Leseheft Peter Ernst Treffpunkt 3 Deutsch
Treffpunkt Deutsch 3 – Deutsch Sprachlehre, Leseheft + E-Book Schulbuchnummer: 220310 Treffpunkt Deutsch 3 – Deutsch Sprachlehre, Leseheft E-Book Solo Schulbuchnummer: 220315 Mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 2. Mai 2025, GZ 2023-0.757.033, gemäß § 14 Absatz 2 und 5 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/86, und gemäß den derzeit geltenden Lehr- plänen als für den Unterrichtsgebrauch für die 3. Klasse an Mittelschulen und an allgemein bildenden höheren Schulen Unterstufe im Unterrichtsgegenstand Deutsch (Lehrplan 2023) geeignet erklärt. Dieses Werk wurde auf der Grundlage eines zielorientierten Lehrplans verfasst. Konkretisierung, Gewichtung und Umsetzung der Inhalte erfolgen durch die Lehrerinnen und Lehrer. Liebe Schülerin, lieber Schüler, du bekommst dieses Schulbuch von der Republik Österreich für deine Ausbildung. Bücher helfen nicht nur beim Lernen, sondern sind auch Freunde fürs Leben. Kopierverbot Wir weisen darauf hin, dass das Kopieren zum Schulgebrauch aus diesem Buch verboten ist – § 42 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz: „Die Befugnis zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch gilt nicht für Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind.“ Umschlagsillustration: Thomas Przygodda, Langenhagen 1. Auflage (Druck 0001) © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2025 www.oebv.at Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch auszugsweise, gesetzlich verboten. Schulbuchvergütung/Bildrechte: © Bildrecht GmbH/Wien Redaktion: Magdalena Eybl-Vyhnanek, Wien Herstellung: Andrea Maria Fellner, Wien Umschlaggestaltung: normaldesign GbR, Schwäbisch Gmünd Layout: Maria Becker, normaldesign GbR, Schwäbisch Gmünd Illustrationen: Thomas Przygodda, Langenhagen Satz: CMS – Cross Media Solutions GmbH, Würzburg Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Horn ISBN 978-3-209-11697-0 (Das Treffpunkt Deutsch LH 3 + E-Book) ISBN 978-3-209-13339-7 (Das Treffpunkt Deutsch LH 3 E-Book Solo) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Peter Ernst Treffpunkt 3 Deutsch Leseheft www.oebv.at Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
2 Inhaltsverzeichnis Medien – Lesestrategien und Lesetechniken trainieren Sinnentnehmende Lesestrategien – einen Text durch Schlüsselwörter und Fragen erschließen 4 Teste dich selbst 10 Ritter und Städte – Sachtexte von Dichtungen unterscheiden Sachtexte über die Ritterzeit – Informationen gewinnen 12 Ritterliche Tugenden – Klischees erkennen 16 Leben im Mittelalter: faszinierend oder finster? – Texte einordnen und vergleichen 18 Teste dich selbst 22 Theater – Texte darstellen Sprachen machen Leute – die Sprache eines Dramas untersuchen 24 Diktator, Ideologie und Euphemismus – den Gehalt eines Dramas erschließen 30 Das Drama beginnt – ein Stück vorbereiten 34 Erzählungen – Fakten und Fiktion Gruselgeschichten – Spannung erzeugen 36 Jugendbücher – zwischen Kindsein und Erwachsenwerden 40 Schwere Entscheidung – Handlungsmotive erkennen und überprüfen 42 Teste dich selbst 46 Gedichte – die Welt in gebundener Sprache Die vier Jahreszeiten – lyrische Gestaltungsmöglichkeiten kennenlernen 50 Erlebnisse bei Sturm und Frost – Herbst- und Wintergedichte 52 Mensch und Natur – eine Ballade inhaltlich erschließen 54 Die Macht der Natur – eine Ballade sinnbetont vortragen 56 Rettung aus höchster Not – den Inhalt einer Ballade wiedergeben 58 Teste dich selbst 60 Lösungen 62 Text-/Bildquellenverzeichnis 63 1 2 3 4 5 Diese Aufgaben helfen dir, den Lernstoff zu erarbeiten, anzuwenden und zu festigen. Diese Aufgaben sind komplexer und fordern dich heraus. Hier kannst du dein Wissen vertiefen. Diese Aufgaben solltest du im Heft lösen. 1 1 N Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
3 1 Medien – Lesestrategien und Lesetechniken trainieren Texte können einfach und klar, aber auch komplex und schwierig zu lesen sein. Vor allem so genannte Fachtexte zu einem bestimmten Gebiet, zum Beispiel Technik, Geschichte, Biologie u.a.m., müssen erst „entschlüsselt“ werden, da sie nicht nur eine gewisse Fachkenntnis voraussetzen, sondern auch ein spezielles Vokabular verwenden. Um den Inhalt eines Textes schneller erfassen zu können, gibt es verschiedene Hilfsmittel und „Tricks“. Hier lernst du einige davon kennen. In dieser Buchstabenanordnung sind in waag- und senkrechter Leserichtung fünf Wörter versteckt, die Erfindungen bezeichnen. Schreibe sie auf die Zeilen unten. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
4 Mit den folgenden Lesestrategien kannst du den Sinn eines Textes leichter erschließen: Schlüsselwörter markieren und Notizen machen In diesem Text sind bereits wichtige Schlüsselwörter markiert und am Textrand wesentliche Inhalte zusammengefasst: Textinhalte grafisch darstellen Schlüsselwörter markieren und Notizen machen Textstrukturen mithilfe von Wortarten erkennen Sich einen Text erschließen Größere Sinneinheiten erfassen 1. Abschnitt: • Mittelalter: Texte vorrangig gehört • wenige Menschen können lesen • öffentliche Lesungen • Bitte, gut zuzuhören 2. Abschnitt: • Bücher werden laut vorgelesen • Wortsinn musste besonders markiert werden • unterschiedliche Laufrichtung der Augen • Abendland: von links nach rechts/von oben nach unten Bis in die frühe Neuzeit gingen Autoren und Schreiber davon aus, dass ihre Leser den Text vorrangig hören würden. Schließlich wurden die Worte auch bei der Niederschrift laut mitgesprochen. Da nur wenige Menschen lesen konnten, waren öffentliche Lesungen üblich, und aus diesem Grunde ergeht in mittelalterlichen Texten wiederholt die Bitte , einer Geschichte Gehör zu schenken . Da Bücher hauptsächlich laut vorgelesen wurden, musste für die Vorlesenden das sinnbetonende Lesen durch besondere Markierungen , etwa Großbuchstaben oder Vorformen unserer heutigen Zeichensetzung, hervorgehoben werden. Die Laufrichtung , der die Augen folgen mussten, unterscheidet sich je nach Ort und Zeitalter ; die Leserichtung, der wir heute in der abendländischen Welt folgen – von links nach rechts und von oben nach unten –, gilt keineswegs universell. Einige Schriften werden von rechts nach links gelesen (Hebräisch und Arabisch), andere in Kolonnen von oben nach unten (Chinesisch und Japanisch). Sinnentnehmende Lesestrategien – einen Text durch Schlüsselwörter und Fragen erschließen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Lesestrategien und Lesetechniken trainieren 5 Überprüft die Markierungen und Randnotizen: Gibt es Begriffe, die