Alles Geschichte! 5, Schulbuch

5 Alles Geschichte mit QuickMediaApp

Alles Geschichte! 5, Schulbuch + E-Book Schulbuchnummer: 210194 Alles Geschichte! 5, Schulbuch E-Book Solo Schulbuchnummer: 211392 Mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 4. Mai 2022, GZ 2021-0.727.674, gemäß § 14 Absatz 2 und 5 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/86, und gemäß den derzeit geltenden Lehrplänen als für den Unterrichtsgebrauch für die 5. Klasse an allgemeinbildenden höheren Schulen – Oberstufe im Unterrichtsgegenstand Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung (Lehrplan 2018) geeignet erklärt. Dieses Werk wurde auf der Grundlage eines zielorientierten Lehrplans verfasst. Konkretisierung, Gewichtung und Umsetzung der Inhalte erfolgen durch die Lehrerinnen und Lehrer. Liebe Schülerin, lieber Schüler, Sie bekommen dieses Schulbuch von der Republik Österreich für Ihre Ausbildung. Bücher helfen nicht nur beim Lernen, sondern sind auch Freunde fürs Leben. Kopierverbot Wir weisen darauf hin, dass das Kopieren zum Schulgebrauch aus diesem Buch verboten ist – § 42 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz: „Die Befugnis zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch gilt nicht für Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind.“ Umschlagbild: Clemens Toscani, Agentur für Grafikdesign, Klosterneuburg, Friedrich / Getty Images – iStockphoto, Peter Barritt / robertharding / picturedesk.com, akg-images / picturedesk.com, Science Source / PhotoResearchers / picturedesk.com Illustrationen/Karten: Wolfgang Schaar, Grafing 1. Auflage (Druck 0001) © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2023 www.oebv.at Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch auszugsweise, gesetzlich verboten. Schulbuchvergütung/Bildrechte © Bildrecht GmbH/Wien Redaktion: Brigitte Messner, Wien; Verena Hauser, Wien; Claudia Leithner, Wien Herstellung: Alexandra Brych, Wien Umschlaggestaltung: Clemens Toscani, Agentur für Grafikdesign, Klosterneuburg Layout: Clemens Toscani, Agentur für Grafikdesign, Klosterneuburg Satz: CMS – Cross Media Solutions GmbH, Würzburg Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Horn ISBN 978-3-209-12217-9 (Alles Geschichte! 5, Schulbuch + E-Book) ISBN 978-3-209-13127-0 (Alles Geschichte! 5, Schulbuch E-Book Solo) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

www.oebv.at Elisabeth Angst Christian Huppert Christine Schönlieb Alice Seiz Lukas Sternik Unter Mitarbeit von Melanie Carina Schmoll Alles Geschichte! Schulbuch 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

3000 v. Chr. 2000 v. Chr. 1000 v. Chr. Jahr 0 1000 Inhaltsverzeichnis So arbeitest du mit dem Buch 4 Video 1: Alles Geschichte! 5 – ein Überblick 1 Einführung in die Geschichte 6 1.1 Begriffsklärung: Geschichte – Vergangenheit, Quelle – Darstellung 6 1.2 Belegbarkeit: Die Urgeschichte – eine Herausforderung für die Geschichtswissenschaft 10 1.3 Zeitrechnung: Wie ordnet man Zeit? 12 1.4 Epocheneinteilungen, Periodisierung und Zäsuren 13 1.5 Die Entwicklung von Schrift 14 Imperien in der antiken Welt 16 1 Grundlegendes zur Antike 18 1.1 Die Griechen: ein Überblick 18 1.2 Die Römer: ein Überblick 20 Video 2: Griechenland und Rom in der Antike 1.3 Mit schriftlichen Quellen arbeiten: Texte zu Europa 22 2 Griechen und Römer: Mensch und Gesellschaft 24 2.1 Leistbares Wohnen in großen Städten 24 2.2 Was erzählen geschichtskulturelle Produkte? Die Römerstadt Carnuntum 26 2.3 Die Struktur der antiken Gesellschaft 28 2.4 Familie, Erziehung und Geschlechterrollen 30 2.5 Alltag in den griechischen Poleis und im Römischen Reich 32 2.6 Sport und Spiele 34 2.7 Glaube und Mythos 37 2.8 Philosophie und Wissenschaft 40 3 Griechen und Römer: Politische Geschichte 42 3.1 Wahlrecht – ein Recht für alle? 42 3.2 Die Entstehung der Poleis und der Sonderfall Sparta 44 3.3 Die Entwicklung der attischen Demokratie 46 3.4 Orientierungsangebote erkennen: Vorbild attische Demokratie? 48 3.5 Persische Kriege und Bündnispolitik 50 3.6 Der Peloponnesische Krieg – Kampf um die Vorherrschaft in Griechenland 52 3.7 Res publica – die Anfänge der Republik 54 3.8 Reformen und Konflikte 56 3.9 Von der Krise zum Ende der Republik 58 3.10 Geteilte Herrschaft: Westrom – Ostrom 60 3.11 Das römische Recht und seine Bedeutung 61 4 Expansion, Migration und Handel 62 4.1 Die alte und die neue Seidenstraße 62 4.2 Mit dinglichen Quellen arbeiten: Der Untergang von Pompeji 64 4.3 Die griechische Kolonisation – antike Migration? 66 4.4 Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum 68 4.5 Alexander III. von Makedonien – Entstehung des Hellenismus 70 4.6 Die Expansion des Römischen Reiches und ihre Folgen 73 Querschnitt: Die Welt um das Jahr 0. Großreiche auf vier Kontinenten 76 Das Römische Reich – Mittelpunkt der Welt? 76 Das Reich von Kusch 77 Podcast 1: Expertengespräch über das Reich von Kusch Das Imperium der Han-Dynastie 78 Video 3: Der römische Kaiser und der Han-Kaiser Das Reich der Maya 80 Längsschnitt: Österreich von den Anfängen bis zum Ende der römischen Herrschaft 82 Die vorrömische Zeit 82 Römischer Einfluss und Herrschaft Roms 83 Lebendige Geschichte 85 Video 4: Ostarrichi – Austria – Österreich Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

2000 Das europäische Mittelalter 86 1 Grundlegendes zum Mittelalter 88 1.1 Das europäische Mittelalter: ein Überblick 88 Video 5: Wald und Stadtentwicklung im Mittelalter 1.2 Die „Völkerwanderung“ 90 1.3 Mit Geschichtskarten arbeiten: Die „Völkerwanderung“ 94 2 Mittelalter: Politische Geschichte 96 2.1 Monarchie einst und heute 96 2.2 Die Veränderung von Herrschaft von der Antike bis zum Mittelalter 98 2.3 Byzanz – größtes Reich im europäischen Mittelalter 100 2.4 Das Frankenreich 102 2.5 Das Heilige Römische Reich 104 2.6 Papst und Kaiser – kirchliche und weltliche Macht 106 2.7 Religiöse Bewegungen – Ketzer, Reformer 108 2.8 Die Kreuzzüge 110 2.9 Perspektivität und Intention von Quellen: Der Kreuzzugsaufruf von Urban II. 112 2.10 Politische Entwicklungen in Westeuropa am Beispiel von England und Frankreich 114 2.11 Feudalismus, Lehenswesen und Grundherrschaft 116 2.12 Recht im Mittelalter 118 3 Mittelalter: Mensch und Gesellschaft 120 3.1 Handwerkerinnen im Mittelalter und heute 120 3.2 Drei Zentren: Burg – Kloster – Stadt 122 3.3 Die mittelalterliche Ständegesellschaft 127 3.4 Handwerk und Zünfte 129 3.5 Landwirtschaft und Bauern 130 3.6 Lebenssituationen von Frauen 132 3.7 Mit bildlichen Quellen arbeiten: Personendarstellungen 134 3.8 Bildung und Wissenschaft 136 3.9 Die Pest 138 3.10 Baukunst und Malerei im christlichen Mittelalter 140 4 Expansion, Migration und Handel 142 4.1 Märkte gestern – heute – morgen 142 4.2 Die Wanderbewegungen