107 Der Eiserne Vorhang trennt Europa Unmittelbar nach Kriegsende in Europa kam es zu ersten Spannungen zwischen den westlichen Alliierten und der UdSSR. Die UdSSR unterstützte in den von der deutschen Besetzung befreiten Ländern Osteuropas die Bildung von kommunistischen Regierungen. Der britische Premierminister Winston Churchill gab daraufhin eine militärische Studie in Auftrag mit der Frage, ob die UdSSR zu einem „fairen Deal“ für Polen gezwungen werden konnte. Die als „Operation Unthinkable“ bezeichnete Studie ergab, dass dieser Plan nicht umsetzbar war. Unmittelbar nach der Kapitulation Japans wurde die kriegswirtschaftliche Hilfe der USA an die UdSSR eingestellt. Im Sommer 1945 verlor Churchill trotz des gewonnenen Krieges die Unterhauswahlen des britischen Parlaments. In Vorträgen und Büchern verbreitete er die Idee der Vereinigten Staaten von Europa, basierend auf einer Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland. Das Symbol des Eisernen Vorhangs war nicht neu im politischen Sprachgebrauch, aber Churchill wendete es auf die neue politische Situation in Europa an. Der ehemalige britische Premierminister Winston Churchill am Westminster College in Fulton, Missouri (5. März 1946) Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte und die Bevölkerung ringsum liegen alle im sowjetischen Wirkungskreis, so muss ich es nennen, und unterliegen, auf die eine oder andere Weise, nicht bloß sowjetischem Einfluss, sondern zu einem sehr hohen und in einigen Fällen zunehmendem Maße der Lenkung durch Moskau. M2: Aus: Weber (Hg.): 30 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 1979, S. 34 f. Wie Churchill es beschrieben hatte, etablierten sich in den nächsten Jahren kommunistische Regime in den Staaten Osteuropas und die Grenzanlagen wurden bis Anfang der 1990er Jahre immer stärker ausgebaut. Die neuen Grenzzäune Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und mit dem EU-Abkommen von Schengen gab es für einige Zeit keine baulichen Abgrenzungen in Europa. Dies änderte sich mit dem Zuzug von Flüchtlingen aus Gebieten außerhalb der EU. Neue Grenzzäune wurden errichtet, um Fluchtwege in die EU zu unterbinden. Ländergrenzen Baubeginn Griechenland–Türkei 2012 Bulgarien–Türkei 2013 Griechenland–Türkei 2013 Großbritannien–Frankreich 2015 Lettland–Russland 2015 Lettland–Weißrussland 2015 Österreich–Slowenien 2015 Slowenien–Kroatien 2015 Ungarn–Kroatien 2015 Ungarn–Serbien 2015 Nordmazedonien–Griechenland 2015 Norwegen–Russland 2016 Estland–Russland 2017 Litauen–Kaliningrad (RU) 2017 Serbien–Nordmazedonien 2020 Litauen–Weißrussland 2021 Polen–Weißrussland 2021 Finnland–Russland 2023 M3: EU-Grenzzäune mit dem Jahr des Baubeginns Österreichs Bollwerk gegen Flüchtlinge Dieser Zaun stoppt niemanden – weil keiner kommt […] Die Kosten für den Einsatz betragen rund 20 Millionen Euro pro Halbjahr, und in den ersten sechs Monaten 2018 wurden genau zehn illegale Einreisende aufgespürt. Macht zwei Millionen Euro pro Kopf. M4: Hecking: Dieser Zaun stoppt niemanden – weil keiner kommt, in: Spiegel, 3.12.2018. Online auf: www.spiegel.de (5.7.2024). Jetzt bist du dran: 1. Vergleiche anhand von M1 und M3 die Änderungen des Eisernen Vorhangs von 1955 zu den neuen Grenzzäunen gegen Flüchtlinge heute. 2. Recherchiere zu der Situation in Wien in Bezug auf M2. Argumentiere, warum Churchill Wien im Jahr 1946 ebenfalls im sowjetischen Wirkungskreis sah. 3. Diskutiere anhand von M3 und M4 den Nutzen von Grenzzäunen gegen Flüchtlinge. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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