104 KOMPETENZTRAINING Deutschland und Österreich waren in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs andauernden Luftangriffen der Alliierten ausgesetzt. Obwohl militärische und wirtschaftliche Anlagen und die Infrastruktur die hauptsächlichen Angriffsziele darstellten, wurden vor allem in den Städten auch öffentliche Bauten und Wohnhäuser zerstört. Während des Krieges wurden bei den Aufräumarbeiten vorrangig Zwangsarbeiter/innen eingesetzt. Zu Kriegsende begann dann – zunächst notdürftig – der Wiederaufbau der zerstörten Gebäude und Infrastruktur. In diesen ersten Nachkriegsjahren wurde der Mythos der Trümmerfrau geschaffen, die heldenhaft und freiwillig die Schwerarbeit des Schuttwegräumens und des Aufbaus durchführte. In der BRD und der DDR wurden den Trümmerfrauen vielerorts Denkmäler errichtet. Das eine Bild der Trümmerfrau in Österreich In der österreichischen Presse der Nachkriegszeit findet sich der Begriff der Trümmerfrau erstmalig in der Zeitung Kurier in einem Artikel über die Verhältnisse in Deutschland. Auch auf den Fotografien zu den Aufräumarbeiten sind oft nur Frauen zu sehen. Auszug aus „Ein Leben unter Trümmern. Krieg und Nachkriegszeit haben in Deutschland einen neuen Frauentyp geschaffen“ (1950) Oft studiert der Mann fertig, weil ihn der Militärdienst aus den ersten Semestern gerissen hat. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Bauhilfsarbeiter, das Studium betreibt er bei Petroleumlicht in den Abendstunden. Und da hilft die Trümmerfrau mit. Sie trägt, wie er, die blauen Leinenhosen. Einen Rock kennt sie oft gar nicht mehr. M1: Aus: Wiener Kurier, 26. Juli 1950, S. 14. 1.2 Geschichtsdarstellungen kritisch betrachten (dekonstruieren): Das Bild der „Trümmerfrau“ Darstellungen der Vergangenheit kritisch systematisch hinterfragen (dekonstruieren) Im Alltag begegnen uns selten historische Quellen, oft aber Geschichtsdarstellungen, die uns die Vergangenheit auf unterschiedliche Weise zeigen. Unter anderem Spielfilme, Dokumentationen, Computerspiele und Comics mit geschichtlichen Themen vermitteln bestimmte Vorstellungen der Vergangenheit. Diese Vorstellungen unterliegen unterschiedlichen Einflüssen. So fließen z. B. persönliche Sichtweisen, politische Überzeugungen, gegenwärtige Normen und Moralvorstellungen in die Darstellungen der Vergangenheit ein – manchmal mit Absicht, manchmal unbewusst. Aus diesem Grund ist es notwendig, Geschichte nicht nur passiv als Gewesenes zu konsumieren, sondern sich auch aktiv mit den Darstellungen auseinanderzusetzen. Historische Darstellungen kritisch betrachten – so gehst du vor: − Bestimme die Art der Geschichtsdarstellung. Handelt es sich um eine bildliche oder eine schriftliche Darstellung oder um einen von bestimmten Vorstellungen geprägten Begriff? − Recherchiere, auf welchen Quellen die Darstellung beruht. Beurteile diese Quellen kritisch. − Beurteile die Darstellung aus historischer Perspektive. Haben sich im Lauf der Zeit die Darstellung und ihre Bedeutung geändert? Wurde die Darstellung zur Instrumentalisierung bestimmter Themen eingesetzt? − Stelle die Darstellung dem historisch belegten Sachverhalt gegenüber und beurteile diese in Bezug auf den objektiven Sachverhalt. M2: Franz Blaha: Trümmerfrauen. Fotografie 1946 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==