fragen darf? Rechtsanwalt: Machens das, was wir vor dreißig Jahren mit solchen Individuen gemacht hätten. Bauer: Und was hat der Herr Notar seinerzeit mit solche Individuen gemacht? Rechtsanwalt: Was ich damals gemacht habe? Nix, nichts, Tonhofbauer. Da müssen Sie sich an unseren lieben Doktor wenden, der war für sowas zuständig. Bauer (zum Arzt) : Herr Doktor, sagens mir die Krankheit vom Volte, mir is jede Behandlung recht. Doktor: Tonhofbauer, ich hab Ihnen schon oft genug gesagt, Ihrem Sohn Valentin, dem fehlt nix! Bauer: Dann … dann … Herr Doktor … is er ein gesunder Mensch, Herr Doktor? Doktor: Mein lieber Tonhofer, wir Mediziner können feststellen, was ein gesunder und ein kranker Organismus ist … falls Sie mich verste- hen können? Bauer: Doch, doch … Doktor: Was hingegen ein gesunder oder kranker Mensch is […] ja, was ich sagen wollte, Tonhof- bauer, Ihr Sohn is gesund, pumperlgsund, aber Ihre Kühe, Ihre Hühner … Ihre Schweine, die sind doch auch gesund … pumperlgsund, oder? Bauer: Doch, doch … mein Viehbestand ist gesund- heitlich … is gesund, alles. Doktor: Sehen Sie, dasselbe gilt für Ihren Sohn. Auch er ist ‚gsund‘. Bauer: Aber … aber … er redt ja nix!?! Doktor: Reden Ihre Küh? Ihre Schwein vielleicht? Bauer: Na!! Um Gottes willen, na! Aber … de stech i ja ab!?! (Der Doktor hebt die Achseln.) Knecht: Er sagt, wies is. Pfarrer: Meine Brüder, meine Herrschaften! Ich hab mir die ganze Sache angehört, das ganze Für und Wider, und muss sagen … ja, was wollt ich sagen? Wie stehts doch so schön in der Genesis … Knecht (unterbricht ihn) : In was, bittschön? Bauer: Halt die Goschen, wennst net Lateinisch kannst! Wenn der Herr Hochwürden die unfeine Bemerkung vom Knecht entschuldigen möcht. Pfarrer: Macht euch die Erde untertan! Herrschet über des Meeres Fische, über des Himmels Vögel und über alle Lebewesen, die auf Erden wimmeln! Knecht: Wann er wenigstens nur wimmeln tat, wie Hochwürden so schön sagt, aber er grunzt ja a. (Valentin grunzt.) Pfarrer: Dieser, dieser Dingsda ist ein … wir alle sind Geschöpfe Gottes. Gott sprach, die Erde zeuge Lebewesen, je nach ihrer Art: Vieh, Ge- würm und das Wild. […] Rechtsanwalt: Juridisch könnte man da vielleicht von einer subhumanen Erscheinungsform sprechen, wenn das Ganze strafrechtlich über- haupt in Frage kommt. Pfarrer: Gott liebt alle seine Geschöpfe. Bäuerin: Mein Gott, Herr Hochwürden, könnt der liebe Gott dann net unseren Volte zu sich auffe­ nehmen, mir mögen ihn gar net mehr. […] (Valentin grunzt.) Pfarrer: … ja, was wollt ich denn geschwind sagen? (Valentin grunzt) Pfarrer: … am Anfang war das Wort (Valentin grunzt.) Pfarrer: … der Kerl macht mich ganz nervös! Bauer: Hochwürden, mir sind a alle nervlich schon total hin, was, Mama? Doktor: Lieber Pfarrer, ich glaub, Sie sollten der geplagten Familie sagen, was nun eigentlich zu tun is. Pfarrer: Ja, für was red ich denn die ganze Zeit? Perlen vor die Säue … (Valentin grunzt.) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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