ihr nicht unterstrichen oder welche, die ihr zusätzlich markiert hättet? Fassen die Randnotizen den Inhalt sinnvoll zusammen? Ergänzt, wenn ihr es für notwendig haltet. Schreibe einen kurzen Merktext mithilfe der Markierungen und Randnotizen. Größere Sinneinheiten erfassen Beim Lesen fallen uns nicht so sehr einzelne Wörter, sondern auch größere Einheiten auf, die aus inhaltlich zusammenhängenden Wortkomplexen bestehen. Sehr oft handelt es sich dabei um adjektivische oder substantivische Zusätze (Zusätze mit Eigenschaftswort oder Hauptwort), z.B. innerhalb des letzten Jahrzehnts, das Lesepublikum von Tageszeitungen, die großen Verlagshäuser. Unterstreiche die über dem Text angegebenen Wortkomplexe im Text. C 1 2 N 1 angefacht durch die Corona-Pandemie spielend leichte Herstellungsmethoden vor der Jahrtausendwende die Popularität des Hörmediums Der Siegeszug der Podcasts Vor der Jahrtausendwende gab es den Podcast noch nicht. Zwar sind auch damals schon Gesprächs- oder Talkformate im Audioformat verfügbar, die waren aber meist nur auf einer bestimmten Webseite abrufbar und nicht zentral zu abonnieren. Streaming-Anbieter wie iTunes oder Spotify änderten die Spielregeln schnell: 2006 gab es in Deutschland rund 1300 Podcasts, ab 2008 stiegen immer mehr Tageszeitungen oder Fernsehsender ein. Immer bessere Technik, spielend leichte Herstellungsmethoden und Streaming-Abos sorgen in der Folge für einen regelrechten Flächenbrand an neuen Podcasts, folgend weiter angefacht durch die Corona-Pandemie. Entsprechend deutlich sind die Zahlen: Im Jahr 2023 hörten 43 Prozent aller Deutschen zumindest hin und wieder Podcasts. 2016 waren es noch 16 Prozent. Die Popularität des Hörmediums erklärt Saskia Nakari, Medienpädagogische Referentin beim Stadtmedienzentrum Stuttgart so: „Podcasts sind so beliebt, weil sie unglaublich vielseitig sind. Zu wirklich jedem Thema gibt es mittlerweile einen Podcast. Dadurch, dass wir auch Prominenten aus Film, Fernsehen und Internet beim Plaudern über teilweise private Themen lauschen können, steigt auch die parasoziale1 Bindung. Man bekommt das Gefühl, ihnen nah zu sein und sie besser kennenzulernen.“ Ein weiterer Vorteil gegenüber etwa dem Fernsehen sei, dass man sie nebenbei hören könne. „Erwachsene beispielsweise beim Autofahren, Kochen, Putzen oder Sporttreiben.“ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 1 einseitig; nicht interaktiv 20 22 24 26 28 30 32 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
6 Ersetze mit deiner Sitznachbarin oder deinem Sitznachbarn die Wortkomplexe durch Pronomen (er, sie, es etc.) oder Adverbien (damals, daraus etc.). Z. B.: den Podcast 1 ihn vor der Jahrtausendwende: meist nur auf einer bestimmten Webseite abrufbar: Abos sorgen für einen regelrechten Flächenbrand an neuen Podcasts: die Popularität des Hörmediums: Dadurch, dass wir auch Prominenten aus Film, Fernsehen und Internet beim Plaudern über teilweise private Themen lauschen können: Findet weitere größere Sinneinheiten im Text und unterstreicht sie. Z.B.: Gesprächs- oder Talkformate im Audioformat, beim Plaudern über private Themen Textstrukturen mithilfe der Wortarten erkennen Bei der Erschließung eines Textinhaltes kann es hilfreich sein, die Textstruktur zu erkennen. Diese kann zum einen anhand der Gedankenabschnitte erschlossen werden. Zum anderen gibt es Strukturwörter, die Hinweise auf den Aufbau und damit die inhaltliche Strukturierung eines Textes geben. Es gibt unterschiedliche Wortarten, die alle eine bestimmte Funktion besitzen. Wortarten Inhaltswörter Strukturwörter eigenständige, lexikalische (sinnhafte inhaltliche) Bedeutung nicht eigenständige, grammatische (nicht inhaltliche) Bedeutung Substantiv Verb Adjektiv Artikel Präposition Junktion Hilfsverb Himmel, Baum, Freude laufen, staunen, rechnen laut, blau, drei der, die, eine in, auf, nach weil, dass, obwohl; und, oder ist, habe, werden Bild und Bildlichkeit „Was ist ein Bild?“ ist eine seit der Antike immer wieder und gestellte Frage, die sich bis zur Erfindung der Fotografie vor allem an der Malerei entzündete. Einerseits ist ein gemaltes Bild als getreue Nachahmung der Natur verstanden worden, andererseits erschien ein Bild den Menschen immer als etwas Wunderbares, etwas, das ihnen von den Göttern geschenkt wurde. Ein Bild ist deshalb nicht nur einfache Wiedergabe von etwas Vorhandenem, sondern spricht auch allgemeine und spezielle Wünsche und Gefühle an. Bilder sind aber heute nicht mehr so selten wie früher: Die Ausbreitung von Fotografie, Film, Fernsehen und Internet hat zum Eindruck einer „Bilderflut“ beigetragen. B 2 B 3 2 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Lesestrategien und Lesetechniken trainieren 7 Bilder durchsetzen in gewaltiger Weise den Alltag der Menschen und sind damit selbst „alltäglich“ geworden. Die Zusammensetzung von Bildern (z. B. bei der technischen Wiedergabe aus Pixeln) erfordert, dass es eine Betrachterin oder einen Betrachter gibt, der von einem bestimmten Standpunkt aus die einzelnen Bildpunkte als Bildeinheit wahrnimmt. Wer etwa zu dicht vor einem Fernsehapparat sitzt und das Fernsehbild betrachtet, sieht häufig nur die Zeilen und Bildpunkte; wer bei einem gedruckten Großplakat in der Stadt sehr nah vor der Plakatwand steht, sieht oft die einzelnen Rasterpunkte des Bilddrucks, während das Bild als Ganzes zunächst nur schwer erfasst werden kann. Bilder sind somit Gestaltungsmittel, die erst im Kopf der Betrachterin oder des Betrachters entstehen. 8 10 12 14 16 Schreibe in die Tabelle Wörter aus dem Text unter die jeweilige Wortart. Arbeite in deinem Heft. Substantiv Verb Adjektiv Artikel Präposition Junktion Hilfsverb Antik wahrnimmt gemaltes der vor während ist Textinhalte grafisch darstellen Medien verbreiten Der Buchdruck gilt im Allgemeinen als erste „Medienrevolution“, sodass viele metaphorisch von unserem Zeitalter als der „Gutenberg-Galaxis“ sprechen. Allerdings war der Druckvorgang ein höchst komplizierter Vorgang, und trotz mannigfaltiger technischer Weiterentwicklungen sind die Herstellung und Verbreitung von Druckwerken immer noch sehr aufwendig. Vergessen wird dabei oft, dass das Binden von Büchern oft komplexer ist als das Drucken selbst. N 1 […] Hauswirth ist Buchbinder, einer der letzten seiner Zunft. In seiner Werkstatt riecht es nach Holzleim. Schneidewerkzeuge liegen fein säuberlich aufgereiht neben halbfertigen Büchern. Daneben Zwirn, Pappe und Umschlagpapier in allen möglichen Größen und Farben. […] „Für ein schönes Buch nehme ich nur hochwertige Materialien“, sagt der 70-Jährige, greift in eine breite Schublade unter seiner Werkbank und holt einen kunstvoll verzierten Papierbogen hervor. „Mittlerweile werden nur noch wenige Bücher von Hand hergestellt. Wir Buchbinder sterben langsam aus.