der Wikinger 144 4.3 Die islamisch-arabische Expansion 148 4.4 Al-Andalus – das islamische Spanien 150 4.5 Fragen als Ausgangspunkt für Geschichtsdarstellungen: Erzählungen von der Alhambra 154 4.6 Migration und Handel in Nord- und Osteuropa 156 4.7 Handel und wirtschaftliche Expansion im Mittelmeerraum 158 Querschnitt: Die Welt um das Jahr 1000. Großstädte auf drei Kontinenten 160 Die europäische Stadt – ein Dorf? 160 Cahokia – erste Großstadt Nordamerikas 161 Podcast 2: Expertengespräch über die Stadt Cahokia Metropole Kairo 162 Weltkulturerbe Angkor Wat 164 Video 6: Megacitys weltweit Längsschnitt: Österreich im Mittelalter 166 Die Babenberger 166 Die frühen Habsburger 168 Lebendige Geschichte 170 Video 4: Ostarrichi – Austria – Österreich Längsschnitt: Antisemitismus von der Antike bis ins Mittelalter 172 Begriffsgeschichte 172 Frühe jüdische Geschichte 173 Antisemitismus in der Spätantike und im Mittelalter 174 Lebendige Geschichte 177 Schritt für Schritt in Richtung Matura 178 Aufbau von Maturaaufgaben und Anforderungsbereiche 178 Aufgabenformulierungen mit Operatoren 179 Warm-up: Waren die „Großen der Geschichte“ tatsächlich „groß“? 180 Maturaaufgabe: Alexander „der Große“ – historische Persönlichkeiten anhand von Quellen beschreiben und beurteilen 181 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

3000 v. Chr. 2000 v. Chr. 1000 v. Chr. Jahr 0 1000 4 Querschnitte ermöglichen einen Blick über den europazentrierten Tellerrand in andere Regionen der Erde. Die Inhalte dieser Kapitel werden teils mit Hilfe des Buches, teils durch Videos und Podcasts vermittelt und sowohl mit klassischen als auch mit interaktiven Aufgaben bearbeitet. Jede Lehrplan-Teilkompetenz wird eigens auf einer Doppelseite trainiert. Es beginnt mit einer schüler/innengerechten Erklärung der Teilkompetenz, anschließend folgt eine knappe Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Umsetzung und das Lösen der Aufgabenstellungen. Bildimpulse sowie „Wusstest du, dass…?“-Informationen stellen einen starken Gegenwartsbezug und einen Bezug zur Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern her. „Jetzt bist du dran“ Arbeitsaufgaben am Schluss jeder Doppelseite. Das Kapitel „Grundlegendes“ legt mit einer Karte und einer entsprechenden Aufgabe die Basis für die räumliche Verortung der Großkapitelinhalte. Die zeitliche Verortung der Inhalte wird durch eine Zeitleiste in der Kopfzeile unterstützt. Die beiden Großkapitel im Buch beginnen mit einer Auftakt-­ Doppelseite, mit Zitaten, Fun Facts und Aufgaben, die zum Einstieg in das Großkapitelthema anregen. Eine interaktive Übung soll dein Vorwissen aktivieren. Imperien in der antikenWelt »Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer.« (Sokrates, Philosoph) »Glück ist Selbstgenügsamkeit.« (Aristoteles, Philosoph) »Zum Lernen sind auch Greise jung genug.« (Aischylos, Dichter) »Armut und Reichtum wohnen nicht im Hause, sondern im Herzen der Menschen.« (Antisthenes, Philosoph) »Unter allem, was die Menschen treiben, ist nichts so schlimm wie der Handel mit Geld. Geld zerstört Städte, treibt Familien von Haus und Hof, das Geld verdirbt das Gefühl für Rechtschaffenheit unter den Menschen.« (Sophokles, Dichter) In der Antike sahen Statuen völlig anders aus: Sie waren bunt angemalt. Das Wort „Barbar“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnete ursprünglich alle Menschen, die nicht griechisch sprachen. In der Antike gab kein einheitliches Griechenland, sondern viele eigenständige Stadtstaaten (Poleis). Bei den Olympischen Spielen waren die Teilnahme und das Zuschauen ausschließlich Männern erlaubt. Im antiken Rom gab es zahlreiche Graffitis. Die griechischen Poleis beschränkten sich nicht auf das heutige Griechenland, sondern reichten von Italien bis in die heutige Türkei. Jetzt bist du dran: 1. Nimm Stellung dazu, welchen der oben stehenden Aussagen du zustimmst und welchen nicht. Argumentiere. 2. Beurteile, ob die unten stehenden Zitate auch in der heutigen Zeit noch zutreffen. 3. Analysiere und interpretiere das Bild auf der rechten Seite. Orientiere dich dabei an der Anleitung auf Seite 134. 4. Teste dein Vorwissen: Löse das interaktive Quiz zur Antike. 16 Europa wird von Zeus, der sich in einen Stier verwandelt hat, entführt. Ausschnitt aus einem Fresko aus dem „Haus des Jason“ in Pompeji, 1. Jh. 17 3000 v. Chr. 2000 v. Chr. 1000 v. Chr. Jahr 0 1000 2000 18 Griechische Poleis: politisch unabhängig, aber kulturell verbunden Das antike Griechenland war geprägt von sogenannten Poleis. Eine Polis war ein griechischer Stadtstaat, d. h. eine politisch völlig selbstständige Stadt mit ihrem Umland. Die gemeinsameWirtschaft und Verteidigung waren die wichtigsten Bereiche, die in der Polis organisiert wurden (s. S. 44–45). Die einzelnen Poleis waren im Hinblick auf ihre Verfassung (also in der Frage, wer wie regiert), auf Münzen, Dialekte und sogar Kalender unterschiedlich. Daher war Griechenland kein einheitliches Reich, sondern es gab viele einzelne griechische Stadtstaaten mit unterschiedlichen Interessen. Die Kultur vereinte die Griechen, z. B. die Verehrung der gleichen Göttinnen und Götter (s. S. 37–39), die große Bedeutung des Orakels von Delphi und die gemeinsamen Olympischen Spiele. Dadurch entwickelte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, und so gab es auch einen gemeinsamen Namen für alle griechisch Sprechenden, nämlich Hellenen. Die griechische Kolonisation Zwischen 750 und 550 v. Chr. wanderten zahlreiche Griechen aus und gründeten neue Siedlungen, zunächst im Süden Italiens und auf Sizilien, dann in Südfrankreich und an der spanischen Küste sowie im Gebiet des Schwarzen Meeres. Man spricht in diesem Zusammenhang von der griechischen Kolonisation. Bereits über 100 Jahre zuvor gab es zudem griechische Poleis an der Küste Kleinasiens, also der heutigen Türkei. Vielerorts trafen die Griechen auf Einheimische. Häufig folgte auf eine Phase friedlichen Zusammenlebens und gegenseitiger Übernahme gewisser Bräuche mit weiterem Zustrom aus der Mutterstadt sowie natürlichem Bevölkerungswachstum die Vertreibung oder Versklavung der Einheimischen durch die griechischen Kolonisten (s. S. 66–67). 