134 3.3 Vietnam: von der Kolonie zum Stellvertreterkrieg Der erste Kontakt zwischen Frankreich und dem Kaiserreich Annam, dem späteren Vietnam, erfolgte im 17. Jh. durch französische Missionare. Im 19. Jh. setzte eine politische Gegenströmung gegen die Missionierung ein, woraufhin Frankreich 1858 militärisch intervenierte und französische Truppen im Süden einmarschierten. In weiterer Folge musste sich das regierende Kaiserhaus den Ansprüchen Frankreichs unterwerfen, wodurch aus Annam 1887 eine französische Kolonie, die Indochinesische Union, wurde. Das Leben der Menschen in Indochina Die französische Regierung ersetzte die bestehenden Strukturen durch eine zentralisierte Verwaltung mit einem Generalgouverneur. Durch Zwangsarbeit wurde der Bau der öffentlichen Infrastruktur (Kanäle, Eisenbahntrassen und Straßen) vorangetrieben, ab 1901 mussten alle erwachsenen Männer 30 Tage unbezahlte Arbeit im Jahr leisten. Auf großen Plantagen wurden Rohstoffe für den Export produziert, z. B. Kautschuk. Dort starben tausende Menschen durch Unterernährung, Krankheit und körperliche Misshandlungen, bevor Ende der 1920er Jahre Gesundheitsmaßnahmen gesetzt wurden. Gegen die Fremdherrschaft, den dadurch verursachten Wandel der Gesellschaft und die Ausbeutung des Landes und der Menschen formierte sich schon unmittelbar nach Gründung der Kolonie eine Widerstandsbewegung, die von Frankreich mit Gewalt ausgeschaltet wurde. M1: Unbekannt: Hang Co Railway Station, Hanoi. Fotografie um 1903 Ho Chi Minh Nguyên Sinh Cung, später als Ho Chi Minh bekannt, wurde 1890 geboren. Nach Aufenthalten in den USA und Großbritannien kam er 1917 nach Frankreich und schloss sich einem Vorläufer der Sozialistischen Partei und der Gemeinschaft der annamitischen Patrioten (Verein von Vietnamesen in Frankreich) an. Im Juni 1919 richtete er eine Petition an die amerikanische Regierung. Darin formulierte er die Bitte, das vietnamesische Volk nach Wilsons 14-Punkte-Plan in den Verhandlungen bei den Friedenskonferenzen in Paris zu unterstützen. Brief an den Außenminister der USA (1919) The Annamite people, in presenting these claims, count on the worldwide justice of all the Powers, and rely in particular on the goodwill of the noble French people who hold our destiny in their hands and who, as France is a republic, have taken us under their protection. In requesting the protection of the French people, the people of Annam, far from feeling humiliated, on the contrary consider themselves honored, because they know that the French people stand for liberty and justice and will never renounce their sublime ideal of universal brotherhood. Consequently, in giving heed to the voice of the oppressed, the French people will be doing their duty to France and to humanity. M2: Gettleman (Hg.): Vietnam and America, 1995, S. 20. Nguyên Sinh Cung arbeitete zu dieser Zeit als Journalist und forderte den Abzug Frankreichs aus Vietnam. Aufgrund seiner politischen Arbeit wurde er von der französischen Geheimpolizei überwacht, weshalb er wechselnde Decknamen verwendete. Den Namen Ho Chi Minh nahm er in den 1940er Jahren an. Da die Sozialistische Partei aus seiner Sicht nicht genügend für die Dekolonisierung eintrat, wurde er 1920 Mitbegründer der Kommunistischen Partei Frankreichs. 1923 zog er in die UdSSR, wo sich sein marxistisches Weltbild ausprägte. 1930 gründete er die Kommunistische Partei Indochinas, die sich die Unabhängigkeit des Landes von der Kolonialherrschaft zum Ziel machte. Indochina im Zweiten Weltkrieg Nach der Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg gewährte das Vichy-Regime (s. S. 82) Japan die Stationierung von Truppen in Indochina. 1941 kehrte Ho Chi Minh nach Vietnam zurück und gründete die kommunistische Widerstandsgruppe Viet Minh, die den Kampf gegen die japanischen Besatzungstruppen und die französische Kolonialverwaltung aufnahm. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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