“ Per Hand dauert die Produktion eines einzigen Exemplars mehrere Tage. Die Seiten müssen mit Nadel und Faden zusammengenäht und geleimt werden. Über Nacht kommt dieser „Buchblock“ zum Trocknen in die Presse. Erst danach werden die Seiten im Einband befestigt und kunstvoll verziert. Jedes Buch komplett durchzulesen – das schafft Hauswirth natürlich nicht. „Aber ich schaue mindestens einmal kurz hinein“, erklärt der Buchbinder, „damit die Verzierungen auf Buchdeckel und Buchrücken auch zum Inhalt passen.“ Wenn es gewünscht wird, prägt er mit zuvor erhitzten, wenige Zentimeter hohen Buchstaben aus Messing einen Titel in das Leder. Oder fügt […] das Kapitalband hinzu, ein kleines, farbiges Bändchen, das an die Ober- und Unterkante des Buchrückens geklebt wird. Für eine solche Liebe zum Detail, wie sie Hauswirth antreibt, bleibt heute nur noch selten Zeit: Bücher werden fast ausschließlich von Maschinen gebunden. Kein Wunder – bei Auflagen von durchschnittlich 4000 Exemplaren müsste ein einzelner Mann lange an der Werkbank stehen. […] 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
8 Das Binden eines Buches Schritt 1 Zusammennähen der Seiten Schritt 2 Leimen der Seiten Schritt 3 … … Zusammennähen der Seiten … Das Binden eines Buches Leimen der Seiten Mind-Map Flussdiagramm Tabelle Wähle eine der grafischen Darstellungsmöglichkeiten aus und vervollständige sie mit den nächsten drei im Text angegebenen Arbeitsschritten. Arbeite in deinem Heft. Besprecht in der Klasse, welche weiteren grafischen Darstellungsformen noch möglich sind. Setze mit deiner Sitznachbarin oder deinem Sitznachbarn die angegebenen Inhaltswörter und Funktionswörter in die passenden Stellen ein. Schlage unbekannte Wörter in einem Wörterbuch nach. Inhaltswörter: verändern Zeitungsverlage Fernsehen festen entwickeln Funktionswörter: ist in neben und mit Medium Fernsehen Das Fernsehen ein junges Medium. Die ersten regulären Fernsehsendungen wurden 1935 ausgestrahlt, seinen Durchbruch erlebte es erst nach dem Zweiten Weltkrieg, den 1950er und 1960er Jahren. Seitdem ist es zu einem Bestandteil unseres Alltagslebens geworden gilt als Leitmedium unserer Gesellschaft. Offen ist aber, wie lange es das noch so geben wird, wie wir es heute kennen. Infolge der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien können bereits heute alle, die das wollen – 1 N C 2 B 3 2 4 6 Inhaltswörter rufen eine bestimmte Vorstellung hervor, die auch ohne die nähere Wortumgebung einen Sinn ergibt. Ihre Bedeutung kann in einem Lexikon nachgeschlagen werden. Strukturwörter helfen, den Sinn in einem Satz zu strukturieren und Beziehungen zwischen Wortumgebungen herzustellen (etwa das Hilfsverb ist in er ist gegangen). Sie tragen also eine grammatische Bedeutung. Merke Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Lesestrategien und Lesetechniken trainieren 9 ob oder andere Unternehmen, ob Politikerinnen bzw. Politiker oder Privatpersonen –, ihre Botschaften mit bewegten Bildern im Internet publizieren. Die Fernsehanstalten haben wiederum ganz neue Möglichkeiten, den traditionellen Programmangeboten zeitgemäße interaktive Angebote zu , was sie ihren Mediatheken, Online-Auftritten und Social-Media-Aktivitäten bereits intensiv tun. Alle diese Entwicklungen werden das Medium Fernsehen erheblich . Bringe die im Text „Medium Fernsehen“ erwähnten Veränderungen in eine zeitliche Abfolge. erste reguläre Fernsehsendungen traditionelle Fernsehsendungen zeitgemäße interaktive Angebote Schlage im Internet den Begriff „Leitmedium“ nach und mache dir in deinem Heft Notizen zu seiner Bedeutung. Stellt euch in einer Gruppe gegenseitig diese Fragen. Es soll jeweils eine Schülerin oder ein Schüler mithilfe des Textes antworten. Als welche Art von Medium gilt das Fernsehen in unserer Gesellschaft? Seit wann gibt es reguläre Fernsehsendungen? Wer kann u.a. Botschaften im Internet publizieren? Welche Arten von interaktiven Programmangeboten werden erwähnt? 8 10 12 N 4 5 N C 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
10 Teste dich selbst Lies den Text genau. Erstelle dann eine Mind-Map zu den genannten Begriffen. Nutze Recherchemöglichkeiten (in Buchform oder im Internet) für weitere Beispiele. Ein Film kann nur Wirklichkeitsausschnitte enthalten 1 Beim Film ist wie beim Foto der Eindruck der Lebensechtheit wegen seiner konkreten Bilder besonders groß. Der Kinobesucher lässt sich relativ leicht dazu verführen, die Darstellung mit dem Dargestellten, das Bild mit dem Abgebildeten gleichzusetzen. Aus der ungeheuren Fülle der Details muss eine Auswahl getroffen werden. So kann ein Verdächtiger sein Aussehen verändern, indem er seinen dichten Bart abrasiert. Dieser Vorgang, der in Wirklichkeit vermutlich eine halbe Stunde dauern würde, wird im Film auf wenige Bilder reduziert, damit die Handlung vorankommt: Zuerst schneidet sich die Person die ersten Haare ab, und gleich darauf sieht man sie mit glattrasiertem Gesicht. So kommt es in den meisten Filmen zu einem ganzen System von Verkürzungen. Viele davon sind auch längst nicht mehr bewusst, weil man sich daran gewöhnt hat. Gleiches trifft auch auf sogenannte „Movie Clichés“ zu, die ebenfalls den Fluss der Handlung aufrecht erhalten, indem sie die Realität vereinfachen. So ist z. B. nie ein Telefon besetzt, wenn jemand anrufen will (außer die Verzögerung dient dem Plot), oder in Gegenden mit dichtem Verkehr wird sofort ein günstiger Parkplatz gefunden. Weiterhin kann ein Film durch Parallelmontage mehrere Vorgänge simultan1 zeigen, aber doch nur in begrenztem Umfang. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 1 simultan = gleichzeitig Bart abrasieren, Verkürzungen Lebensechtheit „Movie Clichés“ Parallelmontage Informiere dich in Büchern oder im Internet zu diesen Fachausdrücken: Plot, Handlung, Montage. Mache dir in deinem Heft kurze Notizen. N 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
2 11 Ritter und Städte – Sachtexte von Dichtungen unterscheiden Vorstellungen vom Rittertum sind heute sehr oft von Klischees1 geprägt. Das Leben eines Ritters war jedoch hart und das Leben auf Burgen unbequem. Im Spätmittelalter verlor der Ritterstand etwa durch die Änderung der Kriegstechnik und die Herausbildung der Städte seine wirtschaftlichen Grundlagen. Von da an lebten dann viele Ritter von Raub und Erpressung. In der Literatur des Hochmittelalters wird das ritterliche Leben oft idealisiert, weil sich das Publikum selbst so sehen wollte. 1 Siehe Seite 16 Finde zu jeder ritterlichen Tugend das passende Symbol, das sich im Bild versteckt, und zeichne es an der richtigen Stelle in das Wappen auf dem Schild. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