1 Grundlegendes zur Antike 1.1 Die Griechen: ein Überblick I o n i s c h e s M e e r S c h w a r z e s M e e r T y r r h e n i s c h e s M e e r A d r i a Ä g ä i s Illyrien Kreta Peloponnes Etrurien Sizilien Thrakien Perserreich Athen Sparta Athen und Verbündete Sparta und Verbündete neutrale Griechen 0 50 100 km M1 Griechische Poleislandschaft zu Beginn des Peloponnesischen Krieges 431 v. Chr. 19 Die attische Demokratie Während in den meisten Poleis eine oder einige wenige Personen die ganze Macht hatten, entwickelte sich in Athen ab 594 v. Chr. mit der attischen Demokratie eine Vorform der Demokratie (s. S. 46–47). Dadurch konnten so viele Menschen an politischen Entscheidungen mitwirken wie nie zuvor. Frauen, Sklaven und Fremden blieb dieses Recht allerdings verwehrt, sodass rund 80% der Bevölkerung keinen Einfluss hatten. Mit Unterbrechungen blieb diese Staatsform bis ins Jahr 262 v. Chr. bestehen und trug mit dazu bei, dass sich Athen zu einer der bedeutendsten Poleis entwickelte. Gewaltsame Konf likte Zwei Konflikte waren für die griechische Antike prägend: die Perserkriege und der Peloponnesische Krieg. Griechische Aufstände in Kleinasien im Jahr 500 v. Chr. bewegten das Großreich der Perser dazu, Griechenland anzugreifen. Während sich ein Großteil der Poleis ergab, schlossen sich einige zuvor konkurrierende und teils verfeindete Stadtstaaten nun zur Verteidigung zusammen. Trotz der großen Überlegenheit der Perser konnten sie abgewehrt und 449 v. Chr. besiegt werden (s. S. 50–51). In den folgenden Jahrzehnten rückte wieder der innere Kampf um die Vormacht unter den Poleis in den Vordergrund und spitzte sich zusehends zu. Vor allem die Stadtstaaten Athen und Sparta kämpften um die Vorherrschaft, was 431 v. Chr. zum Peloponnesischen Krieg führte. Daran waren wegen der jeweiligen Bündnisse, die eine Unterstützung im Kriegsfall vorsahen, beinahe alle Stadtstaaten beteiligt. Der Krieg endete 404 v. Chr. mit einem Sieg der Spartaner und ihrer Verbündeten. Athen war zwar massiv geschwächt, dennoch gelang es Sparta nicht, eine stabile Herrschaft über ganz Griechenland zu etablieren (s. S. 52–53). AlexandersWeltreich Das Königreich Makedonien, dessen Bewohner/innen von einigen Historikerinnen und Historikern ebenfalls als Hellenen angesehen wurden, profitierte von dieser inneren Zerstrittenheit der griechischen Stadtstaaten und konnte sich im 4. Jh. v. Chr. schrittweise die Macht in Griechenland sichern. Der bedeutendste makedonische König war Alexander „der Große“ (s. S. 70–72 und S. 180–181). Nachdem er 336 v. Chr. den Thron bestiegen hatte, gelang es ihm innerhalb weniger Jahre, ein Weltreich zu errichten, das sich von Griechenland über die heutige Türkei bis nach Pakistan und Afghanistan erstreckte und zudem Ägypten umfasste. Das durch Alexanders Eroberungen geschaffene Großreich brach nach seinem Tod 323 v. Chr. allerdings wieder zusammen. Was blieb, war die großräumige Verbreitung der griechischen Kultur, die schon von Alexander selbst bewusst mit der jeweiligen Kultur der ansässigen Bevölkerung verschmolzen worden war, etwa durch Hochzeiten seiner Soldaten mit einheimischen Frauen und die aktive Übernahme bestimmter Bräuche. Jetzt bist du dran: 1. Begründe mit Hilfe der Karte, wieso für diese Zeit nicht von einem „Griechischen Reich“ gesprochen werden kann. 2. Ermittle mit Hilfe des Textes die fehlenden Informationen und ergänze die Tabelle. Wann? Was? Wo? Details und Hintergründe griechische Kolonisation attische Demokratie Vorform der Demokratie, allerdings immer noch Mehrzahl ohne Stimme; besteht nicht durchgängig, sondern mit Unterbrechungen. 500–449 v. Chr. Griechenland Krieg um die Vormacht unter den Poleis zwischen Athen und Sparta und ihren Verbündeten 336–323 v. Chr. Alexander „der Große“ 3000 v. Chr. 2000 v. Chr. 1000 v. Chr. Jahr 0 1000 2000 24 2 Griechen und Römer: Mensch und Gesellschaft 2.1 LeistbaresWohnen in großen Städten Leistbarer Wohnraum ist in florierenden Großstädten häufig rar. In London oder Paris zum Beispiel sind die Mieten so hoch, dass sich eine durchschnittliche Arbeitskraft keine Unterkunft in der Innenstadt leisten kann. Ob Wohnen günstig oder teuer ist, hängt nicht nur von der Höhe der Miete ab, sondern auch vom verfügbaren Einkommen. So sind die Mieten zum Beispiel in Prag niedriger als in Wien, doch da die Menschen in Prag durchschnittlich weniger verdienen, ist die finanzielle Belastung durch das Wohnen höher als in Wien. Aber auch in Österreich steigt der Anteil der Wohnkosten am Einkommen seit Jahrzehnten. Das heißt, es bleibt immer weniger für andere Bereiche wie Ernährung oder Freizeit übrig. Die Ursachen sind vielfältig: Der Platz ist oft begrenzt, wodurch Grundstückspreise steigen. Gleichzeitig sorgt die Anziehungskraft der Städte für stetigen Zuzug. Zudem sind Immobilien heute wieder vermehrt als Geldanlage interessant. Dabei sind Vermieterinnen und Vermieter an hohen Gewinnen und nicht an günstigen Mietpreisen interessiert. Wusstest du, dass … … die meisten Wohnungen im alten Rom nur aus ein bis zwei Zimmern bestanden und es in der Regel weder Küche, Bad noch Fenster gab? … das Wort „krass“ in die deutsche Sprache Einzug hielt, nachdem sich Studierende mit dem Leben eines der ersten Immobilienspekulanten, nämlich des Römers Crassus, beschäftigt hatten? … zu HochZeiten auf jedes größere Einfamilienhaus in Rom rund 25 Mietshäuser kamen? … die Stadt Wien einer der größten Immobilieneigentümer der Welt ist? … es in der Antike bereits Wohngemeinschaften gab, um sich die Miete teilen und so leisten zu können? … angemessenes Wohnen ein Menschenrecht ist? … die Wohnungen im Umland von Rom im Durchschnitt gerade Mal rund ein Viertel im Vergleich zu Wohnungen in der Stadt kosteten? … seit 2008 der Preis für Häuser in Österreich dreimal und die Mieten doppelt so stark gestiegen sind wie die Einkommen? M1 Koufogiorgos: Wohnungsmangel erreicht die Mittelschicht. Karikatur, 2017 25 SozialerWohnbau imWien des 20. und 21. Jh. Im Vergleich mit anderen europäischen Städten sind die Mieten in Wien vielfach günstiger. Ein wichtiger Faktor dafür ist die große Bedeutung des sozialen Wohnbaus. Dieser hat in Wien Tradition. Bereits in den 1920ern began man damit, sogenannte Gemeindebauten mit günstigen Wohnungen zu bauen. Gegenwärtig kommen jedes Jahr rund 7000 neue Wohnungen hinzu. Zusätzlich gibt es Förderungen für den Bau gemeinnütziger Wohnungen. So leben heute über 60% der Wiener Bevölkerung in einer vergünstigten Wohnung. Ein Paradies für Mieter/innen Pools auf den Dächern, Sozialbauten schön wie Paläste, dennoch sehr günstige Mieten: Wohnen in Wien ist etwas Besonderes. […] In Wien baut die Stadt Wohnungen für die breite Masse der Bevölkerung, nicht nur für Bedürftige. Eine Sozialwohnung ist kein Stigma, sondern die Norm. […] Das Ziel der sozialen Durchmischung wird hochgehalten. […] „Wien ist aus Mietersicht ein Vorbild für ganz Europa. Sowohl die Anzahl als auch die Mietpreise der sozialen Wohnbauten sind einzigartig. Die Qualität der Bauten und die Ausstattung der Wohnungen ist ebenfalls mit keiner anderen Stadt vergleichbar“, erklärt Steenbergen [= Vorsitzende der Europäischen Mietervereinigung]. M3 Punz: Ein Paradies für Mieter, in: Der Tagesspiegel, 11.3.2019. Online auf: www.tagesspiegel.de (6.6.2021). Ein