163 Zusammenarbeit mit der Politik: Die 1970er Für die gesetzliche Umsetzung ihrer Forderungen benötigten die Frauengruppen politische Unterstützung. 1973 ließ Christian Broda, Justizminister in der Regierung von Bruno Kreisky, die Regelung der Fristenlösung für Schwangerschaftsabbrüche im Gesetz ergänzen. Demnach sind Abtreibungen innerhalb der ersten drei Monaten der Schwangerschaft straffrei. ÖVP und katholische Kirche hatten sich gegen die Fristenlösung ausgesprochen. Mit der Familienrechtsreform zwischen 1975 und 1978 wurde der Ehemann als Oberhaupt der Familie abgesetzt, die Eheleute wurden einander rechtlich gleichstellte. Ehefrauen mussten nun nicht mehr den Ehemann um Erlaubnis bitten, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollten. Damit wurden sie finanziell unabhängig, trotz der eklatanten Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Eröffnung des ersten Frauenhauses 1978 hatten Aktivistinnen der autonomen Frauenbewegung mit Unterstützung der damaligen SPÖ-Gemeinderätin der Stadt Wien, Johanna Dohnal, das erste autonome Frauenhaus in Österreich eröffnet. Häusliche Gewalt gegen Frauen, d. h. psychische, körperliche und sexuelle Gewalt, die durch männliche Familienmitglieder ausgeübt wird, war zu dieser Zeit ein gesellschaftliches Tabu oder sogar akzeptiert. Das Frauenhaus bot einen Ort, wo Frauen zusammen mit ihren Kindern Schutz bekamen. Ab 1992 kamen Beratungsstellen hinzu. Österreichs erste Frauenministerin 1979 wurde Dohnal Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen, 1990 Frauenministerin. In diesen Funktionen setzte sie eine Vielzahl gesetzlicher Verbesserungen für Frauen und auch für Männer durch, z.B. den Elternkarenzurlaub, der auch Vätern Karenzzeiten ermöglicht. Ein wichtiges Betätigungsfeld war weiterhin der Schutz der Frauen vor psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt. M3: Unbekannt: Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal vor einem Plakat mit dem Slogan „Jeder zweite Abgeordnete ist eine Frau“. Fotografie, 1979 Gewaltschutz für Frauen heute Gewalt gegen Frauen wird gegenwärtig durch die in den USA entstandene #MeToo-Bewegung auch in Österreich öffentlich diskutiert. Gewaltschutz in Lokalen österreichischer Städte Die Frage „Ist Luisa da?“ ist der Code für Mädchen und Frauen, die sich sexuell belästigt oder bedroht fühlen und Hilfe brauchen. Diese Hilfe erhalten sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Lokal. Und zwar schnell und einfach. Zum Beispiel werden Freunde und Freundinnen verständigt, Sachen vom Platz geholt, eine Begleitung zu einem Taxi organisiert oder – im Notfall – die Polizei verständigt. M4: Folder der Stadt Graz: Luisa ist da, o. J., S. 3. Aktuelle Gleichstellungsthemen Im 21. Jh. ist die Frauenpolitik immer mehr zu einer Gleichstellungspolitik geworden: Zum Beispiel wurde das Regel-Pensionsalter von Frauen schrittweise an das Antrittsalter von Männern angepasst und die Elternkarenz gestärkt. Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Österreich (2023) Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede verringert werden konnten, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Diese Differenz wird meist mit dem EU-Indikator Gender Pay Gap veranschaulicht. In Österreich lag der Gender Pay Gap laut Eurostat 2023 bei 18,3 Prozent, und damit deutlich über dem EU-Schnitt (EU27) von 12,0 Prozent. M5: Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung: Einkommen und der Gender Pay Gap. Online auf: https://www.bmfwf.gv.at (12.7.2024) Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe M1 und M3. Arbeite die Problemfelder heraus, die auf den Plakaten angesprochen werden. 2. Analysiere die Aussage Simone de Beauvoirs (M2) in Zusammenhang mit dem Infokasten „Das heutige Verständnis von Gender“. Nimm dazu Stellung und diskutiere mögliche Folgen. 3. Überlegt zu zweit Situationen, in denen eine junge Frau nach Luisa fragen sollten (M4). Spielt diese in der Klasse vor. 4. Recherchiere, an wen man sich in Österreich wenden kann, wenn man vermutet, aufgrund des Geschlechts weniger Lohn zu bekommen (M5). 5. Rufe mit der Quickmedia-App das Video „Frauenrechte in Österreich“ auf. Löse die interaktiven Aufgaben. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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