Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
420 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt meine Diätsünden in der Nacht, und wie sie einem zureden, etwas zu essen, die, die nur dünne Frauen wollen, die sagen dann immer, man soll doch etwas Ordentliches essen, ganz eindringlich sagen sie das, der Kurt hat die Catrina verlassen, weil sie ihm zu dick geworden ist, sagt sie, und er sagt immer, dass er Frauen nicht mag, die nichts essen, am besten wäre es, man würde immer nur essen, wenn andere da sind, ich esse ja erst, seit ich allein in der Wohnung sitze, ohne Kontrolle, ich muss niemandem sagen, dass ich jetzt etwas esse und warum […] […] und wo ist die Kleiderbürste, warum sind diese Flankerln auf der Jacke, wie kommen diese, ja, das ist vom weißen Angorapullover, das muss vom weißen Angorapullover kommen, die Flankerln bleiben im Mantel innen hängen und dann auf der Jacke, die kannst du nicht anziehen, doch den Rock und die lila Strümpfe und jetzt wird es richtig eng, oder die pink, die gehen beide, pink, und da komme ich gerade pünktlich hin, da gehe ich erst nachher zur Tanja, und beeil dich, da müssen die Augen noch betont werden, da reicht das nicht, und dann die Jacke, sonst kommen auf den Pullover auch die Angorafluseln, weil ich die Angorapullover nicht ins Tiefkühlfach lege, weil ich da Maple Walnut und Baccio liegen habe, weil ich da meine Sünden aufbewahren muss, weil da Großpa- ckungen Viennetta und Cremissimo liegen müssen, da sollten die Angorapullover liegen und dann gäbe es keine Fressorgien in der Nacht und keine Figurängste, ich hätte mich nicht angezogen, heute Nacht, und wäre zu einer Tankstelle gefahren, oder zum Bahnhof und hätte eingekauft, und dann wäre ich schon auf demWeg, aber ich kann ja mit dem Auto fahren, das geht sich alles aus, und es schaut lustiger aus, und sogar erwachsener, irgendwie schaut es so nach großer Schwester aus, nette große Schwester von einem besonders süßen kleinen Mädchen in Oilily, […] das ist ohnehin besser, […] und übermorgen sollte ich wieder laufen gehen, so wie das heute gelaufen ist, das muss sich ändern, ich muss wieder eine Kondition, das war ja richtig depressiv, wie ich mich da entlang- geschleppt habe, das ist Besorgnis erregend, das ist richtig Besorgnis erregend, zu Sylvester schlafen, beim Laufen nur schnaufen, nächtliche Eisorgien, leichter Sexekel, ja, eigentlich graust mir, ein bisschen graust mir davor, irgendwie ist das gerade nicht meins, und ist dieser Lippenstift o.k., oder ist der zu blass, der ist zu blass für den Pullover, da ist der cool red besser, mein Gott, jetzt war das auch noch das letzte kleenex, mit den bellawa-Wattebauscherln, wunderbar, da sind jetzt auch noch Flankerln um den Mund, weiße Flankerln, überall weiße Flankerln, löst sich meine schöne Seele auf, in weiße Flankerln und ist ja dann doch Schmutz, so, der dunkle, das ist besser, oder alles weg, und nur foundation und ein Hauch Terracotta um die Augen, aber dafür ist jetzt keine Zeit und ich bin nicht Cate Blanchett, so sollte man aussehen, besonders, es dürfte nicht einmal klar sein, ob man schön oder hässlich ist, nur besonders […] Kapitel drei: Rechnet Jessica ab? Jessica bekommt Beweise dafür, dass Hollitzer und sei ne Politikerfreunde mit Geldern des Parlamentklubs im Hotel Panhans am Semmering Orgien gefeiert haben. Die „Partnerinnen“: illegal eingeschleuste Frauen aus Osteuropa. Moralische Skrupel kennt Hollitzer nicht, denn „die Frauen, die haben schließlich gut verdient, dass die keine Arbeitserlaubnis in Österreich haben, dass denen jeder Asylantrag abgelehnt werden würde, das muss die Freier ja nicht interessieren, und dass die das nicht so unbedingt freiwillig tun, das hat man ja nicht sehen können“ . Jessica möchte abrechnen, mit Hollitzer als Mann und als Politiker. Die beste Methode scheint ihr eine Veröffentlichung in den Medien. Doch die Life style-Zeitschrift, für die sie arbeitet, hat sich der totalen „Publikumshurerei“ verschrieben, und das „Spannends- te, was sie in ihrem Blatt da bringen kann, ist, wenn sich in einer Chanel-Boutique ein Versace-Gürtel findet“ . Und auch „News“ hat abgelehnt. Ihr einziger Weg, um in die hohe Politik wenigstens „die Erinnerung an Moral“ zu bringen, bleibt ein Flug nach Hamburg, zum Magazin „Stern“. Ob aber der „Stern“ tatsächlich die Skandale bringen wird, lässt Streeruwitz offen. Jessica befindet sich im Landeanflug auf Hamburg, im Begriff einzu schlafen. Das letzte Wort des Romans lautet „und …“ . ■■ Untersuchen Sie, welche Parallelen es gibt zwischen dem Frauenbild von Lifestyle-Maga zinen und dem Rollenbild, dem Jessica nacheifert. ■■ Gliedern Sie die Artikel eines solchen Magazins, etwa einer „Woman“-Nummer in Themenbereiche und stellen Sie fest, welche Themen in welchem Ausmaß dominieren! 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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