Paradies für jedermann? Doch auch Wien ist nicht vor Problemen gefeit. Wer nicht in einer geförderten Wohnung wohnt, zahlt für eine gleichwertige Unterkunft bereits jetzt zwischen 200€ und 300€ mehr pro Monat. Schwieriger wird die Lage, weil private Bauträger zunehmend auf Neubauten mit besonders hochpreisigen Wohnungen setzen. Da hierfür die Nachfrage jedoch geringer ist, bleiben viele Wohnungen leer und sorgen nicht für mehr leistbaren Wohnraum. Wohnbau im antiken Rom Bereits im antiken Rommangelte es an Wohnraum. Der Zuzug nach Rom stellte die entstehende Metropole ab dem 2. Jh. v. Chr. vor viele Herausforderungen. Den stetig steigenden Wohnbedarf versuchte man mit mehrstöckigen Bauten zu decken. Diese meist vier bis fünfstöckigen ersten Hochhäuser der Geschichte wurden als „Insulae“ bezeichnet. Innerhalb der Insulae gab es eine klare soziale Abstufung. Im Unterschied zu heute erfreuten sich damals Wohnungen in den unteren Stockwerken besonderer Beliebtheit. Sie waren in der Regel die einzigen mit Zugang zu fließendem Wasser. Außerdem war man bei Bränden wesentlich schneller in Sicherheit. Erhebliche Preisnachlässe pro Etage führten dazu, dass wohlhabende Römerinnen und Römer oft mit ärmeren unter einem Dach lebten. Aber es gab auch beliebtere Stadtviertel mit besser ausgestatteten Mietshäusern. Maßnahmen gegenMietwucher Schon damals ließen sich mit der Vermietung riesige Vermögen verdienen. Gleichzeitig litt der Großteil der Bevölkerung unter den hohen Mietpreisen. Mit dem Gehalt eines Tagelöhners war eine Wohnung in Rom kaum zu bezahlen. Cäsar versuchte mit einer ungewöhnlichen Aktion, die Auswirkungen der hohen Mietpreise für die Ärmsten abzufedern: Er erließ für das Jahr 47 v. Chr. alle Mieten bis zu einem gewissen Betrag. Abgesehen von dieser einmaligen Aktion beschränkten sich Maßnahmen der Politik aber vor allem auf Bauvorschriften, die für mehr Sicherheit sorgen sollten. Eine dauerhafte Lösung brachte erst der wirtschaftliche Abschwung des Weströmischen Reiches. Landhaus statt Stadtwohnung (Beginn 2. Jh.) Wenn du dich von den Zirkusspielen trennen kannst, bekommst du das beste Haus in Sora, Fabrateria oder Frusino für das Geld, das du nun in einem einzigen Jahr für die Miete deines finsteren Lochs ausgibst. M2 Juvenal: Satiren, 3. Satire (223–225), 2017. Jetzt bist du dran: 1. Arbeite heraus, auf welches Problem die Karikatur (M1) verweist, und erläutere seine Ursachen. 2. Erörtere die Praxistauglichkeit von Juvenals Vorschlag (M2). 3. Analysiere, warum Wiens Wohnbaupolitik als „ein Vorbild für ganz Europa“ bezeichnet wird, und nimm unter Berücksichtigung des Autorentextes Stellung zum Titel des Artikels (M3). 160 QUERSCHNITT Immittelalterlichen Europa galten Städte mit 10 000 bis 20 000 Menschen bereits als Großstädte. Dazu gehörten z. B. Brügge, Paris, London und Florenz. Mehr als 90% der europäischen Städte hatten damals weniger als 2000 Einwohner/innen und man würde sie heute als Dörfer oder Kleinstädte bezeichnen. Im Jahr 1000 zählte keine europäische Stadt zu den größten Städten der Welt. Zu den TopTenMetropolen weltweit gehörten Angkor ( Kambodscha), Kaifeng ( China), Cahokia ( USA) und Kairo ( Ägypten). Aktiviere dein Vorwissen: 1. Recherchiere die zurzeit bevölkerungsreichsten fünf Städte weltweit und lokalisiere sie auf der Weltkarte. Liste Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf ihre geografische Lage auf. Vergleiche diese Ergebnisse mit den Informationen zur bevorzugten Lage von Städtegründungen im europäischen Mittelalter (s. S. 124). 2. Benenne Freiheiten und Möglichkeiten, die mittelalterliche Städte ihrer Bevölkerung boten. Vergleiche diese Situation mit dem Leben in modernen Städten und diskutiere: Macht Stadtluft auch heute noch frei? Die europäische Stadt – ein Dorf? DieWelt umdas Jahr 1000. Großstädte auf drei Kontinenten Wo gab es um das Jahr 1000 große Städte? Worin ähnelten sie einander und wodurch unterschieden sie sich? Nach dem Untergang Westroms und dem Verfall der von den Römern gegründeten Städte dauerte es Jahrhunderte, bis in Europa nördlich der Alpen das städtische Leben wieder aufblühte. Atlantischer Ozean Atlantischer Ozean Pazifischer Ozean Pazifischer Ozean Pazifischer Ozean Indischer Ozean Europäisches Nordmeer Nordsee Schwarzes Meer Baffin Bay Golf von Mexiko Golf von Alaska Karibisches Meer Hudson Bay Barentssee Arabisches Meer Korallenmeer Tasmansee Golf von Bengalen Beringmeer Beringmeer Ochotskisches Südchines. Meer Ostchinesisches Meer Japan. Meer Meer Nordpolarmeer Nordpolarmeer Ostsee Kaspisches Meer Rotes Meer Golf v. Aden Pers. Golf Golf v. Oman Mittelmeer Córdoba Cahokia Kairo Angkor M1 Die Welt um das Jahr 1000. Großstädte auf drei Kontinenten Im Jahr 1050 lagen die drei größten Städte Europas in maurisch besetzten Teilen Spaniens und Italiens. Erst Mitte des 11. Jh. erwachten ursprünglich römische Städte, wie Mainz und Köln, wieder zum Leben und wurden neue Städte, wie Leipzig und Berlin, gegründet. 161 Cahokia – erste Großstadt Nordamerikas M2 Monk Mound, der größte prähistorische Erdbau Amerikas, im heutigen US-Bundesstaat Illinois, 2021 Die Mississippians Über die Bewohner/innen von Cahokia weiß man wenig. Es gibt aber Hinweise auf eine streng hierarchische Struktur in der Gesellschaft. Gehandelt wurde unter anderem mit Feuerstein, Kupfer und Muscheln. Die Landwirtschaft, speziell der Anbau von Mais, war wesentlich für die Ernährung der Bevölkerung. Dabei dürften die Frauen eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Mississippians besaßen astronomische Kenntnisse, wie die sogenannten Woodhenges belegen. Diese aus Holzpfeilern bestehenden Kreise wurden zur Berechnung von Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen genutzt. Ein eilig aufgestellter hölzerner Verteidigungswall weist auf eine Bedrohung von außen hin. Viele Fragen blieben aber bislang offen, auch weil es sich bei der MississippiKultur um eine schriftlose Kultur handelte. So ist bis heute nicht gesichert, warum die Stadt im 15. Jh. verlassen wurde. Noch vor den Entdeckungsfahrten der Europäer gab es in Nordamerika bereits die erste Megacity, heute bekannt unter dem Namen Cahokia. Dort lebten im Jahr 1000 wahrscheinlich mehr Personen als im damaligen London. Schätzungen gehen von 10 000 bis 20 000 Menschen, teilweise sogar von bis zu 30 000 Menschen aus. Cahokia war die bevölkerungsreichste und größte Stadt Nordamerikas. Die Überreste Cahokias befinden sich im heutigen USBundesstaat Illinois nahe St. Louis. Wie die Stadt ursprünglich geheißen hat, weiß man nicht. Erst europäische Siedler/innen gaben ihr den Namen Cahokia, nach einem der zwölf Indianerstämme, die in diesem Gebiet lebten. Die historische Stätte ist seit 1982 UNESCOWeltkulturerbe. Stadtstruktur