156 4.3 1968er-Bewegungen Um das Jahr 1968 kam es weltweit zu Demonstrationen, Unruhen, Protestbewegungen, Friedenskundgebungen usw. Die Themen der Bewegungen umfassten zum einen globale (Krieg und Atomkraft), zum anderen ländertypische Inhalte. Die 1968er-Bewegungen wurden hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen. Zivilgesellschaft Die Zivilgesellschaft umfasst das Engagement von Menschen, die sich für gesellschaftliche Themen einsetzen, z. B. für die Einhaltung der Menschenrechte und Gleichberechtigung, gegen die Diskriminierung bestimmter Gesellschaftsgruppen und für eine gerechte Gesellschaftsordnung. Dabei sind sie nicht profitorientiert und unabhängig von parteipolitischen Interessen. Vielfach begründen zivilgesellschaftlich aktive Bürger/innen Vereine, Initiativen und soziale Bewegungen. Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gehören zur Zivilgesellschaft. Soziale Bewegung Die oft sehr unterschiedlichen Mitglieder einer sozialen Bewegung verbindet als gemeinsames Ziel eine bestimmte soziale, politische oder gesellschaftliche Veränderung. Durch öffentliche Aktionen versuchen sie, ein Bewusstsein für ihr Anliegen zu schaffen. Wenn die Aktionistinnen und Aktionisten ihr Ziel zumindest teilweise erreicht haben, gehen sie wieder auseinander und die Bewegung löst sich auf. Motive der Bewegungen: • Kalter Krieg Die Gründe für die 1968 beginnenden weltweiten Protestbewegungen, die sich bis in die 1970er-Jahre zogen, waren vielfältig: Politisch herrschte der Kalte Krieg zwischen demokratischen Westmächten und kommunistischem Ostblock (s. S. 108 ff.). Beide Konfliktparteien besaßen riesige Waffenarsenale. Sie traten jedoch nicht direkt in kriegerische Auseinandersetzungen, sondern versuchten in Stellvertreterkriegen weltweit Einfluss zu bekommen. Diese politische Situation beunruhigte viele junge Menschen und politisierte sie. • Durchsetzung liberaler Ideen und Sinnsuche In den 1950er-Jahren war es nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in den westlichen Staaten Europas langsam zu einem wirtschaftlichen Aufschwung gekommen. Hauptgründe waren neben dem Marshallplan die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 und der Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) 1960. Ähnlich wie in den 1920er-Jahren kam es auch jetzt zu einem gesteigerten Konsumverhalten. Fernseher, Waschmaschine und auch Autos wurden für alle leistbar. Die gesellschaftlichen Strukturen hatten sich jedoch nicht geändert, und im Gegensatz zur hierarchischen Gesellschaftsordnung vertraten vor allem junge Menschen liberale Ansichten und strebten nach politischer Partizipation. Auch fragten viele nach dem Sinn des Massenkonsums und kritisierten kapitalistische Wirtschaftssysteme. Beginn der 1968er-Bewegungen in den USA Der Ursprung der 1968er-Bewegungen lag in den USA, wo die Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) seit den 1950er-Jahren gegen die rassistische Diskriminierung von Afroamerikanern und für Gleichberechtigung gekämpft hatte. Es war ein gewaltloser Kampf, mit Massenprotesten und Aktionen des zivilen Ungehorsams, z.B. Sitins in Weißen vorbehaltenen Lokalen. Angeführt wurde die Bewegung von Friedensnobelpreis-Träger Martin Luther King jr., der 1968 von einem weißen Rassisten ermordet wurde. M1: Bürgerrechtsaktivistinnen und -aktivisten auf dem Weg von Selma nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama, USA. Fotografie, 1965. Schwarze Bürger/innen wurden in Selma daran gehindert, sich für die Wahlen registrieren zu lassen. Nachdem die Polizei friedliche Proteste mit brutaler Gewalt beendet hatte, begannen die Bürger/innen mit Protestmärschen zum Regierungsgebäude in Montgomery. Charakteristik der 1968er-Bewegungen Zunächst bildeten sich in den USA Gruppen von jungen Menschen, die das Ziel verfolgten, die gesellschaftlichen Strukturen grundlegend zu verändern. Diese Bewegung griff auch auf Europa über. Konkrete Proteste gab es gegen die Intervention der USA im Vietnam-Krieg (s. S. 134). Zum einen sahen viele junge Menschen diese als Unterdrückung einer legitimen antikolonialen Unabhängigkeitsbewegung. Aber auch Vietnam-Veteranen sprachen sich dagegen aus. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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