12 Blütezeit des Rittertums Frankreich als Vorbild Ritter in Deutschland blickten zur Blütezeit des Rittertums nach Frankreich – wie auch das restliche Europa. Denn in Frankreich wurde erfunden, was vom 12. bis 14. Jahrhundert als schick galt. Französische Dichter beschrieben als Erste, was ein richtiger „Chevalier“, also ein Ritter, ist: wie er aussieht, wie er kämpft, wie er sich zu benehmen hat. Franzosen lasen alte britische Sagen und schrieben die Geschichte zu König Artus neu auf. Bald nahmen deutsche Schriftsteller wie Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg die französischen Abenteuerromane zum Vorbild für ihre Geschichten. 2 4 6 8 10 12 14 Trobadore und Minnesänger Singende Poeten, die umherzogen und auf den Burgen ihre Liebeslieder vortrugen – das waren die Trobadore (auch: Troubadoure). Sie kamen aus dem Süden Frankreichs und hatten überall großen Erfolg. Durch ihre Anregung begannen deutsche Dichter ebenfalls, Texte über schöne Frauen und die Liebe zu ihnen zu verfassen. Das höfische1 Publikum hörte ihnen gerne zu. Die sogenannte „Minnedichtung“ war erfunden. Um 1300 stand der Minnesang in voller Blüte. Auch viele Melodien und Tänze breiteten sich von Frankreich ausgehend in ganz Europa aus. 1 Damit sind z.B. die Personen an Fürstenhöfen gemeint. 2 4 6 8 10 12 Der deutsche Minnesänger Kraft I. von Toggenburg klettert zu seiner Dame auf den Turm (Codex Manesse 1305–1340) Sachtexte über die Ritterzeit – Informationen gewinnen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Sachtexte von Dichtungen unterscheiden 13 Nase vorn in der Mode Maximilian I. und Marie von Burgund Ganz Europa orientierte sich an der Mode in Frankreich und an der Mode im reichen Herzogtum Burgund. Nachdem Männer wie Frauen anfangs lange und weite Gewänder getragen hatten, bildeten sich zunehmend Kleider heraus, die enger am Körper anlagen. Das galt als elegant und höfisch. In Burgund entstand der Hennin, auch burgundische Haube genannt: eine Kopfbedeckung für Frauen, die nach oben spitz zuläuft. Daran war ein langer Schleier angebracht, der Flinder. Der letzte Schrei im 14. und 15. Jahrhundert! Aus Burgund kam auch die Schecke, ein kurzes Obergewand für Männer, das gerade mal den Po bedeckte. Brust und Schultern der Schecke waren ausgepolstert und wurden so betont. Die erste Jacke war erfunden. 2 4 6 8 10 Eleganz in der Architektur: Spitzbögen Die ersten Burgen aus Stein wurden in Frankreich errichtet – vermutlich im 10. Jahrhundert. Erst danach gab es auch in anderen Ländern fest gemauerte, trutzige [= wehrhafte] Wohnsitze. Im Lauf der Jahrhunderte änderten sich die Formen der Burgen. Zunehmend wurden sie höher und eindrucksvoller gebaut, Zinnen und hohe Türme durften nie fehlen. Im 12. Jahrhundert erfanden französische Baumeister die Gotik. Sie errichteten gewaltige, in den Himmel strebende Kirchen. Auch im Burgenbau wurden jetzt gotische Spitzbögen verwendet. Burg Eltz in Deutschland 2 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
14 Ausrüstung und Turniere Aus Frankreich kamen der Normannenhelm und der Topfhelm. Auch eine neue Kampftechnik haben die Franzosen entwickelt. Anfangs wurden die Lanzen vor allem geworfen. Um das Jahr 1200 klemmten sich französische Ritter die Waffe unter den Arm und ritten damit gegen ihre Gegner an. Die Lanze war nun länger und schwerer als vorher. […] Kein Wunder, dass die Turniere ebenfalls eine Erfindung französischer Ritter waren! Zwei Ritter in einem Turnierkampf (Codex Manesse, um 1300) 2 4 6 Schreibe in Stichworten in die linke Spalte der Tabelle, was du schon über Ritter und das Mittelalter gewusst hast, bevor du die Texte gelesen hast. Ergänze in der rechten Spalte in Stichworten, was du aus den Texten auf den Seiten 12 bis 14 neu gelernt hast. Was ich über Ritter und das Mittelalter schon weiß. Neues, was ich über Ritter und das Mittelalter erfahren habe. Fertigt eine Liste an, welche kulturellen Neuerungen aus Frankreich kamen. Sagen über König Artus, Ordnet eure Ideen Sachkomplexen zu, z.B. Mode, Waffen, Kampftechniken, … Sucht im Internet Bilder zu diesen Sachkomplexen, z.B. Gotik in Frankreich. Druckt sie aus und gestaltet ein Poster zum Thema „Die Ritterzeit“. N 1 B 2 B 3 C 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Sachtexte von Dichtungen unterscheiden 15 Dieser Text beschreibt den Niedergang des hochmittelalterlichen Rittertums. Trage in die Liste die Ursachen dafür ein. neue Waffentechnik 5 Vom Ritter zum Soldaten Bereits um 1300 […] setzt der Niedergang des Rittertums ein. Die Wirtschaftsmacht verlagert sich von den Landgütern des Adels in die Städte, die durch Handwerk und Handel zu Reichtum gelangen. Und da nach dem Bevölkerungsschwund durch die Pestwelle des 14. Jahrhunderts die Preise für Getreide stetig sinken, bleibt den Grundbesitzern aus dem niederen Adel vielfach nichts als der Groll gegen all jene, die „in ihrer Pracht und ihren Höfen ersticken“, wie einer von ihnen zürnt. In dieser neuen Welt ist kein Platz mehr für den Eigensinn von Rittern, die sich nur Gott und Kaiser verpflichtet fühlen. Die Verwaltung in den Grafschaften und Fürstentümern, einst ebenfalls Aufgabe des Ritterstandes, übernehmen nun immer häufiger Bürgersöhne mit juristischer Ausbildung. Zudem hat sich die Kampfweise der eisernen Krieger überlebt. Moderne Artillerie sowie die mobile Kriegsführung mit besoldeten Landsknechten (= zu Fuß kämpfende Söldner des 15. und 16. Jahrhunderts) lassen die bis zur Unbeweglichkeit gepanzerten Ritter auf ihren verletzlichen Pferden fast bedeutungslos werden. Im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England etwa, der 1337 beginnt, haben die französischen Ritterheere meist keine Chance gegen die englischen Bogenschützen, deren Pfeile Rüstungen durchschlagen und noch auf große Entfernungen tödlich treffen. Zudem können sich die gepanzerten, hochgerüsteten Franzosen gegen die beweglichen Gegner nur schwer zur Wehr setzen, und so unterliegen sie im 14. und 15. Jahrhundert gleich in mehreren großen Schlachten. Dennoch eifern die Adeligen dem Ideal des vollkommenen Kämpfers weiterhin nach. Vor allem Maximilian I. begeistert sich um 1500 für alles Ritterliche und verhilft dem Rittertum noch einmal zu spätem Glanz. Er nimmt an Turnieren teil, denkt über einen neuen Kreuzzug nach und lässt höfische Literatur und Heldenepik sammeln. Aber auch Maximilian weiß, dass mit den Rittern keine Schlacht mehr zu gewinnen ist. Ebenso wie um seine prächtigen Turniere bemüht der Herrscher sich daher um moderne Artillerie und die Anstellung von Söldnern. Denen gelten ritterliche Ehre, christliche Werte und der Eid gegenüber dem König nichts, sondern nur Disziplin und Gehorsam gegenüber demjenigen, der sie am besten bezahlt. Die Ritter haben ausgedient. Die Zukunft gehört den Soldaten. Maximilian I in Rüstung und der königlichen Krone 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Wer war Kaiser Maximilian I.? Worin liegt seine Bedeutung für Österreich? Informiert euch in Geschichtsbüchern und dem Internet. 6 C Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