und „mounds“ Cahokia war eine geplante Stadt, die sich mitten in der Prärie des MississippiGebietes über 15 km2 erstreckte. Sie war das Zentrum der sogenannten MississippiKultur. Die Bewohner/innen, Mississippians genannt, errichteten etwa 120 künstliche Hügel („mounds“). Der größte von ihnen, Monk’s Mound, ist heute immer noch 30 Meter hoch und hat eine Grundfläche von 300 x 240 Metern; Monk’s Mound ist der größte prähistorische Erdbau in Amerika. Um diesen Hügel aufzuschütten und zu bauen, trugen die Einwohner/innen von Cahokia 300 Jahre lang, zwischen 900 und 1200, Erde in Körben heran. Auf der Spitze befand sich vermutlich die Residenz eines Herrschers oder Priesters. Den Namen erhielt der Hügel allerdings erst von französischen Mönchen, die im 19. Jh. in diese Gegend kamen. Jetzt bist du dran: 1a. Recherchiert in Kleingruppen weitere Informationen zu den Cahokia Mounds im Internet. (Linktipp) 1b. Präsentiert einen Aspekt der MississippiKultur, der euch besonders interessant erscheint. 2. Rufe mit der QuickMediaApp den Podcast über Cahokia auf. Du hörst ein Gespräch mit dem Kulturanthropologen Michael Hochgeschwender. 3. Löse die interaktiven Aufgaben zum Podcast mit dem Kulturanthropologen Michael Hochgeschwender. So arbeitest du mit dem Buch 112 Die unumgängliche Perspektivität und Intention von historischen Quellen feststellen Um die Bedeutung einer Quelle richtig zu beurteilen, ist es notwendig, herauszufinden, aus welcher Perspektive, also aus welchem Blickwinkel, sie geschrieben wurde und welche Absicht (Intention) der Verfasser bzw. die Verfasserin hatte. Außerdem ist es wichtig, dass du erkennst, welche Perspektive du selbst bei der Arbeit mit der Quelle einnimmst, denn dein Blickwinkel wird zwangsläufig durch Faktoren wie dein Vorwissen, deine Weltsicht, durch gesellschaftliche Normen u. Ä. mit beeinflusst. Perspektivität und Intention von Quellen herausarbeiten – so gehst du vor: − Stelle die Urheberin oder den Urheber der Quelle und den Entstehungszeitraum oder das Entstehungsdatum fest. Untersuche, ob die Verfasserin/der Verfasser etwas Zeitgenössisches erzählt oder ob sie/er mit zeitlichem Abstand berichtet. − Arbeite heraus, ob die Verfasserin bzw. der Verfasser über Selbsterlebtes berichtet oder sich auf Darstellungen anderer stützt. − Untersuche den geografischen Bezug, d. h., stelle fest, ob die Verfasserin/der Verfasser einen geografischen Bezug zum Thema hatte oder nicht. − Untersuche, aus welchem Blickwinkel die Quelle verfasst ist. Recherchiere dafür den Hintergrund der Autorin bzw. des Autors, z. B. welche religiösen, politischen, gesellschaftlichen oder biografischen Faktoren sie bzw. ihn beeinflussten. − Recherchiere, ob die Quelle als Auftragswerk entstanden ist. Wenn ja, in wessen Auftrag und zu welchem Zweck? − Untersuche, ob die Quelle sich an ein Publikum richtet. Wenn ja, welche Wirkung sollte sie erzielen? 2.9 Perspektivität und Intention von Quellen: Der Kreuzzugsaufruf von Urban II. Eine wichtige Quelle zu den Kreuzzügen stellt der Bericht „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ („Die Taten der Franken und anderer, die nach Jerusalem gingen“) aus der ersten Hälfte des 12. Jh. dar. Der Autor dürfte dem Gefolge des Normannenfürsten Bohemund von Tarent angehört haben. Der Aufruf Papst Urbans II. zum ersten Kreuzzug am 27. November 1095 im französischen Clermont muss den Überlieferungen zufolge sehr mitreißend gewesen sein. Der genaue Wortlaut ist unbekannt, da es kein Redetranskript gibt. Es existieren jedoch zahlreiche Überlieferungen, wie in den „Gesta Francorum“. Kreuzzugsaufruf Urbans II. nach den „Gesta Francorum“ (1095) Es ist notwendig, über alles geliebte Brüder, daß ihr euren Mitbrüdern im Orient unverzüglich zu Hilfe eilt. Wie den meisten von euch schon mitgeteilt wurde, haben die Türken und Araber sie […] überfallen […]; sie haben die Länder der Christen besetzt und erobert, wobei sie viele Menschen umbrachten, Kirchen zerstörten und das Königreich verwüsteten. […] Darum ermahne ich euch flehentlich, d. h. nicht ich, sondern der Herr; […] Christus aber befiehlt es. Allen aber, die dorthin gehen und dabei, sei es auf demMarsch oder sei es im Kampf, den Tod riskieren, wird die sofortige Vergebung ihrer Sünden zuteil werde; dies sichere ich allen zu, die gehen werden, da ich von Gott mit dieser Gabe ausgestattet bin. Oh, welche Schande, wenn eine Menschenart, so verabscheuungswürdig, so verkommen, dem Teufel untertan, das Volk des allmächtigen Gottes, das mit dem Glauben beschenkt ist, in dieser Weise überwältigt! Oh, wieviel Sünden werden euch vom Herrn selbst angerechnet werden, wenn ihr Ihnen nicht helft! Nun sollen Soldaten Christ werden, die gerade noch Räuber waren; jetzt sollen rechtmäßig die gegen Barbaren kämpfen, die einst gegen Brüder und Blutsverwandte stritten. M1 Gemein/Cornelissen: Kreuzzüge und Kreuzzugsgedanke in Mittelalter und Gegenwart, 1992, S. 44 (alte Rechtschreibung). Zit. nach: Hinz: Die Kreuzzüge, 2017, S. 114. Jerusalem hat für alle drei monotheistischen Weltreligionen eine zentrale Bedeutung. Jüdinnen und Juden verehren den Tempelberg und die Klagemauer, die Reste des ersten Tempels. Christinnen und Christen verehren die Grabeskirche und für Muslimas und Muslime ist der Felsendom eines der bedeutendsten Heiligtümer. KOMPETENZTRAINING 113 Bericht eines europäischen Chronisten in den „Gesta Francorum“ über die Einnahme Jerusalems (1099) Inside the city, our pilgrims chased after and killed Saracens right up to the Temple of Solomon […]. When the pagans were defeated, our men captured men and women in the temple and they killed those that they wanted and they let live those that they chose. On top of the Temple of Solomon were gathered a great many pagans, of both sexes. […] And then our men rushed throughout the city, seizing gold and silver, horses and mules, and houses filled with all good things. […]. There were so many dead pagan men that no one has heard of nor seen the like; and they were then laid up on pyres [= Scheiterhaufen]. M3 Dass: The Deeds of the Franks and Other Jerusalem-Bound Pilgrims, 2011, S. 104. Bericht des arabischen Historikers Ibn al-Atir über die Einnahme Jerusalems (1099) Die Franken [= Kreuzritter] wandten sich also gegen Jerusalem […]. Die Einwohner wurden ans Schwert geliefert und die Franken blieben eine Woche in der Stadt, während sie die Einwohner mordeten. Eine Gruppe von diesen suchte Schutz in Davids Bethaus, verschanzte sich dort und leistete einige Tage Widerstand. Nachdem die Franken ihnen das Leben zugesichert hatten, ergaben sie sich. Die Franken hielten den Vertrag […]. [In der Al AqsaMoschee aber] töteten die Franken mehr als 70.000 Muslime, unter ihnen viele […], die ihr Land verlassen hatten, um in frommer Zurückgezogenheit an diesem heiligen Ort zu leben. Aus dem Felsendom raubten die Franken mehr als 40 Silberleuchter […] und andere unermeßliche Beute. M4 Gabrieli (Hg.): Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, 1975, S. 49–50 (alte Rechtschreibung). M2 Zweikampf zwischen einem Kreuzritter und einem muslimischen Ritter, manchmal gedeutet als Zweikampf zwischen Richard I. Löwenherz und Sultan Saladin. Buchmalerei, England, um 1340 Jetzt bist du dran: Verwende zur Bearbeitung der Aufgaben auch die Informationen im Kapitel 2.8. Die Kreuzzüge (S. 110–111). 