Sich mit Verhaltensweisen literarischer Figuren auseinandersetzen a) Lies einen weiteren Ausschnitt aus Instagirl. b) Schlage die unterstrichenen Wörter in einem (Online-)Wörterbuch nach, falls du sie nicht kennst. Bing. Wieder eine Nachricht. Wir treffen uns auf der Freihafenbrücke, halb acht. Zieh die Bluse an. Typisch Kim. Kein Wort darüber, worum es ging. Auf meine Frage reagierte sie einfach nicht, schickte nur ein Emoji: zwei Mädchen, verbunden durch ein Herz. Und damit hatte sie mich schon wieder eingefangen. Aber was zum Henker wollte sie auf der Freihafenbrücke? Es war eine trostlose Kulisse. Eine endlos scheinende graue Brücke, düstere Gleise, Verkehrslärm und die graubraune Elbe wie eine tosende road to nowhere. Der perfekte Ort für ein Verbrechen, dachte ich unweigerlich und zog meine Jacke über den tiefen Ausschnitt der Bluse. Nur am Horizont glitzerte die Stadtsilhouette verheißungsvoll. „Easy, hier bin ich“, rief Kim von irgendwo. Ich drehte mich in alle Richtungen um, konnte sie aber nicht entdecken. „Hier drüben“, brüllte sie. In dem Moment ratterte ein Güterzug über die Brücke, brachte einen fauligen Geruch von totem Fisch mit sich. Ich wartete, bis er verschwunden war. Da sah ich Kim. Himmel! Sie stand auf der anderen Seite der Gleise am Brückengeländer. Es gab dort keinen normalen Fußweg, nur so eine schmale Gehrinne für Gleisarbeiter, und auch keine Möglichkeit, dorthin zu gelangen. „Was machst du da?“, brüllte ich. Sie lächelte, als lehne sie gerade an der Brüstung einer Strandpromenade in St. Tropez. „Ich suche die perfekte Stelle.“ Sie zeigte hinter sich, wo weit in der Ferne die Elbphilharmonie zu sehen war, die im Licht der Abendsonne strahlte. „Perfekt für was?“ „Für unser ultimatives Best-friends-forever-Selfie, ist doch klar.“ „Was? Bist du verrückt? Hier?“ „Jep. Du wirst sehen, das bringt Likes ohne Ende.“ Sie sah in einen Schminkspiegel und puderte sich die Nase. Zwischen uns raste ein ICE hindurch und wehte mich fast um. Als er verschwunden war, blickte ich zu Kim und hoffte, dass ihr nichts passiert war. Sie stand zwar ein paar Meter versetzt, aber völlig ungerührt am Geländer, den Schminkspiegel immer noch fest in der Hand, und lächelte zu mir herüber. „Wow, cool“, sagte sie. Dann holte sie eine Bürste aus ihrem Täschchen und brachte ihre Haare in Ordnung. „Los, komm schon.“ „Wohin? Zu dir? Bist du lebensmüde? Hast du den ICE gerade gesehen?“ Ich schrie hysterisch herum, während Kim ausdruckslos auf ihr Handy blickte. „Der nächste kommt erst in zehn Minuten.“ „Und außerplanmäßig?“ 10 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 ICE: Intercity-Express, Hochgeschwindigkeitszug der Deutschen Bahn (DB), der bis zu 300 km/h erreichen kann 57 Texte zum Thema soziale Medien lesen und verstehen 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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