16 Ritterliche Tugenden – Klischees erkennen Als „Klischee“ (von französ. cliché ‚Abklatsch‘) wird u. a. eine Vorstellung bezeichnet, die weniger auf Tatsachen als vielmehr auf veralteten oder ausgeschmückten Phantasien beruht. Das Bild von einem Ritter wurde im Lauf des 19. Jahrhunderts mit solchen Vorstellungen angereichert, etwa derjenigen, dass ein Ritter immer edel und großzügig ist und ehrenvoll handelt. Die Wirklichkeit sah, wie wir heute wissen, oft anders aus. Ein gelehrter Ritter Ein rîter, der gelêret was unde ez an den buochen las, swenner sîne stunde niht baz bewenden kunde daz er ouch tihtennes pflac daz man gerne hœren mac, dâ kêrt er sînen vlîz an: er was genant Hartman und was ein Ouwære der tihte diz mære. Ein Ritter hatte Schulbildung genossen und las in Büchern, wenn er mit seiner Zeit nichts besseres anzufangen wußte, dichtete er sogar. Was vergnüglich zu hören ist, darauf verwandte er seine Bemühungen. Er wurde Hartmann genannt und war von Aue. Der hat auch diese Geschichte gedichtet. Informiere dich im Internet über Hartmann von Aue. Beantworte mithilfe des Textes die folgende Frage in deinem Heft: Was ist das Besondere am Ritter Hartmann von Aue, das er selbst für berichtenswert hält? Hartmann von Aue (Weingartner Liederhandschrift) 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10 Das Ritterbild, das uns in mittelalterlichen Texten vermittelt wird, ist meist idealisiert und stimmt nicht mit der Realität überein. Merke 2 N Lest den mittelalterlichen Text und seine Übersetzung. Besprecht in der Klasse die sprachlichen Besonderheiten, die euch auffallen. Nutzt auch Recherchemöglichkeiten (Stichwort „Mittelhochdeutsch“). 1 C Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Sachtexte von Dichtungen unterscheiden 17 Lies den Text und unterstreiche Stellen, in denen du etwas über die Eigenschaften des Ritters Hugolin erfährst. Benedikt Mancini Die Abenteuer des Ritters Hugolin von Bärenfels 3 Heute wollte Hugolin nicht daran denken, dass jemals Feinde seine Burg erobern könnten. Burg Bärenfels war doch sein festes Erbe. Er erhob sich in seinem Bett und schnupperte an der Luft, die morgendlich-kühl vom Fenster hereinwehte und nach Wald, Harz und Moos roch, auch ein wenig nach Wildschwein, Bienenhonig und Eule. Allein am Geruch konnte man schon die Tageszeit erkennen, denn im Laufe des Tages roch es stärker nach Harz und weniger nach Moos. Der Ritter liebte es, solchen Sinneseindrücken zu folgen und dabei die Gedanken schweifen zu lassen. […] Da riss ein durchdringender Schrei Hugolin aus seiner Versonnenheit. „Zu den Waffen!“, dachte er sofort, sprang auf und griff nach seinem Schwert, das neben dem Bett an der Wand lehnte, eilte die Turmtreppe hinab und sprang auf seinen Hengst Zentaurus, der ihn durch das Burgtor in den Wald trug. Seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht: Im Wald lauerte Gefahr. So schnell galoppierend, wie es nur ging, hörte Hugolin lauter werdende Hilfeschreie, und auf der nächsten Lichtung entdeckte er das Schreckliche: Eine Bande grimmiger Räuber hatte eine Bauersfrau mit ihren Kindern überfallen. Die Angegriffenen wehrten sich mit Stöcken und Spießen, aber sie hatten keine Chance gegen die Übermacht. „Feige Halunken!“, brüllte der Ritter und stürmte in scharfem Galopp auf die Übeltäter zu. Mit Schwert und Pferdehufen richtete er unter den Gaunern eine solche Unordnung an, dass sie in große Verwirrung gerieten. Geschickt nutzte Hugolin diesen Moment. Einem ersten verpasste er einen Hieb mit dem Schwertknauf, sodass der Schurke bewusstlos zu Boden stürzte. Der nächste wurde von Zentaurus‘ Hufen aus dem Sattel gehoben und landete rücklings auf einer Wurzel. [...] Der dritte Räuber versuchte, Hugolins Pferd mit einem Dolch zu verletzen. Da schnappte der Ritter seinen Arm und warf den Gegner ebenfalls zu Boden, wo er von einem der Bauernsöhne, die sich nun in den Kampf einschalteten, festgehalten wurde. Schließlich ergaben sich die Missetäter, fünf an der Zahl, und wurden von Hugolin in einen Schweinestall eingesperrt. […] Die Frau und ihre Kinder lösten sich langsam aus ihrer Erstarrung und dankten dem tapferen Ritter. „In diesem Wald sorgen Ritter für Gerechtigkeit“, sprach einer der Söhne feierlich. Seine Mutter unterbrach ihn: „Erkennst du den Ritter von Bärenfels? Er hat uns Land für den Ackerbau verliehen. Unsere Familie lebt auch in friedlichen Zeiten von seiner Güte.“ Hugolin war so viel Ritterehre unangenehm, wusste er doch, dass es viele gefährliche, räuberische Strauchritter diesseits und jenseits des Rheins gab. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 Ein Ritter musste viele Tugenden aufweisen. Die wichtigsten waren Gottesdienst (Ehrfurcht vor Gott), Herrendienst (Gehorsam gegenüber dem Lehensherrn, besonders durch Kriegsdienste) und Frauendienst („Minne“, vor allem vergeistigte Verehrung einer frouwe, wie im Mittelalter eine adelige Dame bezeichnet wurde). Merke Neben Gottes-, Herren- und Frauendienst musste ein idealer Ritter noch weitere Tugenden (meist werden zwischen sieben und zehn genannt) aufweisen. Recherchiere, welche das waren, und vergleiche deine Ergebnisse mit den Eigenschaften der Ritter Hartmann von Aue und Hugolin. Mache Notizen in deinem Heft. N 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