1. Untersuche die Rede von Papst Urban II. (M1). Arbeite heraus, wozu er aufruft, was er verspricht und welche Argumente er für die Teilnahme am Kreuzzug nennt. 2. Analysiere orientiert an der Anleitung auf Seite 110, aus welchem Blickwinkel und mit welcher Absicht er seine Rede gehalten hat. 3. Recherchiere zu M3, stellvertretend für den anonymen Verfasser, den Kreuzritter Fürst Bohemund von Tarent. Skizziere in Stichworten seinen religiösen, gesellschaftlichen oder biografischen Hintergrund. Arbeite heraus, aus welchem Blickwinkel der anonyme Verfasser den ersten Kreuzzug betrachtet. 4. Arbeite Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Darstellungen M3 und M4 heraus. 5. Recherchiere, an wen sich die Texte ursprünglich gerichtet haben und welche Wirkung sie wohl erzielen sollten. 6. Untersuche die Darstellung des Kampfes zwischen den beiden Rittern (M2). Achte besonders auf die Gesichter der Kämpfenden und die Köpfe der Pferde. 7. Arbeite heraus, aus welcher Perspektive die Miniatur gemalt wurde und welche Absicht ihr zugrunde liegt (M2). Beziehe die Informationen aus der Bildunterschrift mit ein. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

2000 5 Das Maturakapitel bildet in allen Bänden von Alles Geschichte! den Abschluss. Es bietet Informationen zu Operatoren, Anforderungsniveaus und Aufgabenformaten, eine motivierende „Warm-up“-Aufgabe mit bereits bekannten Inhalten sowie eine Maturaaufgabe, die du selbstständig bearbeiten sollst. Längsschnitte vermitteln Wissen über längerfristige Entwicklungen und stellen einen unmittelbaren Gegenwartsbezug und Bezug zur Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern her. Die Seite „Lebendige Geschichte“ gibt Hinweise, wo und wie Geschichte außerhalb des Schulgebäudes erfahrbar ist. 166 LÄNGSSCHNITT Ab Ende des 9. Jh. kam die fränkische Ordnung im Gebiet des heutigen Österreichs allmählich in eine Krise. Das Reitervolk der Awaren, die im heutigen Ungarn siedelten, war von Karl dem Großen um 811 endgültig unterworfen worden; es war nun dem Frankenreich zu Abgaben verpflichtet. An ihrer Stelle griffen die Magyaren, ebenfalls ein nomadisches Reitervolk aus den Steppen Eurasiens, in das Geschehen ein. Sie führten Raubzüge in Europa durch und eroberten das „Marcha orientalis“ genannte Gebiet. Die Schlacht auf demLechfeld 955 wurden die Magyaren in der Schlacht auf dem Lechfeld vom ostfränkischen König Otto I. geschlagen. Nach dieser Niederlage zogen sie sich nach Westungarn zurück und verließen das Gebiet des heutigen Österreichs; nur das heutige Burgenland blieb in ihrem Machtbereich. Dies bot nun die Möglichkeit, das Gebiet politisch (neu) zu organisieren. Die Babenberger Österreich imMittelalter Salzach Etsch Gardasee Po Inn Inn Drau Save Adria Mur Enns Donau Rhein Rhein Bodensee Donau Mühlhausen Habsburg Zürich Innsbruck Lienz Kufstein Salzburg Passau Melk Linz Wien Bruck Wr. Neustadt Seckau Graz Klagenfurt Cilli Triest Trient Bozen Meran Österreich ober der Enns unter der Enns Kärnten Cilli Krain Istrien Tirol Sundgau Breisgau Eidgenossenschaft Burgau Vor de rÖs te r r e i ch Görz Steiermark Montfort Bayern Böhmen Mähren Ungarn Kroatien Venedig Italien Mailand Salzburg zu Görz zu Cilli Ostarrichi 996 1030 1156 1246 Babenberger Erweiterungen bis: Besitz 1285 1335 1363 1400 1500 Habsburger Erweiterungen bis: 1504 verlorene Gebiete 0 50 100 km heutige Staatsgrenze M1 Herrschaftsbereich der Babenberger und der frühen Habsburger (10.–15. Jh.) MATURATRAINING 178 • ANFORDERUNGSBEREICH III, Reflexion: Reflexionsaufgaben verlangen, dass du dich selbstständig mit Problemstellungen auseinandersetzt und z. B. Sachverhalte beurteilst, bewertest oder Schlussfolgerungen daraus ziehst (z. B. S. 10– 11). Auch deine Methodenkenntnisse sollen dich dabei unterstützen, selbstständig Begründungen, Interpretationen und Bewertungen zu entwickeln, wobei im Allgemeinen der Diskussionsaspekt im Zentrum steht. Das Format „Maturaaufgabe“ mit dem dreischrittigen Aufbau Reproduktion – Transfer – Reflexion ist zwar neu für dich, aber mit Einzelaufgaben aus allen drei Bereichen bist du durch den Unterricht in der Unterstufe und in der 5. Klasse bereits vertraut. Auch die Aufgaben in den Kompetenztrainingskapiteln von „Alles Geschichte! 5“ sind bereits eine Vorbereitung für das Lösen von Maturaaufgaben. Beim Bearbeiten von Seite 180 wirst du feststellen, dass dir einiges bereits bekannt ist, und dass es gar nicht so schwierig ist, eine Maturaaufgabe zu lösen. Schritt für Schritt in RichtungMatura Einige von euch werden im Fach Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung maturieren. „Alles Geschichte!“ unterstützt euch bei der Vorbereitung. In diesem Kapitel lernt ihr das Format, d. h. die spezielle Form, der Maturaaufgaben kennen. Die Maturaaufgaben überprüfen Wissen und Kompetenzen auf drei Ebenen: Reproduktion, Transfer und Reflexion. • ANFORDERUNGSBEREICH I, Reproduktion: Reproduktionsaufgaben verlangen die Wiedergabe von Wissen und das Herausarbeiten von Zusammenhängen. Auch der richtige Einsatz von Arbeitstechniken zur Erschließung von Quellen und Darstellungen, z. B. das Benennen der Quellenart oder die Unterscheidung von Quelle und Darstellung (s. S. 6–9), gehört in den Bereich der Reproduktion. • ANFORDERUNGSBEREICH II, Transfer: Transferaufgaben überprüfen, ob du vorhandenes Wissen anwenden kannst. Du musst Inhalte selbstständig erklären, bearbeiten und einordnen; dabei sollst du auch dein Methodenknowhow einsetzen, z. B. beim Analysieren von Quellen, die du vorher noch nie bearbeitet hast (z. B. S. 22–23). Aufbau vonMaturaaufgaben und Anforderungsbereiche M1 Alexander „der Große“ während der Schlacht bei Issos gegen die Perser unter Darius III. Römisches Mosaik, kaiserzeitlich, nach einem griechischen Gemälde des 4. Jh. 167 Die Babenberger festigen ihre Herrschaft Nach dem Sieg über die Magyaren wurde an der Donau eine Grenzmark eingerichtet, mit der 976 Markgraf Leopold I. aus der Dynastie der Babenberger belehnt wurde. Sie stand zunächst in Lehensabhängigkeit zum Herzogtum Bayern. Ausgehend von der Gegend um Melk vergrößerten die frühen