Abenteuer in aller Kürze! – eine Zusammenfassung planen Besprecht in Gruppen von drei bis vier Personen, was ihr über die Textsorte „Zusammenfassung“ wisst. Beachtet die Leitfragen: • In welchen Situationen seid ihr auf Zusammenfassungen gestoßen oder habt selbst eine geschrieben? • Was ist der Nutzen einer Zusammenfassung? • Wie hilft sie euch oder anderen? Lies den gekürzten Prolog [= Einleitung, Vorwort] des Fantasy-Romans „Das hungrige Glas“ des deutschen Autors Heiko Hentschel aus dem Jahr 2019. Markiere unbekannte Wörter. Kläre ihre Bedeutung mit deinem Wörterbuch oder durch Internetrecherche. Heiko Hentschel: Das hungrige Glas 1 C AH, S. 61/2 2 Der Nebel war dick wie Bohnensuppe. Er kroch in jeden Winkel der Stadt Riddersiel und hielt den Hafen fest im Griff. Sämtliche Anwohner und Schutzmänner waren am 18. November des Jahres 1811 auf den Beinen. Sie suchten im Morgengrauen die Straßen mit Spürhunden ab. Kein Winkel wurde ausgelassen, keine Nische übersehen. Heisere Stimmen riefen Namen. Mädchennamen. Begonnen hatte es vor einem Monat. Da verschwand das erste Mädchen. Mitten in der Nacht. Spurlos. Seitdem war kaum ein Morgen vergangen, an dem die Liste vermisster Mädchen nicht stetig angewachsen wäre. Die Stadtwache zählte nunmehr über dreißig Familien, deren Töchter wie vom Erdboden verschluckt waren. Und heute, in den frühen Morgenstunden, war der Liste ein weiterer Name hinzugefügt worden: Sophie Albrecht. Greta Albrecht rannte. Schon seit Tagen hatte sie beunruhigende Geschichten aus der Nachbarschaft gehört. Erst gestern hatte ihr die Nachbarin Frau Weber unter Tränen erzählt, dass ihre Nichte in der Nacht zuvor verschwunden sei. Greta war die Angst um ihre Tochter Sophie durch Mark und Bein gefahren. Jetzt verfluchte sie sich. Sie lief vorbei an durchweichten Säcken mit Kohle und Getreide. Der Nebel hüllte alles ein und verlieh selbst den einfachsten Dingen etwas Gespenstisches. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 In den vergangenen zwei Wochen hatte Greta auf der Straße immer wieder Getuschel gehört. Die Menschen hatten in den Nächten etwas gesehen. Dunkel und groß, mit riesigen Flügeln. Ein Ungeheuer. Humbug! Da, ein Geräusch! Ein Rascheln hinter einer Kiste. Ein Schatten löste sich und schlich durch den Nebel. Greta lief hinterher, aber bereits nach wenigen Metern blieb sie wie angewurzelt stehen. Der gewaltige Bug eines Schiffes ragte, spitz wie ein Dorn, über ihr aus dem Nebel hervor. Zahlreiche Verzierungen und Schnitzereien waren in den Rumpf eingelassen, der wie dunkler Samt schimmerte. Doch irgendetwas wirkte seltsam falsch. Greta brauchte einen Moment, um es zu verstehen. Das finstere Holz schien sämtliche Helligkeit aus der Umgebung in sich aufzusaugen. Wie ein schwarzer Fleck verschlang das Schiff das fahle Licht der Morgendämmerung und gab es nicht wieder her. Direkt vor ihr stand plötzlich ein Mann wie eine Statue im Nebel. Er trug einen langen, dunklen Mantel, dessen Kragen hochgeschlagen war, bis über Mund und Nase. Zwei bernsteinfarbene Augen funkelten wie Perlen unter einem Schlapphut hervor. »Grundgütiger, Sie haben mich erschreckt, mein Herr.« Greta senkte die Laterne. »Ich suche meine Tochter. Sie heißt Sophie. Haben Sie sie gesehen? Ein kleines Mädchen von sechs Jahren, mit flammend roten Haaren.« »Nein.« Die Antwort klang gedehnt. Er wandte 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 116 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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