18 Leben im Mittelalter: faszinierend oder finster? – Texte einordnen und vergleichen Als er zu sich kam, stand er im Burghof des Kastells. […] Der Burghof war voller Leben: Pferde, Reiter, Knappen – eine Jagdgesellschaft im Aufbruch. Die Ersten ritten schon durch das weit geöffnete Tor. An eine Mauer gelehnt stand Jonas und staunte. Ob man ihn bemerkte? Mit Schrecken fiel ihm plötzlich ein, dass er ja in der Badehose war! Beschämt blickte er an sich herunter und entdeckte, dass er eine hellgrüne Leinenhose anhatte, die in Stulpenstiefeln steckte, dazu eine rote Samtjacke. Er brauchte eine Weile, um diese Verwandlung zu begreifen. Unsicher schaute er sich um. Da rief ihn einer der Männer an: „Heda, Bursche! – Ja, dich meine ich!“ „Mich?“ Der Mann machte ein Zeichen mit dem Kopf. „Komm her! Dich hab ich hier noch nie gesehen.“ Die Stimme klang barsch, aber das Gesicht war freundlich. Er trug ein dunkles Lederwams. Mit der rechten Hand führte er eine Stute am Zügel, auf der linken saß ein großer Vogel auf einem ledernen Handschuh. – Wie auf dem Bild, das Jonas in einem Buch über die Falkenjagd gesehen hatte. Klar, das war ein Greifvogel, ein Falke; und der Mann, der ihn trug, war der Falkner. Jonas ging zögernd auf ihn zu. „Nimm den Falken. Setz ihm die Haube auf!“, befahl ihm der Falkner. Und weil Jonas nicht wusste, was er tun sollte, knurrte der Falkner: „Du bist mir ja ein rechter Tölpel. Hast nicht mal einen Handschuh an!“ Verstört suchte Jonas nach Hilfe. Da traf sein Blick die Augen eines Jungen, der ungefähr in seinem Alter war, elf oder zwölf. Der nickte ihm zu, verbeugte sich vor dem Falkner und erklärte: „Herr, er ist neu hier. Wenn Ihr erlaubt, werde ich Euren Falken nehmen, bis Ihr aufgesessen seid.“ Der Falkner brummte, war aber einverstanden und reichte dem Jungen den Falken. „Ich heiße Guntram und bin ein Jagdgehilfe“, sagte der Junge zu Jonas. „Ich zeige dir, was du wissen musst.“ […] 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 1 das Wams (Pl. Wämser): ein Kleidungsstück (eine Art Weste, kurze Jacke) 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 „Und jetzt?“, fragte Jonas. „Ich habe gehört, heut geht die Jagd auf Kraniche.“ „Auf Kraniche?“, rief Jonas. „Auf diese schönen Vögel? Die dürft ihr doch nicht umbringen und essen.“ „Essen?“ Guntram sah Jonas misstrauisch an. „Du weißt aber rein gar nichts. Wie kommst du überhaupt hierher? Hast du noch nie von einer Beizjagd auf Kraniche gehört?“ Jonas schüttelte den Kopf. „Dann weißt du womöglich auch nicht, dass Kraniche nicht zum Essen gejagt werden.“ „Nein“, sagte Jonas. „Aber wozu sonst?“ „Zum Vergnügen“, erwiderte Guntram. „Nur zum Vergnügen. Du wirst gleich erleben, wie großartig das ist.“ Inzwischen hatten sie eine offene Landschaft erreicht. Der Boden wurde sumpfig; oft mussten sie durch Tümpel waten. Der Falkner 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Lies den Textauszug aus dem Jugendroman „Das Falkenschloss“. Unterstreiche Stellen, in denen du etwas über die Lebensart im Mittelalter erfährst. Tilde Michels Das Falkenschloss Ritter, Burgen, Hexen - im Mittelalter war noch richtig was los. Jonas größter Wunsch ist es, das alles in Wirklichkeit zu erleben. Als er eines Tages eine alte Ruine besichtigt, begegnet er einem rätselhaften Mann – und schon wird er von diesem per Mausklick ins Mittelalter befördert. Nun steht er in Samtwams1 und Stulpenstiefeln inmitten einer Jagdgesellschaft. 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Sachtexte von Dichtungen unterscheiden 19 ritt eine kurze Strecke vor ihnen her. Plötzlich hielt er sein Pferd an und gab Guntram ein Zeichen mit dem Kopf. „Achtung“, flüsterte Guntram. „Da stehen welche!“ Der erste Kranich stieg auf und strich mit weitem Schwingenschlag über die Ebene davon. Jonas sah, dass der Falkner jetzt dem Falken die Haube abnahm. Als der zweite Kranich aufstieg, warf er seinen Vogel mit Schwung gegen ihn. Sofort griff der Falke an und hackte nach dem Hals des Kranichs. Der wehrte sich mit Schnabelhieben. In der Luft entstand ein Kampf auf Leben und Tod, den Jonas mit Entsetzen verfolgte. Guntrams Augen aber leuchteten. […] 22 24 26 28 30 32 34 36 Vergleicht zu zweit die Informationen, die ihr unterstrichen habt. Ergänzt und erweitert die Mindmap. Stelle dir vor, du würdest ähnlich wie Jonas für einen Tag ins Mittelalter verfrachtet: Wie sähe dein Tag dort aus? Mache dir wie im Beispiel in einer Tabelle Notizen, die deinen modernen Alltag und dein Leben im Mittelalter vergleichen. Verfasse anschließend einen kurzen Text in deinem Heft. moderner Alltag mittelalterlicher Alltag Wecker klingelt Sonne weckt mich Frühstück: Müsli und Kakao Gerstenbrei Schülerin/Schüler Jagdgehilfe, … … 2 B Leben im Mittelalter Ernährung Jagd ... Unterhaltung Berufe Kleidung 3 N Guntram schüttelte den Kopf. Er fing an zu lachen. „Die Zeit braucht man doch nicht zu messen. Ich stehe auf, wenn die Sonne aufgeht, und wenn die Nacht kommt, gehe ich schlafen. – Aber heute…“, er unterbrach sich und klatschte in die Hände. „Heute bleiben wir lange wach. Heut werden im Hof Fackeln aufgesteckt. Die Gaukler kommen und geben eine Vorstellung.“ […] Guntram zählte auf, was alles zu erwarten war: „Spielleute, Zauberer, Possentreiber, Wahrsager. Vielleicht bringen sie sogar einen Tanzbären mit.“ Er zog Jonas durch eine kleine Pforte und sagte: „Bevor es losgeht, essen wir erst mal einen Teller Gerstenbrei. Mein Magen knurrt schon vor Hunger.“ Jonas spürte auch, dass er hungrig war – aber Gerstenbrei? „Was gibt’s denn sonst noch?“, fragte er. „Gerstenbrei, sonst nichts“, erwiderte Guntram. „Die gefüllten Tauben und Rebhühner sind nur für die Tafel der Herren.“ Damit schob er Jonas in die Gesindestube, wo schon andere Jagdgehilfen und Bedienstete vor dampfenden Holznäpfen saßen. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
20 Diskutiert in der Klasse, was euch selbst am Mittelalter fasziniert und welche Themen euch daran interessieren (z. B. Burgen, heldenhafte Taten, Kleidung, …). Lest den Artikel. Benennt Gründe, warum das Mittelalter die Menschen heute immer noch fasziniert. Findet anschließend für jedes der Themen unten eigene Beispiele, wo sich das Mittelalter auch heute noch wiederfindet. Notiert diese im Heft. Architektur Unterhaltung (Film, Spiele, …) Literatur und Theater Veranstaltungen Faszination Mittelalter: Vergangen, aber nicht vergessen Ritter, Burgfräulein und edle Heldentaten – oder doch grausame Schlachten, Hexenverfolgung und dreckige Straßen voller Pest-Toten? Welches dieser Mittelalterbilder ist denn nun wahr? Und warum fasziniert uns diese Epoche so sehr? 4 C N B 5 Jedes Jahr finden in Deutschland weit über eintausend Mittelalterveranstaltungen statt. Viele Serien und Filme mit Mittelalterbezügen sind Erfolgshits. Die Serie Vikings: Valhalla beispielsweise war in der zweiten Woche nach Serienstart