Babenberger ihren Machtbereich entlang der Donau vor allem auf Kosten der Magyaren. Im beginnenden 11. Jh. verhinderte die zunehmende Christianisierung Ungarns die weitere Expansion nach Osten. Der Schwerpunkt der Bestrebungen der Babenberger verlagerte sich nun auf eine Binnenkolonisation durch Siedlungsausbau und Klostergründungen. Der Name Österreich Unter Leopolds Sohn Heinrich I. wurde 996 die sogenannte OstarrîchiUrkunde ausgestellt, in welcher Kaiser Otto III. dem Bischof von Freising das Gut Neuhofen an der Ybbs schenkte. Für die österreichische Geschichtsschreibung bedeutsam ist die Formulierung „in jenem Gebiet, das in der Volkssprache Österreich genannt wird“. Hierbei handelt es sich um die erste urkundliche Erwähnung des Namens Österreich. In anderen Urkunden findet sich wenig später auch die Bezeichnung Austria. Prestigegewinn und Aufstieg imReich Leopold III. (1095–1136) stellte sich im Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser auf die Seite des Kaisers (s. S. 106). Kurz darauf unterstützte er entgegen seiner Lehenspflicht Heinrich V., Sohn Kaiser Heinrichs IV., der seinen Vater 1106 entmachtete. Durch die Vermählung mit Heinrichs Schwester heiratete er in die mächtigsten Familien des Reiches ein – die Staufer und die regierenden Salier. Die ihm angebotene Kandidatur für den Thron des Reiches nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. lehnte er jedoch ab. Aufschwung durch Förderung der Städte und Klöster Leopold III. verstärkte die Förderung der Städte und Klöster in seinem Herrschaftsbereich und gründete unter anderem die Klöster Klosterneuburg, Heiligenkreuz und KleinMariazell. Sein Sohn Heinrich II. setzte das Prinzip der strategisch klugen Hochzeiten fort – er heiratete Theodora Komnena, die fünfzehnjährige Nichte des byzantinischen Kaisers. Loslösung von Bayern und Herzogwürde Nach einem Konflikt zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Bayern aus der Dynastie der Welfen erlangte Leopold IV. 1139 Bayern. Bereits 1154 wurde es jedoch unter Kaiser Friedrich Barbarossa den Welfen zurückgegeben. Als Entschädigung erhielten die Babenberger unter Heinrich II. Jasomirgott 1156 eine Sonderstellung, die im „Privilegium minus“ festgeschrieben wurde. Mit dieser Urkunde wurden die Länder der Babenberger von Bayern gelöst und zu einem eigenständigen Herzogtum erhoben. Dabei erhielten sie weitere Vorrechte. M2 Ausschnitte aus dem Babenberger Stammbaum, einer Tafelmalerei im Stift Klosterneuburg, zwischen 1489 und 1492 179 Operatoren des Anforderungsbereichs I: Reproduktionsaufgaben Operator Bedeutung der Operators Beispiel aus „Alles Geschichte! 5“ herausarbeiten Zusammenhänge unter bestimmten Aspekten aus dem zur Verfügung gestellten Material erkennen und wiedergeben beschreiben wichtige Sachverhalte aus (Vor)Wissen oder aus dem zur Verfügung gestellten Material systematisch und logisch wiedergeben zusammenfassen Sachverhalte auf das Wesentliche reduzieren und geordnet darlegen Auch: (be)nennen, ermitteln, feststellen, skizzieren, schildern, aufzeigen, auflisten, wiedergeben, lokalisieren, darlegen, definieren Operatoren des Anforderungsbereichs II: Transferaufgaben Operator Bedeutung des Operators Beispiel aus „Alles Geschichte! 5“ analysieren Sachverhalte oder Materialien systematisch untersuchen oder auswerten erklären Sachverhalte und Materialien durch eigenes Wissen in einen Zusammenhang einordnen und begründen vergleichen Sachverhalte und Materialien gegenüberstellen, um so Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten Auch: erläutern, auswerten, einordnen/zuordnen, untersuchen, begründen, charakterisieren, gegenüberstellen, anwenden Operatoren des Anforderungsbereichs III: Reflexionsaufgaben Operator Bedeutung des Operators Beispiel aus „Alles Geschichte! 5“ erörtern durch Pro und ContraArgumente eine Problemstellung begründet beurteilen beurteilen den Stellenwert von Aussagen, Behauptungen und Urteilen bestimmen, um so zu einem begründeten Urteil zu gelangen interpretieren aus Material Sinnzusammenhänge methodisch herausarbeiten und begründet Stellung nehmen Auch: darstellen, Stellung nehmen, entwickeln, diskutieren, (über)prüfen, formulieren, kritisieren Jetzt bist du dran: 1. Arbeitet zu zweit. Sucht in eurem Geschichtebuch zu jedem der in der Tabelle erklärten Operatoren ein Beispiel. Überprüft, ob ihr beim Lösen der Aufgabe tatsächlich jene gedanklichen „Operationen“ durchführt, die den Anforderungsbereichen „Reproduktion“, „Transfer“ und „Reflexion“ zuzuordnen sind. 2. Klärt gemeinsam mit eurer Lehrperson die Bedeutung aller Operatoren, die ihr nicht kennt. 3. Überprüfe, wie gut du die Bedeutung häufig vorkommender Operatoren kennst. Löse die interaktiven Aufgaben. Aufgabenformulierungenmit Operatoren In Geschichteschulbüchern werden Aufgabenstellungen meistens mit Hilfe von Operatoren formuliert, d. h. mit Hilfe von Verben, die zu Handlungen anleiten, wie „beschreibe“, „analysiere“, „beurteile“ usw. Ihre Bedeutung ist genau festgelegt und unterscheidet sich manchmal von der allgemeinsprachlichen Bedeutung dieser Verben. In der folgenden Tabelle findest du Beispiele für einige häufig vorkommende Operatoren. 1. Scanne den QR-Code und lade die App auf dein Smartphone oder dein Tablet. 2. Scanne deinen Buchumschlag oder wähle dein Schulbuch in der App-Medienliste aus. 3. Scanne eine mit gekennzeichnete Buchseite oder wähle ein Audio/Video aus der App-Medienliste aus. 4. Spiele das Audio/Video ab. Alles Geschichte! Digital Alles Geschichte ist als Lehrwerk mit gedruckten und digitalen Inhalten konzipiert. Die digitalen Inhalte sind integrativ im Schulbuch verankert. Das Digitalpaket für Schülerinnen und Schüler enthält Videos, Podcasts, interaktive Aufgaben und sich aufbauende Karten. So funktioniert’s: Registriere dich mit dem Nutzerschlüssel (den du auf der hinteren Umschlaginnenseite deines Buches findest) auf der Website www.oebv.at unter Mein öbv (rechts oben) und erhalte alle digitalen Materialien und interaktive Übungen zu „Alles Geschichte! 5“ QuickMedia App Android iOS Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

