Alles Geschichte! 7, Schulbuch

154 4.2 Demokratie, Grund- und Menschenrechte Das Idealbild einer Demokratie Demokratien zeichnen sich dadurch aus, dass der Souverän, also die oberste Staatsgewalt, nicht mehr eine Einzelperson oder eine Gruppe von Menschen ist, sondern das gesamte Staatsvolk. Allgemeine, freie und gleich Wahlen ermöglichen es allen Staatsbürgerinnen und -bürgern, ab einem bestimmten Alter die Politik des Staates mitzubestimmen. In Österreich gibt es die repräsentative Demokratie, d. h., Volksvertreter/innen setzen den (Mehrheits-)Willen des Volkes durch, aber auch Instrumente der direkten Demokratie: Volksabstimmung, Volksbegehren und Volksbefragung. Die Demokratien sorgen durch das Prinzip der Gewaltenteilung (siehe Band 6, S. 40), durch ihre Institutionen und Gesetze dafür, dass die Grund- und Menschenrechte der Bevölkerung gewahrt werden und dass alle Menschen die gleichen Rechte, Pflichten und Möglichkeiten haben. Dichter Johann Gottfried von Herder über die Rechte und Pflichten von Menschen (1793) Es gibt keine einseitigen Pflichten und keine einseitigen Rechte. Pflichten und Rechte gehören zusammen, wie die obere und die untere, die rechte und die linke Seite. M1: Aus: Lacina/Kitzberger: Ethik 3, 2022, S. 22. Dieses Idealbild einer Demokratie muss jedoch immer wieder erarbeitet werden. Ein Beispiel ist die Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) in den USA. Diese erkämpfte in den 1950er- und 1960er-Jahren wichtige Rechte für die schwarze Bevölkerung – vom gemeinsamen Unterricht aller Kinder bis zum Verbot von Maßnahmen, die Minderheiten daran hindern, zu wählen. Der Beginn: Die ersten Bürgerrechte Bereits in der englischen Magna Charta Libertatum im 13. Jh. wurde die Gleichheit aller Menschen von Geburt an niedergeschrieben. In der Vorphase der Aufklärung, die in England von Thomas Hobbes geprägt war, wurde zum ersten Mal der Gedanke formuliert, dass der Mensch schutzbedürftig sei und sich daher in den Schutz des Staates begebe. Umgesetzt wurde dieser Grundsatz in der Habeas-Corpus-Akte von 1679. Diese schützte die Untertanen vor der Willkür des Staates, indem sie vorschrieb, dass eine verhaftete Person innerhalb von drei Tagen einem Richter vorgeführt werden musste. Der Richter musste auf Grundlage der Gesetze entscheiden, ob die Person angeklagt oder freigelassen wurde. Aufklärung: Die natürlichen Rechte der Menschen In der Zeit der Aufklärung im 18. Jh. wurde schließlich die Forderung formuliert, dass alle Menschen über die gleichen Rechte und Freiheiten verfügen sollten. Der aufgeklärte Mensch habe aufgrund seines Menschseins natürliche Rechte, die es zu wahren gelte, wie das Recht auf Eigentum, Freiheit und Gleichheit. Dieser Grundsatz wurde 1776 in die „Virginia Bill of Rights“ und im selben Jahr in die Unabhängigkeitserklärung der USA, später in die US-Verfassung aufgenommen. Damit gab es erstmals einen verschriftlichten Grundrechtskatalog. Versklavte Menschen, Indigene und Frauen waren allerdings nicht mit eingeschlossen. Dasselbe gilt für die Allgemeine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die während der Französischen Revolution 1789 von der Nationalversammlung verkündet wurde. Allgemeine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1789) Artikel 1. Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. […] Artikel 2. Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung. M2: Online auf: https://www.conseil-constitutionnel.fr/de (6.10.2023). Die 17 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurden in die französische Verfassung von 1791 aufgenommen und fanden in der Folge Einzug in immer weitere Verfassungen. Im 19. Jh. wurden im Zuge der Industriellen Revolution die Rechte der Arbeitnehmer/innen in die Menschenrechte aufgenommen und soziale Mindeststandards definiert. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Im Zuge der Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Diktatur nach 1945 wurde erkannt, dass es einen allgemeinen Katalog von definierten Grund- und Menschenrechten braucht. Die Generalversammlung der 1945 gegründeten United Nations Organisation (UNO) verabschiedete am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Diese war zwar nicht verbindlich, stellte aber die Grundlage für spätere verbindliche Abkommen dar, wie die Europäische Menschenrechtskonvention. In Österreich ist die AEMR in die Verfassung aufgenommen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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