der meistgesehene Titel auf Netflix. Die Fantasy-Serie Game of Thrones wurde in über 200 Ländern ausgestrahlt und mittelalterliche Helden wie Robin Hood und King Arthur sind allbekannt. In zahlreichen Spielen kann man in mittelalterliche Welten eintauchen. Das Fantasy-Rollenspiel Dungeons & Dragons beispielsweise hat seit 1974 schätzungsweise 50 Millionen Spielerinnen und Spieler erreicht. Dieses weit verbreitete Interesse am Mittelalter begann in Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren stark zu wachsen. Ab Ende der 1970er-Jahre begann, inspiriert durch die Folk- und Liedermacherbewegung, die Inszenierung des Mittelalters auf den heute sogenannten Mittelaltermärkten – die sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Finsteres oder romantisches Mittelalter – was ist denn nun wahr? Der Epochenbegriff „Mittelalter“ und auch die Vorstellung des „finsteren Mittelalters“ stammen hauptsächlich aus der Renaissance (etwa 1420 bis 1600), als die antikenbegeisterten Humanisten sich selbst als Wiederentdecker der Kultur und Vernunft im Gegensatz zu einer vermeintlich düsteren Epoche darstellten. In der Zeit der Aufklärung (etwa 1720 bis 1800) verfestigte sich dieses negative Bild des Mittelalters, das bis heute verankert ist. Tatsächlich war das Mittelalter keineswegs nur finster. Es wurden die Grundlagen für Bank und Börse, städtische Kommunen und Universitäten geschaffen. Von uns täglich genutzte Gegenstände wie die Brille, die Uhr und das gedruckte Buch wurden erfunden. Missstände wie das Grassieren von Seuchen oder die Hexenverfolgung werden oft fälschlicherweise allein in die Epoche des Mittelalters abgeschoben. Dass im Mittelalter viele schreckliche Krankheiten grassierten, ist wahr: Das wohl bekannteste und gravierendste Beispiel ist der Pestausbruch von 1347 bis 1353, der etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung (rund 20 Millionen Menschen) tötete. Gravierende Seuchen und Krankheiten gab es aber nicht nur im Mittelalter. So zum Beispiel die Londoner Pest (1665 bis 1666), die etwa Hunderttausend Todesopfer forderte, etwa ein Fünftel der damaligen Londoner Bevölkerung. Die Hexenprozesse erlebten ihren Höhepunkt von 1570 bis 1590, und damit streng genommen schon nach dem Mittelalter. Das Mittelalter war also nicht viel düsterer als die Epochen davor und danach. Romantisch war das Mittelalter aber auch nicht. Die geschönte Vorstellung des Mittelalters geht zurück auf die Romantik (etwa 1795 bis 1840), die von Kriegen, politischer Zerrissenheit und tiefgreifendem Wandel geprägt 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Sachtexte von Dichtungen unterscheiden 21 Besprecht in der Klasse die idealisierten Vorstellungen über das Mittelalter und den Ritterstand, die ihr im Artikel oben sowie auf den Seiten 16 und 17 kennengelernt habt. Stellt dem die Informationen über das tatsächliche mittelalterliche Leben aus dem Artikel oben und dem Sachtext auf Seite 15 gegenüber. Ergänzt und erweitert die Tabelle in eurem Heft. romantisierte Vorstellungen Tatsachen über das Mittelalter Es gibt Festmahle mit üppigen Speisen und Getränken. Das Ritterleben ist hart und mit vielen Entbehrungen verbunden. Die einfache Bevölkerung verehrt den Ritterstand. Ritter werden im Spätmittelalter für den Kampf nicht mehr gebraucht, weil sie durch moderne Artillerie abgelöst werden. … Erstellt Poster mit euren Arbeiten zu den Themenkomplexen, die ihr in diesem Kapitel kennengelernt habt. Hängt sie in der Klasse auf oder präsentiert sie an eurer Schule. Ihr könnt auch ein Mittelalterfest veranstalten und eure Familien dazu einladen. N C 6 C 7 war, weshalb die Menschen das Mittelalter als Gegenbild zu ihrer eigenen Lebensrealität romantisierten. Ein Beispiel sind die Geschlechterrollen: Die Idee vom edlen Ritter, der Witwen und Waisen verteidigt, sei zwar an sich positiv, es würde aber oft die Gewalt ausgeblendet, die in der hierarchischen Gesellschaft eigentlich steckte. Neben der Idealisierung der traditionellen Geschlechterrollen werde oft vergessen, dass Frauen nach den meisten mittelalterlichen Rechtsnormen Besitz der Männer waren. Zahlreiche Kriege im Mittelalter verschoben immer wieder die Landesgrenzen. Es wurden grausame Kreuzzüge gegen Andersgläubige geführt und als „Heilige Kriege“ gerechtfertigt. Die romantisierte Vorstellung einer noch geordneten Gesellschaft trifft zwar zu – die Gesellschaft war streng in Stände gegliedert, die als gottgegeben galten. In Folge war aber auch sozialer Aufstieg nur in Ausnahmefällen möglich. Wieso uns das Mittelalter so fasziniert Das Mittelalter stellt einen Sehnsuchtsort nach vermeintlich naturverbundenen und weniger komplexen Zeiten dar: Eine Fluchtmöglichkeit aus dem modernen Alltag. Hinzu kommt, dass das Mittelalter uns viele Möglichkeiten für klassische Heldengeschichten mit spannender Kulisse bietet. Dies verstärke die Anziehung, die ausgerechnet das Mittelalter ausübt. Das Mittelalter bleibt eine faszinierende, vielschichtige Epoche, die von Mythen, Märchen und Sagen umrankt ist und unter anderem genau deshalb so anziehend auf uns wirkt. Wirklich realistisch ist von den Darstellungen in modernen Medien, in Märchen oder auf Mittelalterveranstaltungen das Wenigste. Trotzdem holt man sich beim Gang über den Mittelaltermarkt gerne mal Bratkartoffeln oder einen Reibekuchen – auch wenn die Kartoffel erst im 17. Jahrhundert nach Europa eingeführt wurde. 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Teste dich selbst 22 Kläre mithilfe des Atlasses, in welchen heutigen Ländern die Lebenserwartung hoch und in welchen sie niedrig ist. Notiere zwei Länder mit sehr hoher und zwei Länder mit sehr niedriger Lebenserwartung. Achte darauf, dass alle Kontinente vertreten sind. Die Lebenserwartung heute (2017) Lies den Text über die Lebenserwartung im Mittelalter. Vergleiche dann mit dem Atlas. Nenne drei Gründe, die heute genauso wie im Mittelalter zu einer sehr niedrigen Lebenserwartung führen. Zu diesem Thema findest du auch weitere Informationen im Internet. Die Lebenserwartung im Mittelalter Zu Beginn des 14. Jahrhunderts betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen ungefähr 35 Jahre. Das Lebensalter, das die Menschen erreichten, hing stark von ihren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie ihrem Lebensraum ab. Es gab aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung und auch unzureichender medizinischer Kenntnisse eine hohe Kindersterblichkeit sowie viele Krankheiten, die nicht heilbar waren. Mangel- und Fehlernährung führten ebenso zum frühen Tod wie große körperliche Anstrengungen. Frauen hatten im Mittelalter eine höhere Sterblichkeitsrate als Männer. 1 70 Jahre und mehr Weniger als 70 Jahre 82 Jahre und mehr 65–69 Jahre 80–81 Jahre 60–64 Jahre 78–79 Jahre 55–59 Jahre 76–77 Jahre 50–54 Jahre 74–75 Jahre 45–49 Jahre 72–73 Jahre 40–44 Jahre 70–71 Jahre 35–39 Jahre weniger als 35 Jahre 2 2 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
