Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
98 Aufklärung (1720–1770) Lessing setzt seine Kritik praktisch um Wie für Gottsched ist auch für Lessing die moralische Besserung des Publikums eine Aufgabe des Theaters. Anders als Gottsched meint Lessing aber, dass nicht kühles rationales Durchschauen, sondern Furcht und Mitleid die Basis für Verhaltensänderungen sind. Das Mitleid mit den Personen des Stücks und Furcht, das selbe Schicksal zu erleiden wie sie, könne zur „Kathar sis“ führen, der inneren, seelischen „Reinigung“. Mit den „bürgerlichen Trauerspielen“ „Miß Sara Sampson“ und „Emilia Galotti“ (2) wollte Lessing dies zeigen. Sie gehören mit der Komödie „Minna von Barnhelm“ und dem Drama „Nathan der Weise“ (3) zu den vier auch heute noch regelmäßig auf den Spielplänen stehen den Dramen der Aufklärung. Auch für ein von Wander bühnen, Adel und Zensur möglichst unabhängiges Theater setzte sich Lessing ein. 1767 wurde von ihm in Hamburg der erste Versuch gestartet, ein solches deutsches „Nationaltheater“ zu gründen. Das große Thema des Romans: der Mensch auf dem Weg zur Humanität Ein Adeliger genießt kraft seiner Geburt Ansehen und Einfluss. Anders ist die Lage der Nichtadeligen. Nur durch Leistung, Bildung und vorbildlichen Lebenswan del können sie sich Geltung verschaffen. Die Schilde rung der inneren Entwicklung des Menschen zu einem Wesen, das für die Gemeinschaft tätig ist und sich trotzdem seine persönliche Freiheit bewahrt, wird auch das Hauptthema des Romans der Aufklärung. Natürlich sucht das Romanpublikum auch Unter haltung. Deshalb wird der Held der Romane häufig auf Reisen geschickt, wo er Abenteuer und Schicksale er lebt, bei denen er seinen Charakter beweisen kann. Der bedeutendste Roman dieser Epoche, die „Ge- schichte des Agathon“ von Christoph Martin Wieland (1733–1813) (4) , begründet zugleich die Tradition des deutschen „Bildungsromans“. Der Leseraum 1 „Ein Verstand wie ein geschliffenes Rasiermesser“ Georg Christoph Lichtenberg: „Die Sudelbücher“ (ab 1765) Scharfe Details Lichtenberg, Universitätsprofessor für Mathematik und Physik, ist ein genauer Beobachter von Details. Wie die Menschen reden, denken, handeln, das inter essiert ihn. Seine Beobachtungen verdichtet er zu scharfen Analysen. Die Wertschätzung Lichtenbergs zieht sich durch die Jahrhunderte. Der Philosoph Fried rich Nietzsche meinte, Lichtenberg „verdient, wieder und wieder gelesen zu werden“ , der Sprachkritiker Karl Kraus behauptete, „Lichtenberg gräbt tiefer als irgend- einer“ , und der Satiriker Kurt Tucholsky nannte ihn ei nen „Kerl […], der einen Verstand gehabt hat wie ein scharf geschliffenes Rasiermesser, ein Herz wie ein Blu- mengarten, ein Maulwerk wie ein Dreschflegel, einen Geist wie ein Florett“ . Im Mittelpunkt der heutigen An erkennung stehen die „Sudelbücher“, eine Sammlung tausender Aphorismen, die erst nach seinem Tod ent deckt wurden. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl: J. C. Krüger, Porträt Georg Christoph Lichtenberg, Kupferstich, 18. Jh. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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