Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
99 Aufklärung (1720–1770) 1. Der Mensch liebt die Gesellschaft, und sollte es auch nur die von einem brennenden Rauch kerzchen sein. 2. Ist es nicht sonderbar, dass die Menschen so gerne für die Religion fechten und so ungerne nach ihren Vorschriften leben? 3. Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, so kann freilich kein Apostel heraussehen. 4. Ich bin überzeugt, man liebt sich nicht bloß in andern, sondern hasst sich auch in andern. 5. Es ist sehr gefährlich, […] in Dingen Recht zu haben, wo große Leute Unrecht haben. 6. Es gibt für mich keine gehässigere Art Menschen als die, welche glauben, dass sie bei jeder Gelegen- heit […] witzig sein müssten. 7. Es gibt Leute, die so wenig Mut haben etwas zu behaupten, dass sie sich nicht getrauen zu sagen, es wehe ein kalter Wind, so sehr sie ihn auch fühlen möchten, wenn sie nicht vorher gehört haben, dass es andre Leute gesagt haben. 8. Glauben Sie, dass es je in der Welt anders war als jetzt? Glauben Sie, dass Schlehen-Hecken Orangen getragen haben? Nein. Gut, und Sie glauben, dass es Menschen gegeben habe, die Gottes Sohn gewesen? Ja! O du gerechter Gott, wohin kann dein Geschenk, die Vernunft, sinken? Was für ein schwaches Werkzeug die Vernunft ist! 9. Glaubt ihr denn, dass der liebe Gott katholisch ist? 10. In Hannover logierte ich einmal so, dass mein Fenster auf eine enge Straße ging […]. Es war sehr angenehm zu sehen, wie die Leute ihre Gesichter veränderten, wenn sie in die kleine Straße kamen, wo sie weniger gesehen zu sein glaubten, so wie einer hier pisste, der andere sich dort die Strümpfe band, so lachte der eine heimlich, und schüttelte der andere den Kopf. Mädchen dachten mit einem Lächeln an die vorige Nacht und legten ihre Bänder zu Eroberungen auf der nächsten großen Straße zurecht. 11. Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat. 12. Wie glücklich würde mancher leben, wenn er sich um anderer Leute Sachen so wenig bekümmerte als um seine eigenen. ■■ Ordnen Sie die zitierten Aphorismen jeweils in eine der folgenden Kategorien ein: Religionskritik, politische Kritik, menschliche Schwächen und Skurrilitäten, Denken und Bildung, Kritik an Vorurteilen, mangelnde Persönlichkeit. Sollten Sie für Ihre Zuordnung neue oder andere Kategorien benötigen, führen Sie diese ein! ■■ Arbeiten Sie in Gruppen und vergleichen Sie Ihre Zuordnung mit denen der anderen Gruppen. 2 „Wer über gewisse Dinge nicht den Verstand verliert, der hat keinen zu verlieren.“ Gotthold Ephraim Lessing: „Emilia Galotti“ (1772) Das Motiv: Ein Vater tötet seine Tochter Lessings bürgerliches Trauerspiel nimmt ein Motiv des römischen Historikers Livius auf. Die jungfräuliche Rö merin Verginia wird von ihrem Vater getötet, der darin den einzigen Weg sieht, sie vor der Verführung durch den mächtigen Adeligen Appius Claudius zu bewah ren. Die Opferung Verginias führt zu einer Revolution des Volkes gegen den Adel. Lessing versetzt das Motiv in seine Zeit, allerdings nicht nach Deutschland, son dern als Schutz vor Zensur und Verbot nach Italien. Der Inhalt: die Willkür des Adels und die Chancen losigkeit des Bürgermädchens Die Handlung spielt zwischen Morgen und Abend ei nes einzigen Tages. Prinz Gonzaga, liiert mit der Gräfin Orsina, verliebt sich in die Bürgerstochter Emilia Ga lotti, deren Bild er gesehen hat. Emilia ist mit dem Gra fen Appiani verlobt. Marinelli, der Sekretär des Prin zen, lässt mit dessen unausgesprochenem Einver ständnis das Paar von „Räubern“ überfallen, Appiani töten, Emilia scheinbar retten und auf das Schloss des Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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