23 3 Theater – Texte darstellen In diesem Kapitel lernst du ein Theaterstück kennen. Du schlüpfst aber auch in die Rolle der Dramatikerin bzw. des Dramatikers. So erfährst du viel rund ums Schreiben und Aufführen von Stücken. Finde anhand des Bildes möglichst viele Berufe heraus, die an einem Theater ausgeübt werden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
24 Sprachen machen Leute – die Sprache eines Dramas untersuchen Lest die Inhaltsangabe und den ersten Akt des Theaterstücks. Gebt mündlich wieder, welche Personen im Stück vorkommen und was sich im Text ereignet. Franz H. Jakubaß Brett oder Nichtbrett, das ist hier die Frage Ein Usurpator [= Thronräuber] verfügt, dass im Land alle ein Brett vor dem Kopf zu tragen haben. Es entsteht eine eigene Weltanschauung, der Abelismus. Absurde Tragödie über diktatorische Staaten. Länge: 80 Minuten Rollenanzahl: 17 Genre: Ernstes/Anspruch, Absurdes Theater/philosophische, religiöse Themen, Gesellschaftskritik Altersstufen: Erwachsenentheater, 7. bis 13. Schuljahr Inhalt Auf der Insel Brettonien hatte der Usurpator Bretto I. ein Regime der Gewalt und Willkür errichtet, weshalb viele Inselbewohner geflohen waren. Damit jedoch seine Untertanen nicht länger vor seiner Herrschaft davonlaufen konnten, ordnete er an, dass sie ein Brett vor dem Kopf zu tragen haben. Anfangs wurden die Bretter von Spezialärzten in einem Spezialverfahren an der Stirn angeschraubt. Als jedoch ein Enkel des Usurpators ebenfalls ein Brett zu tragen hatte und darüber fast wahnsinnig wurde, durften die Bretter nunmehr mit einem Kleber aus weichgekautem Kaugummi und Pferdespucke befestigt werden, was als enormer Fortschritt galt. Gegen eine Gebühr durften sogar die Bretter an einem breiten Band befestigt werden und wie eine Mütze getragen und daheim abgenommen werden. Aus dem simplen Brett machten die cleveren Nachfahren Brettos I. die Weltanschauung des Abelismus: Das Brett ist kein Brett mehr, sondern das Abelzeichen, das nur die Guten, die Nachfahren Abels, tragen dürfen. Alle Brettonier gehören nun zu den Guten. Wer dagegen das Zeichen nicht trägt, ist böse und ein Kainling. Ein Schiffbrüchiger wird auf die Insel verschlagen, als Kainling und Spion abgestempelt und vor Gericht gestellt, weil er jedes Brett Brett nennt und somit das „Parteiabzeichen“ des Abelismus verhöhnt. Die Gerichtsverhandlung ist eine Farce. Der Mann wird zum Tode verurteilt, aber „begnadigt“, im Boot vor Brettonien ausgesetzt zu werden. Wider Erwarten gelangt er ans Ufer eines „freien“ Landes, dessen wichtigster Handelspartner das Regime auf Brettonien ist. Als er ankommt, wird gerade ein Spezialschiff für den Bretter- und Kaugummitransport nach Brettonien getauft. Der Fremde versucht, den Verantwortlichen klarzumachen, wozu Bretter und Kaugummi dort gebraucht würden. Man will ihm nicht glauben, um die Beziehungen zu dem Inselstaat nicht zu trüben und zieht sich auf die wortwörtliche Bedeutung zurück. „Ein Brett vor dem Kopf? Absurd.“ Da der Fremde immer wieder behauptet, alle Brettonier trügen ein Brett vor dem Kopf, bringt er die Verantwortlichen in große Verlegenheit, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Schließlich wird der Fremde auch auf dem Festland vor Gericht gestellt, weil er den befreundeten Staat Brettonien beleidigt hätte. B 1 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Texte darstellen 25 I. Akt. Strand auf der Insel Brettonien wird durch einige Felsbrocken und Stranddisteln angedeutet. Im Hintergrund Meeresrauschen. Im Sand liegt bewusstlos ein Schiffbrüchiger. MANN Trägt ein Brett vor der Stirn, allerdings lässig verschoben. Sammelt Holz. Bemerkt den Fremden, geht staunend um ihn herum. Schaut ängstlich hinter die Disteln und Steine. Bleibt verwundert vor dem Fremden stehen. Er trägt kein Brett! Reißt sich spontan sein eigenes von der Stirn Verfluchter Bretterwahnsinn! Schaut in Gedanken versunken auf den Fremden. Als in der Ferne ein Hund bellt, fährt er ängstlich zusammen und setzt hastig das Brett wieder auf. Geht von Stein zu Stein, um nachzusehen, ob sich dort niemand versteckt hält, der ihn hätte beobachten können. FREMDER Wälzt sich stöhnend von einer Seite auf die andere. Richtet sich auf. MANN Versteckt sich schnell hinter einem der großen Steine. Von dort betrachtet er neugierig den Fremden. FREMDER Macht einige humpelnde Schritte Ich … au weh … mein Bein! … Und einen Durst habe ich. Dazu dröhnt mein Schädel, als würde ein kleiner Teufel mir ständig mit einem Hammer auf den Kopf schlagen. Bum, bum, bum. MANN Bum, bum, hat er gesagt. Welch eine Poesie. Das klingt wie der Refrain eines Liebeslieds. Wiederholt leise singend bum, bum Oh, ein Ausländer ohne Brett. Welch ein Mensch und welch eine Sprache. Singt wieder bum, bum. Eh muss aber vorsichtig sein. Kommt aus seinem Versteck hervor Du hast hier nichts verloren, Ausländer. Verschwinde! Was tust du hier? FREMDER Ich tue nichts. Ich werde getan, indem dass es mich schmerzt. Um es genau zu sagen: Meine Tätigkeit besteht zurzeit darin zu leiden. MANN Nachdem er sich vergewissert hat, dass niemand in der Nähe ist Lass die Scherze. Deine Lage ist ernst genug. Woher kommst du? Wer bist du? Damit du es weißt: Ich muss in dir einen bösen Menschen sehen, einen Kainling. So verlangt es die Regierung. FREMDER Ei der Daus: Wenn man mit dem Schiff fast ersoffen wäre, wenn man stundenlang nur Wasser sieht, Wasser schmeckt und nur von Wasser und immer wieder von Wasser träumt, dann ist man böse. Ein Kainling bin ich also. Man lernt nie aus. MANN Nur wenige Schiffe finden hierher. Was wolltet ihr vor Brettonien? FREMDER Vorbeifahren. Aber der Sturm hat’s nicht erlaubt. MANN Um Ausreden bist du nicht verlegen. FREMDER Sind noch andere an Land gespült worden? MANN Unüberlegt Zwei … äh … hastig geht es dir besser? FREMDER Was ist mit den beiden? MANN Wovon sprichst du? FREMDER „Zwei …“, so hast du begonnen. Dann schien dich dieses Wort zu reuen und du lenktest ab. Also: Was ist mit den beiden? Red’ schon. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
www.oebv.atRkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==