Alles Geschichte! 7, Schulbuch

153 Die gesellschaftlichen Rollen von Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg Kurz nach dem Krieg war die Mehrzahl der arbeitsfähigen Bevölkerung in Österreich und Deutschland Frauen. Viele Männer waren gefallen, in Kriegsgefangenschaft, verletzt oder in Haft. Frauen waren daher hauptverantwortlich für die Versorgung der Familie und leisteten Hilfe beim Wiederaufbau. Die Juristin Elisabeth Selbert konnte 1949 zusammen mit Frauenverbänden durchsetzen, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) eingefügt wurde: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Auch die Deutsche Demokratische Republik nahm die Gleichberechtigung in die Verfassung auf. Die Situation änderte sich allerdings in den 1950er-Jahren, als die arbeitsfähigen Männer ihre traditionellen Plätze in der Arbeit und als sogenanntes „Oberhaupt“ der Familie wieder einnahmen. Historikerin Michaela Karl über die 1950er-Jahre in der BRD Waren zu Beginn des Kriegs noch 50 Prozent der Erwerbstätigen [in Deutschland] Frauen, ging ihre Zahl in den 50er Jahren [in der BRD] auf knapp 30 Prozent zurück. Noch waren männliche Arbeitskräfte knapp und Frauen sicherten in den ersten Nachkriegsjahren den Fortbestand der Produktion – mit einem Lohnunterschied zu ihren männlichen Kollegen, der bis zu 50 Prozent betragen konnte! M2: Karl: Die Geschichte der Frauenbewegung, 2020, S. 119. Die Regierungen Österreichs und der BRD stellten die traditionelle Kernfamilie in den Mittelpunkt ihrer Politik. Die Familien sollten die Gesellschaft stabilisieren. Den Frauen wurde darin die Rolle der (unbezahlten) Hausfrau und Mutter zugeteilt, sie waren für Hausarbeiten, die Versorgung der Kinder und anderer Familienmitglieder zuständig und sollten höchstens in Teilzeit erwerbstätig sein. Die Stagnation der Wirtschaft in Westeuropa in den 1960er-Jahren machte eine vermehrte Rückkehr der Frauen in die Erwerbstätigkeit notwendig. Damit ging eine erdrückende Doppelbelastung von Haushalts- und Betreuungstätigkeiten (= Reproduktionsarbeit) sowie Erwerbsarbeit einher, die vielfach bis heute anhält. Frauen im heutigen Iran Frauen sind im Iran den Männern rechtlich nicht gleichgestellt. In vielen Bereichen des Lebens ist dies bemerkbar: Beispielsweise haben Zeugenaussagen von Frauen vor Gericht geringere Beweiskraft als Aussagen von Männern. Polygamie ist für Männer legal, sie können sogenannte Zeit-Ehen eingehen. Das gesetzliche heiratsfähige Alter für Mädchen liegt aktuell bei neun Jahren, für Jungen bei 15 Jahren. Vor allem Mädchen aus ländlichen Regionen und armen, bildungsfernen Familien laufen Gefahr, von ihren Familien verheiratet zu werden. Auch im sozialen Leben wirken sich die Vorschriften aus: Frauen dürfen nur mit Zustimmung ihres Ehemannes einen Reisepass beantragten und außer Landes reisen. Sie dürfen nicht Fahrradfahren und kein Fußballstadion besuchen. In der Öffentlichkeit zu tanzen ist beiden Geschlechtern untersagt. Die öffentliche Abnahme des für Frauen verpflichtenden Kopftuches wurde in den letzten Jahren ein Zeichen des Protestes. M3: Kena Betancur: Weltweiter Solidaritätsprotest mit den iranischen Frauen in New York zum ersten Todestag von Mahsa Amini. Fotografie, 16.9.2023 Aktuell werden Personen, die für Frauen- und Freiheitsrechte eintreten, willkürlich verhaftet, gefoltert, entrechtet, hingerichtet. Internationalen Organisationen wird die Arbeit im Land erschwert. Soziale Medien spielen in den Protesten eine wichtige Rolle, da die Proteste der Iraner/ innen gegen das Regime und deren staatliche Unterdrückung durch sie auch dem Ausland zugänglich sind. Jetzt bist du dran: 1. Interpretiere die beiden Schilder auf dem Bild M1, die von den Demonstrierenden hochgehalten werden. 2. Setze die statistischen Kennzahlen in M2 in Zusammenhang mit dem Autorentext. 3. Recherchiere die Umstände des Todes von Mahsa Amini. Untersuche den Zusammenhang zwischen den auf ihren Tod folgenden Protesten im Iran und der Beschriftung auf den Schildern der Demonstrierenden in M3. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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