6 Geschichte und Vergangenheit sind zwei Begriffe, die uns sowohl im Alltag als auch im fachlichen Kontext in unterschiedlichen Bedeutungen begegnen. Für den Geschichtsunterricht und die Geschichtswissenschaft sind die Abgrenzung und die Unterscheidung wesentlich, weil die Vergangenheit nur zu einem kleinen Teil aufgrund von Überlieferung rekonstruiert werden kann. Geschichte kann somit kein allumfassendes Bild der Vergangenheit bieten, sondern nur jenen Ausschnitt, der auf den vorhandenen Quellen beruht. Vergangenheit kann von jeder Generation neu gedeutet und (re-)konstruiert werden. Geschichte wird immer wieder neu geschrieben, weil sie unter anderem versucht, gesellschaftliche Fragen der Gegenwart mit Blick auf die Vergangenheit zu beantworten. Die Sicht auf vergangenes Geschehen ist somit nicht nur von der historischen Quellenlage, sondern auch von der aktuellen Fragestellung abhängig. Daraus lässt sich Folgendes ableiten: • Vergangenheit ist alles, was jemals geschehen ist. • Geschichte wirft auf dieses Geschehen einen Blick aus der Gegenwart und nimmt dazu die vorhandenen Quellen zu Hilfe. Sie erzählt, was sich Menschen unter der Vergangenheit vorstellen, und ist somit eine Rekonstruktion bzw. Reflexion des Geschehenen. Obwohl es unzählige Antwortversuche auf die Frage „Was ist Geschichte?“ gibt, kann keine Definition allen Ansprüchen gerecht werden. Edward Carr zum Begriff Geschichte […], Geschichte ist ein fortwährender Prozeß der Wechselwirkung zwischen dem Historiker und seinen Fakten, ein unendlicher Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit. M1 Carr: Was ist Geschichte?, 1981, S. 30 (alte Rechtschreibung). Jörn Rüsen zur Vergegenwärtigung von Geschichte Geschichte wird die Vergangenheit erst, wenn sie als solche gedeutet wird; […]. M2 Rüsen: Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I: Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft, 1983, S. 59. Karl Brunner zum Umgang mit Geschichte Nicht der Inhalt, der Umgang mit Geschichte ist es wert, daß man sich damit beschäftigt. Der Umgang mit der Geschichte ist das Übungsfeld für den Umgang mit der Gegenwart. Grundsätzlich ist es dabei ziemlich gleichgültig, wie lange es her ist. M3 Brunner: Einführung in den Umgang mit Geschichte, 2004, S. 39 (alte Rechtschreibung). 1 Einführung in die Geschichte 1.1 Begriffsklärung: Geschichte – Vergangenheit, Quelle – Darstellung Die Begriffe „Geschichte“ und „Vergangenheit“ klären und hinsichtlich ihrer Verwendung differenzieren Um historische Sachkompetenz zu entwickeln, solltest du Begriffe, Kategorien und Konzepte der Geschichte verstehen und anwenden können. Als Einstieg beschäftigst du dich mit der Frage, weshalb die Begriffe Geschichte und Vergangenheit im Geschichtsunterricht und in der Geschichtswissenschaft unterschieden werden. Die Begriffe Geschichte und Vergangenheit klären und richtig verwenden – so gehst du vor: −−Beschäftige dich mit den Unterschieden zwischen den beiden Begriffen. Erkenne deren Bedeutung. −−Finde mit Hilfe der Ausführungen im folgenden Text eine Antwort auf die Frage „Was ist Geschichte?“. Jetzt bist du dran: 1. Begründe mit Hilfe des Textes und der Zitate (M1–M3), warum Geschichte von jeder Generation neu geschrieben wird. 2. Nenne Beispiele für Situationen, in welchen es für dich interessant wäre, mehr über die Vergangenheit zu wissen. KOMPETENZTRAINING Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

7 Die Begriffe „Quelle“ und „Darstellung“ klaren und hinsichtlich ihrer Verwendung differenzieren Im Geschichtsunterricht lernst du viele Begriffe zu verstehen, die für das Verständnis der Vergangenheit und der Geschichtswissenschaft grundlegend sind. Du hast dich bereits mit der Bedeutung und Verwendung von Geschichte und Vergangenheit beschäftigt. Ähnlich wesentlich ist die Unterscheidung der Begriffe Quelle und Darstellung. Die Begriffe Quelle und Darstellung unterscheiden – so gehst du vor: −−Arbeite anhand der Erläuterungen die genaue Bedeutung der beiden Begriffe heraus. −−Formuliere in eigenen Worten Definitionen für die beiden Begriffe. −−Untersuche, ob es sich um eine Überlieferung oder um Überreste aus der Vergangenheit handelt, d. h. um Quellen, oder um Erzählungen über die Vergangenheit aus späterer Zeit, d. h. um Geschichtsdarstellungen. Die Form der Geschichtsdarstellungen ist u. a. abhängig von: • Autor/in, Maler/in, Schöpfer/in usw. – Wie wird mit vorhandenen Quellen umgegangen, wie werden sie gedeutet? • den Quellen, die zur Verfügung stehen • der Zielgruppe, an die sich die Darstellung richtet • Zweck und Ziel der Darstellung • der Entstehungszeit Unterschiede anhand von Beispielen erkennen: Quelle oder Darstellung? Der Zerfallsprozess des Römischen Reiches wurde von vielen Historikerinnen und Historikern im Laufe der Zeit analysiert und man versuchte, Gründe für den Niedergang eines einst so imposanten Imperiums zu finden. Dazu gab es bereits in der Antike kritische Stimmen, die über den moralischen Verfall und die Dekadenz Roms klagten. Diese Begründung für das Ende des Weströmischen Reiches 476 wurde auch in späteren Untersuchungen übernommen. Andere Studien erkannten die Ursache des Zerfalls im immer größer werdenden Druck auf Rom von außen durch „Völkerwanderung“ (s. S. 90) und Grenzkonflikte. Wieder andere sahen die Bürgerkriege als Hauptgrund für den Zerfall. Die Betrachtungsweise änderte sich im Laufe der Geschichte, wie die folgenden Texte zeigen: Ammianus Marcellinus über die mangelnde Disziplin und Dekadenz der römischen Soldaten in der Spätantike (4. Jh.) Die Soldaten, zu weichlich, einen Kriegsgesang anzustimmen, dachten nur noch an Liedlein, benützten auch nicht wie zuvor den Stein als Ruhestätte, sondern Federkissen und nachgiebige Bettstellen, und die Becher waren, da man sich aus Tongeschirr nunmehr zu trinken schämte, gewichtiger als die Schwerter. Und nur aus Marmor durften die Häuser sein, nach denen man verlangte […]. So frech und raublustig aber war in jenen Tagen der Soldat gegen seine eigenen Landsleute, feig und schlapp jedoch angesichts der Feinde […]. M4 Ammianus: Das Römische Weltreich vor dem Untergang, Buch 22 (4, 6), 1974, S. 340. Ammianus war ein Reiteroberst und Historiker im 4. Jh. Wir haben keinen direkten Zugang zur Vergangenheit, sondern können sie nur mit Hilfe von Quellen erschließen. Diese Quellen lassen sich folgendermaßen einteilen: • Sachquellen/dingliche Quellen (Münzen, Bauwerke, Gegenstände des Alltags …) • Bildquellen (Gemälde, Filme, Fotos …) • Textquellen/schriftliche Quellen (Briefe, Tagebücher, Urkunden, Akten …) • abstrakte Quellen (mündliche Überlieferungen, Volksfeste, Gebräuche…) Aus all diesen Arten von Quellen gewinnen Historikerinnen und Historiker ihre Erkenntnisse über die Vergangenheit. Quellen sind Zeugnisse aus der Vergangenheit, d. h. Überlieferungen oder Überreste aus der Vergangenheit, z. B. Gegenstände, Texte, Bilder, Lieder, Gebäude (s. o.). Geschichtsdarstellungen sind „Erzählungen“ (in verschiedenen Formen) über die Vergangenheit und entstehen oft auf der Basis von Quellen, wie z. B. Geschichte-Schulbuchtexte, Geschichte-Sachbücher, Studien, Filme, Bilder. Eine Geschichtsdarstellung kann auch älter sein, wichtig ist, dass sie über die Vergangenheit berichtet. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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