Alles Geschichte! 7, Schulbuch

116 2.4 Demokratisierungsbewegungen in Osteuropa In den osteuropäischen Staaten kam es vor allem in den 1950er und 1960er Jahren immer wieder zu Revolten gegen die kommunistische Herrschaft. Die Regierungen ließen diese mit Hilfe der Sowjetunion bzw. des Warschauer Paktes gewaltsam niederschlagen. Aufstände ereigneten sich zunächst 1953 in der DDR (s. S. 112) und 1956 in Polen sowie in Ungarn. Aufstand in Ungarn In Ungarn kam es im Oktober 1956 zu einer vorerst friedlichen Demonstration von Studierenden in Budapest. Diese entwickelte sich spontan zu einer Großdemonstration, der sich Zehntausende anschlossen. Die Forderungen reichten von der Wiederaufnahme des 1953 begonnenen Reformkurses, bei dem Straflager abgeschafft, politische Verfolgungen etwas gebremst und Medienfreiheit gestärkt wurde, sowie einer Abkehr vom totalitären Regierungsstil über die Öffnung des Landes bis hin zur Demokratisierung und zu freien Wahlen. In Kritik stand auch der Einfluss der UdSSR. Über die Grenzen der Hauptstadt hinaus entwickelte sich ein landesweiter Aufstand, den die ungarische Regierung mit Hilfe sowjetischer Truppen niederschlug. Dabei kamen 1100 Panzer zum Einsatz. Es folgten Verhaftungen und Hinrichtungen von Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Aufstände. M1: Scheidl: Sowjetischer Panzer in Budapest. Fotografie, 1956 Nach Ende des Aufstandes verließen viele Ungarn und Ungarinnen das Land, darunter viele Arbeiter/innen sowie Intellektuelle, die meisten waren jünger als 40 Jahre. Österreich nahm ca. 200 000 Flüchtlinge auf. M2: Albert Hilscher: Ankunft ungarischer Flüchtlinge im Lager Traiskirchen. Fotografie, 1956 Der „Prager Frühling“ In der Tschechoslowakei (ČSSR) kam es Anfang der 1960er Jahre aufgrund der verfehlten Politik der kommunistischen Regierung zu einer Wirtschaftskrise. 1968 zeigten sich erste demokratische Entwicklungen, die Forderungen nach wirtschaftlichen, gesellschaftlichen bzw. politischen Reformen wurden angenommen. Es kam zu Liberalisierungen und Öffnungstendenzen. Das Ziel war ein „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Diese Phase der Liberalisierung wird auch als „Prager Frühling“ bezeichnet. Der Staatschef der UdSSR, Leonid Breschnew, sah im Reformpaket hingegen eine Gefahr für den Sozialismus. Er vertrat im Rahmen der sogenannten Breschnew-Doktrin die Auffassung, dass Souveränität der einzelnen sozialistischen Staaten zu Gunsten der anderen begrenzt sein müsse. Auszug aus dem „Warschauer Brief“ vom 15. Juli 1968. Die Parteispitzen der anderen Staaten fordern von der ČSSR ein Ende des Reformkurses. Die Entwicklung der Ereignisse in Ihrem Lande beunruhigt uns zutiefst. Die vom Imperialismus unterstützte Offensive der Reaktion gegen Ihre Partei und gegen die Grundlagen der Gesellschaftsordnung der ČSSR birgt nach unserer festen Überzeugung die Gefahr in sich, daß Ihr Land vom Wege des Sozialismus abgedrängt wird und folglich die Interessen des ganzen sozialistischen Systems bedroht werden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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